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in der ganz primitiven semitischen Nomadenkultur belegt, weil eben die älteste historisch erkennbare semitische Re

ligion eine einfache Naturreligion war. In dieser primitiven Naturreligion werden die beiden grossen Himmelskörper Mond und Sonne göttlich verehrt, und ein über die ganze Welt verbreiteter sehr primitiver Naturmythus betrachtet dieses Götterpaar als Ehegatten oder Vater und Mutter aller lebendigen Wesen, weshalb auch in den meisten Sprachen Mond und Sonne männlich und weiblich sind. Bei den ältesten Semiten wie bei den alten Germanen war der Mond männlich (Der Mond), die Sonne weiblich (Die Sonne). In der arabischen Sonnengöttin als Gemahlin des Mondgottes und im weiblichen Geschlecht der Sonne (Šams), das noch heute überall in Arabien und im Arabischen neben einem männlichen Mond (Kamar) erhalten ist, haben wir ein Stück unverfälschter ursemitischer Mythologie.

Gewöhnlich meint man die ursprüngliche Gestalt einer Gottheit gefunden zu haben, wenn man sie als Naturgott konstatiert hat, und so gilt die Erde als Mutter Erde den meisten Gelehrten als die ursprüngliche Form der semitischen Muttergöttin. Die Erde als ein weibliches Wesen, das durch den Regen vom männlichen Himmel befruchtet aus ihrem Mutterschoos alle lebende Wesen gebiert und ernährt, ist für Kulturvölker ein sehr naheliegender Gedanke; er ist über die ganze Erde verbreitet und ist auch bei den ackerbautreibenden Semiten belegt1), aber bei den Semiten ist dies nicht die älteste Form der Muttergöttin (S. 277-288). Die Erde gehört überhaupt nicht zu den gemeinsemitischen Gottheiten, sie ist im primitiven südsemitischen Kulturkreis garnicht als mythi

1) Die hierhergehörende Literatur ist S. 219 Anm. 1 gebucht. Bei den Ägyptern ist jedoch umgekehrt der Himmel (Nut) weiblich und wird von der männlichen Erde (Keb) beschwängert.

sches Wesen personifiziert. Eine ältere Form der Muttergöttin liegt, wie schon der Name Istar-'Aštart besagt, in der Gestalt des Venussternes vor, aber auch diese Auffassung ist keine primitive, unmittelbar in der Natur gegebene. Nun lässt sich historisch nachweisen, dass die semitische Muttergöttin in ihrer ursprünglichen primitiven Form eine Sonnengöttin war, und dies ist auf einer ganz primitiven Kulturstufe überall in der Welt die gewöhnliche Auffassung. Die Sonne ist die älteste Muttergöttin. In den ganz primitiven Formen der indogermanischen Naturmythologie, wie sie z. B. in alten lettischen, litauischen und russischen Volksliedern zum Vorschein kommen, finden wir das gleiche mythische Weltbild wie in der primitiven altsemitischen Mythologie1).

Der Mond, der auch einfach »Gott« genannt wird, ist hier der Vater, die Sonne ist die Mutter, die Sterne sind als die Brüder der Menschen die Söhne Gottes<, und der Venusstern, der mit den beiden anderen Gestirnen eine mythologische Dreiheit bildet, der > Sohn Gottes << κατ' ἐξοχὴν. In einem kleinrussischen Weihnachtslied

heisst es z. B.:

> Die helle Sonne, das ist die Hausfrau

Der helle Mond, das ist der Herr,

Die hellen Sternchen, das sind ihre Kinder.<

In einem Lied aus Grossrussland sagt eine Jungfrau :

»Ich habe zur Mutter die helle Sonne

zum Vater den hellen Mond,

Brüder sind mir die unzähligen Sterne.<<

1) Diese primitive Naturmythologie wird erst im 2. Bd. dieses Werkes ausführlich dargestellt. Sie ist aber bereits skitziert S. 231— 232, S. 253-254 und S. 259–264 des 1. Bandes. Über den primitiven Charakter der heidnischen litauisch-lettischen Religion vergleiche man die Ausführung S. 13.

Bei den Letten, wo die Sonne Saules mâte, >>Sonnenmutter<< genannt wird, lautet ein altes Lied:

»Ich blicke auf die Sonne

Wie auf mein Mütterchen

Wohl ist sie warm, wohl freundlich
Sprache allein fehlt. <1)

Dieser Vers könnte als Motto für eine Abhandlung über den altarabischen Sonnenkult verwendet werden. Samasšummi-ja »Die Sonne ist meine Mutter« lautet ein in Keilschrift überlieferter Personenname, der aus diesem Kulturkreise stammt. Die Sonnengöttin und der Venusgott waren aber für die alten Araber wie für die alten Litauer und Letten ausschlieslich Naturgottheiten. Die mythische Personifikation ist auf dieser Kulturstufe nicht weit vorgeschritten. Sie sind keine menschenähnliche Wesen. Die himmlische Muttergöttin ist noch in der solaren Form völlig gebunden. Sie ist allerdings ein beseeltes persönliches Wesen, eine den Menschen wohlwollende und freundliche Mutter; aber ihre Gestalt ist nicht, wie auf nordsemitischem Kulturboden, von menschlicher Art. Sie ist in der Sonnenscheibe verkörpert und offenbart sich dort als eine leuchtende, wärmende Scheibe. Sie ist wohl eine wärmende freundliche Mutter, aber doch nicht als eine menschliche Mutter gedacht, reden kann sie z. B. nicht und wird auch nie als menschliches Wesen abgebildet (S. 126-131).

