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d. h. der Kirche, als des einzelnen. Dagegen spielt wie man längst erkannt hat der Dogmatismus, die Annahme eines bestimmten Systems von Glaubenssätzen, im Christentum die wichtigste Seite der Religion, in der altsemitischen wie überhaupt in der antiken Religion keine hervortretende Rolle1).

In der altsemitischen Religion liegt die Ursache dazu auf der Hand. Für die Kultgenossenschaft war kein Anlass vorhanden, den Glauben an einen dreifaltigen Gott in einem dreifachen Glaubensbekenntnis zu formulieren und die Annahme dieses Glaubens als erste und wichtigste Heilsbedingung von allen Mitgliedern der Genossenschaft zu fordern, denn es konnte niemand einfallen, an der Existens der drei Gottheiten zu zweifeln, die als Himmelskörper am Firmament allen Menschen sichtbar waren. Der Vater, der Sohn und die Mutter wandelten ihre Bahnen vor den Augen der ganzen Gemeinde, und die Mythen, die von ihnen erzählt wurden, waren eben

1) > Die antike Religion war zum grössten Teil nicht ein Glauben; sie bestand hauptsächlich aus Institutionen und Bräuchen. Ohne Zweifel werden die Menschen gewöhnlich nicht bestimmte Bräuche üben, ohne mit ihnen irgend eine Vorstellung zu verknüpfen. Als Regel aber finden wir, dass der Brauch aufs strengste bestimmt war, während die mit ihm verbundenen Vorstellungen äusserst unbestimmt waren, und dass der gleiche Ritus bei verschiedenen Völkern in verschiedener Weise gedeutet wird, ohne dass sich infolge dessen die Frage nach Orthodoxie oder Heterodoxie erhob. Robertson Smith 1. c. S. 12.

Die alte Religion ist frei von allem Dogmatismus, im wesentlichen besteht sie vielmehr in der Ausübung bestimmter, alt überlieferter Riten. Diese sind das Feste, Bleibende; wer in genauer Ausführung dieser rituellen Vorschriften die Götter verehrt, der ist voɛßýs nach der Auffassung der Alten. Wie sich dagegen der Einzelne den Ursprung der Bräuche erklärt, wie er sich zu den iɛgoi óyou stellen will, ist dafür ganz unwesentlich. Hugo Hepding: Attis, seine Mythen und sein Kult, Giessen 1903 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten, 1. Band), Kap. 2 Attismythen, S. 98.

falls sichtbare Vorgänge am Himmel, die jedermann beobachten konnte. Die Gemeinde musste aber fordern, dass die himmlische Götterfamilie, von deren gnädiger Stimmung das ganze Wohl des Stammes abhängig war, richtig verehrt wurde, d. h. dass der Kultus nach den überlieferten Riten regelmässig stattfand, und dass alle Mitglieder des Stammes sich an diesem Kultus beteiligten. So wurde das Gottesverhältnis in eine Reihe Gesetze aufgelöst, und es lag in der Natur der Sache, dass diese Gesetze vorwiegend kultischer äusserlicher Art waren, weil ja die ganze Gemeinschaft, wozu auch die Götter gehörten, durch äusserliche physische Bande zusammengehalten wurde.

So ersehen wir aus den altarabischen Inschriften, wie das ganze Leben von einer Fülle detaillierter Kultusvorschriften beherrscht wurde, die frappante Übereinstimmungen mit den hebräischen Gesetzen bieten1). Wie man den im Wesen der altsemitischen Naturreligion liegenden Individualismus durch die altarabischen Amulette veranschaulichen kann, so kann man den altsemitischen Ritualismus durch eine altarabische Gesetztafel 2) illustrieren (Abb. 12).

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1) Siehe D. Nielsen: Die altarabische Mondreligion, Strassburg 1904, S. 204-208.

2) Diese Tafel ist nicht Gesetztafel in dem Sinne, dass die Gesetze darauf aufgezählt sind, sondern gehört einer Serie von Tafeln an, welche, von den Übertretern der rituellen Reinheitsgesetze geweiht, wahrscheinlich öffentlich im Tempel ausgestellt wurden. Der Name des Sünders und die Sünde, die er begangen hat, wird schonungslos genannt, auch wenn es sich um intime sexuelle Sünden handelt, vgl. die Übersetzung und Kommentar dieser Tafeln bei D. H. Müller: Südarabische Alterthümer im kunsthistorischen Hofmuseum, Wien 1899. S. 20-26. D. Nielsen: Die altarabische Mondreligion, Strassburg 1904, S. 204-208. M. Lambert: Corpus inscription. semitic. Pars IV Tomus II fasc. III. Caput XIV, Inscriptiones Sabææ deo Dhû Samâwio dedicatæ Nr. 523, 532, 533 S. 237-239, S. 248-251.