Mit dem altarabischen Gottesbegriff waren allerdings viele Anthropomorphismen verbunden, aber wenn die Gottesauffassung über diejenigen äusseren Formen hinausgeht, die man in der Natur beobachten kann, so neigt

1) W. Mannhardt: Die lettischen Sonnenmythen. Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 7, 1875, S. 73-104, S. 280-330 (S. 76 Nr. 1, 92, 303, 305), vgl. Ernst Siecke: Götterattribute und sogenannte Symbole, Jena 1909. A. Mythologische Anschauungen der Litauer (Letten) S. 21—49.

sie eher zur Darstellung der Gottheit in Tier- als in Menschengestalt. Der Mondgott wird Taur >>Stier<<< genannt und in den südarabischen Kulturstaaten als Stier abgebildet, in ähnlicher Weise ist das Pferd wie überall bei den alten Semiten das heilige Tier der Sonne und wird in Südarabien der Sonnengöttin geweiht (Abb. 39). Direkter Tierkultus ist aber bei den Südsemiten nirgends belegt. Die Götter sind nicht zu Tieren geworden. Das hier abgebildede Pferd ist kein Beweis für Tierkultus,

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Abb. 39. Sabäisches Bronzepferd, der Göttin Dât-Ba'dan geweiht. Länge ca. 10 cm. Im Tschinili Kiöschk, Konstantinopel ').

sondern zeigt nur, was man schon aus anderen Belegen weiss, dass die grosse altarabische Muttergöttin eine Sonnengöttin war. Dasselbe zeigt die oben S. 131 Abb. 7 abgebildete Darstellung der Muttergöttin, ein Bild, das die umtreibenden, halbnomadischen Safa-Araber, in der

1) J. H. Mordtmann: Neue himjarische Inschriften, ZDMG, Bd. 39, 1885, S. 235 Taf. II 3. Adolf Grohmann: Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern (Denkschriften der WienerAkademie phil.-hist. Klasse, 58. Bd., 1. Abh.), Wien 1914, S. 70-71, Abb. 183 und 184.

steinigen Harra-Gegend unweit Damaskus sehr häufig auf rauhe Steine oder Felsen eingekratzt haben. Die Sonne oben links bestätigt, dass mit diesem Bild die arabische Sonnengöttin gemeint ist, die unter dem Namen Ilat in den Safa-Inschriften besonders stark verehrt wurde, weshalb auch ähnliche primitive Sonnenabbildungen in diesen Inschriften sehr häufig sind1). Das Bild selbst ist aber nicht auf arabischem Kulturboden entstanden, sondern wie andere nordarabische Götterbilder aus dem nördlichen Kulturkreise in diesem Falle aus der hauranitischen, nabatäischen Kultur - entlehnt (Siehe oben S. 130). Diese nackte Darstellung der Göttin ist ein charakteristischer nordsemitischer Istar-'Astart Typus).

Endlich wirft die Entwicklung der Muttergöttin von Sonnengöttin zu Venusgöttin und Erdegöttin, die jetzt urkundlich gesichert ist, ein helles Licht über die dunkle und komplizierte Entwicklungsgeschichte der semitischen Gottheiten überhaupt. Die Grundlage der semitischen Götterlehre ist die denkbar primitivste. Diese primitive Grundlage macht aber im Laufe der Jahrtausende, durch die wechselnden Kulturstufen beeinflusst, viele Metamorphosen durch, und der unglaublich zähe religiöse Konservatismus, der ständig das alte mit dem neuen verbindet, macht die ursprünglich einfache Götterlehre zu einem ziem

1) Vgl. D. H. Müller: Die Harra-Inschriften, ZDMG, Bd. 30, 1876, S. 514 ff. Taf. I. Vogué: Syrie centrale, Inscriptions Sémitiques, Paris 1868-1877, Inscriptions Sabéennes, S. 141 Pl. 17 Nr. 5 und 7, Pl. 31 Nr. 240 und 252, Pl. 32 Nr. 260, Pl. 34 Nr. 327, Pl. 37 Nr. 397. René Dussaud: Mission dans les régions désertiques de la Syrie moyenne, Paris 1903, Pl. 16 Nr. 307. Derselbe: Les Arabes en Syrie avant l'Islam, Paris 1907, Chap. V-VI, Le panthéon safaïtique, S. 116–147 Fig. 30, S. 145, Déesse safaïtique.

2) D. Nielsen: Über die nordarabischen Götter, Mitteil. der Vorderas. Gesellschaft, 21. Jahrg., 1916, S. 258-262. G. Contenau: La déesse nue babylonienne, Paris 1914.

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