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Abb. 12. Sabäische Tempeltafel, Glaser 1052 (Bronze). Kunsthistorisches Hofmuseum zu Wien Nr. 6.

Diese soziale Verwaltung der Religion, die in unpersönliche Juristerei ausmündet, wirkt auf das von Haus aus individuelle religiöse Vaterverhältnis ein. Als Naturgott, der am Himmel strahlt, ist Gott-Vater kein politischer Gott, kein Stammgott oder Volksgott, sondern Gott für jeden, der Augen hat, besonders unentbehrlich für den Hirten, der mit seinem Vieh die grossen arabischen Steppen und Wüsten durchwandert, oder für den Geschäftsmann, der auf Kameelrücken die weiten Karawanenreisen macht. Als Stammvater der Menschen ist er auch, wie wir gesehen haben, der Vater des Einzelnen, durch das unauflösliche heilige Band der Verwandtschaft mit ihm innig verbunden. Als soziales Oberhaupt wird Gott-Vater aber als himmlischer Stammesältester gedacht und wird — wie in der hebräischen Sinai-Überlieferung zum Richter und Gesetzgeber verwandelt, das Bild des göttlichen Vaters wird von den vielen Gesetzen verdunkelt.

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Wir treffen hier eine Entwickelung, die eine genaue Parallele bietet zu dem Prozess, der auf nordsemitischem Kulturboden den göttlichen Bruder zum »König‹ und >> Herrn << umformt (S. 95–103). Als soziales Oberhaupt bekommt der göttliche Vater eine Funktion, die auf das Verwandtschaftsgefühl auflösend wirkt. >> Vater<< und >> Bruder << werden zu »Ältestem« und »König«, zum Gesetzgeber und despotischen Herrn, der ursprüngliche Charakter dieser beiden Gestalten tritt dabei ganz zurück.

Zugleich wird in einer solchen Religionsorganisation das persönliche Verhältnis zu Gott-Vater durch das Verhalten zum Stamm oder Volk bedingt. Wenn jemand keinem Volk oder Stamm angehört, so hat er auch keinen Gott, und er gehört dem Stamm oder dem Volk nur an, wenn er die Gesetze einhält und den ganzen Kultus mitmacht. So wird das persönliche Verhältnis, das im Wesen der Vatervorstellung liegt, zu einer unpersönlichen me

chanischen Gesetzsklaverei, weil der Kultus des Stammes das Tor ist, durch das der Einzelne Eintritt zum Gott hat. Die als Gemeinde organisierte soziale Gesellschaft ist eine Heilsanstalt geworden und hat die Schlüssel zum Himmelreich übernommen.

Reste dieses altsemitischen Kollektivismus haben sich in den auf semitischem Kulturboden entstandenen Weltreligionen, in Judentum, Christentum und Islam erhalten, aber solche moderne Analogien können uns nur teilweise zu einem Verständnis der altsemitischen Stammesreligion verhelfen. In diesen modernen Religionen ist die einzelne Person doch immerhin der religiöse Mittelpunkt, die Aufgabe der Gemeinde ist, dem einzelnen Individ zum Heil zu helfen, aber in der altsemitischen Gemeindeorganisation war der Stamm alles, der Einzelne nichts, auf allen Gebieten herrschte ein absoluter Sozialismus und Kommunismus.

Privates Eigentum gab es nicht, aller Besitz gehörte dem Stamme, das rechtliche Subjekt war nicht die ein. zelne Person, sondern der Stamm. Für Verbrechen ausserhalb des Stammesverbandes ist der ganze Stamm verantwortlich, ein Prinzip, das in der Blutrache deutlich zum Vorschein kommt. Die Blutrache wird nämlich bei den alten Semiten so gehandhabt, dass nicht diejenige Person, die den Totschlag begangen hat, sondern irgend eine beliebige dem feindlichen Stamme angehörige Person umgebracht wird. Die Stammesgenossenschaft ist nämlich keine Korporation, sondern ein Körper, der Einzelne kein Mitglied einer Korporation, sondern ein Partikel des Stammkörpers. Da die ganze Stammesmasse juridisch solidarisch ist, so soll die Widervergeltung den Stammkörper auf irgend einem Punkt treffen1). Noch mehr sinnlos und

1) O. Procksch: Über die Blutrache bei den vorislamitischen Arabern, Leipzig 1899. Erwin Merz: Die Blutrache bei den Israeliten, Leipzig 1916 (Beiträge zur Wissensch. vom Alten Testament, Heft 20).

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