Die Seherin. 13. Nicht Wegtam bist du, Odin bist du, wie ich wähnte vorhin, Kein weises Weib, der Thursen dreie 14. Des Ruhmes froh noch Wahrsagerin bist du, Die Scherin. reite du heimwärts! Nicht eher besucht mich ein anderer Mann, als Loki sich löst, ledig der Fesseln2, und zum Sturz der Götter die Zerstörer kommen! 3. Das Lied von Thrym. (Prymskvipa.) 1. Wild war Wingthor3, als er erwachte und Mjolnir vermißte, den mächtigen Hammer; es schüttelte den Bart, es schwenkte das Haar der Erde Sohn, um sich greifend. das er aussprach, war dies: 2. Das erste Wort, 3. Sie gingen zum herrlichen der As' ist des Hammers beraubt!" Hofe der Freyjao; das erste Wort, das er aussprach, war dies: 1 Thursen, der nordische Name der Riesen, ehemals auch im Deutschen gebräuchlich (althochd. turs, mittelhochd. turse, türse). 2 Vgl zu Vol. 352. 3 Wingthor, d. h.,,Schwing-“ oder „Schleuder-Thor", wie Wingnir, ein andrer Beiname des Donnergottes, den ,,Schwinger" oder „Schleuderer" be= zeichnet. 4 Mjolnir „der Zermalmer", Thors Hammer, von den Zwergen Brokk und Sindri geschmiedet. Er verfehlt nie sein Ziel und kehrt nach dem Wurfe stets von selbst in Thors Hand zurück. Nach Thors Tode erben den Hammer seine Söhne Modi und Magni, die den Weltbrand überleben. Vgl. Vafþr. Str. 51, Skáldsk. C. 3. Loki, f. zu Vol. Str. 352. 6 Freyja (d. h.,,die Herrin“), eine Wanengöttin, die Tochter des Njord und Schwester des Freyr. Sie ist ursprünglich wohl die Spenderin des befruch 6. Wie steht's bei den Asen, Wie steht's bei den Elben? was reistest du einsam nach Riesenheim? tenden Sommerregens, daher sie in einem Federgewand (der Wolke) über die Erde schwebt, daher fie auch die Göttin, die durch Thränen verschönt wird, heißt, deren Thränen sich in Gold (die goldenen Getreidekörner) verwandeln. Ihr Gemahl ist der Windgott Od (ursprünglich identisch mit Odin?), der sie aber verläßt, worauf sie durch alle Länder zieht, um ihn zu suchen. Später schrieb man der Freyja die Verleihung jeglicher Fruchtbarkeit und alles Eegens zu und machte fie daher insbesondere auch zur Göttin der Liebe. Die Mythen von Freyja sind übrigens vielfach mit denen von Frigg vemischt; so ist das Halsband Brisingamen, das allgemein und auch in unserm Liede der Freyja zugeschrieben wird, wohl ursprünglich ein Attribut der Frigg gewesen (f. zu Str. 12). Vgl. die Bemerkungen zu Lokasenna Str. 32, Grímn. Etr. 14 und Hyndl. Str. 1, sowie Gylfag. C. 24, 35, 42, 49 und Bragar. C. 2. 1 Thrym (d. h.,,der Lärmer"), ein Eisriese, die Personifikation des Winters. Daß im Winter die Thätigkeit des Donnergottes ruht, erklärt der Mythus dadurch, daß der Winterriese den Blighammer gestohlen hat. Thor erlangt ihn jedoch im Frühjahr wieder mit Hilfe Lokis (der hier als die warme Luft zu fassen ist) und Freyjas (des von der Wolke herbeigeführten Regens), die die Macht des Winters brechen. 2 Hlorridi (d. h. „der brüllende Wetterer"?) = Thor. 3 Die acht Meilen deuten wahrscheinlich die acht (nordischen) Wintermonate an. 8. Da flog Loki, hinter sich ließ und eilte heim das Federkleid rauschte, er die Heimat der Riesen zu der Asen Gehöften. er aussprach, war dies: Es trat im Hof schon Thor ihm entgegen, der die Mühe verlohnte? und der Liegende kommt gern mit Lügen zu Tage." Loki. 10.,,Ich melde Erfolg, der die Mühe verlohnte: Thrym hat den Hammer, der Thursen Beherrscher; feiner wird ihn wieder bekommen, führt man ihm Freyja zur Frau nicht hin." 11. Sie gingen zum herrlichen Hofe der Freyja, das erste Wort, das er „Schmücke dich, Freyja, wir zwei müssen reisen 12. In schrecklichem Zorn die Burg der Asen zerbrochen fiel nieder ,,Die männertollste reiste ich mit dir 13. Die Afen alle aussprach, war dies: mit dem Schleier der Braut, ins Riefenland." schnaubte Freyja, eilten zum Thingplay, die Afinnen auch kamen alle zum Rat; das berieten die ruhmvollen Götter, wie man Hlorridis Hammer 14. Das Wort nahm Heimdall, er wußte die Zuïunft, holen könnte. der weißeste Ase den Wanen gleich: 2 ,,Schmücken wir Thor mit dem Schleier der Braut, Brisingenhalsband. er trage das breite 1 Das Brisingen halsband, ein herrlicher Schmuck, den kunstreiche Zwerge (die Brisinge, d. h.,,die Flechter“) verfertigt hatten Wahrscheinlich war nach dem ursprünglichen Mythus nicht Freyja, sondern die Himmels- und Sonnengöttin Frigg Besizerin des Geschmeides, das Müllenhoff auf die Morgen- und Abendröte gedeutet hat. 2 Die Bezeichnung „der weißeste Ase" deutet darauf, daß Heimdall eine Lichtgottheit war, und zwar wahrscheinlich der Gott des ersten Frühlichts. Daher " 15. Reicht ihm den Ring laßt Weiberröcke mit den rafselnden Schlüffeln, ihm wallen ums Knie, die Brust ziert ihm mit breiten Steinen und frönt den Kopf ihm mit kunstvollem Put." 16. Thor gab Antwort, der Asen stärkster: ,,Weibisch werden mich nennen die waltenden Götter, laß' ich mich schmücken mit dem Schleier der Braut." 17. Da sagte Loki', der Sohn der Laufey: thronen in Asgard2, Holst du dir nicht deinen Hammer wieder." 18. Da schmückten sie Thor und mit dem breiten 19. Sie reichten den Ring ihm ließen Weiberröcke zierten die Brust ihm ihm mit dem Schleier der Braut Brisingenhalsband. mit den raffelnden Schlüffeln, wallen ums Knie, mit breiten Steinen und krönten den Kopf ihm mit kunstvollem Puz. 20. Da sagte Loki, " der Sohn der Laufey: ,,Als Magd verkleidet 21. Heim trieb man hurtig und schirrt' an die Deichsel die gehörnten Böcke3 ist er von allen Wesen zuerst wach (es heißt von ihm, daß er weniger Schlaf bedurfte als ein Vogel) und eignet sich dadurch besonders zum Wächter des Himmels (j. zu Vol., Str. 271). Aus seiner Eigenschaft als Gott der Morgendämmerung erklärt sich auch der bei dem isländischen Dichter Ulf Uggason erhaltene Mythus, daß Heimdall das von Loki am Abend gestohlene Halsband der Freyja (Frigg) am Morgen wiederbringt. Heimdall ist ein Sohn Odins und von neun Schwestern geboren: gemeint find die Wellen, aus denen sich der erste Tagesschimmer erhebt. Im lezten Kampfe, dem das Weltende folgt, töten Heimdall und Loki sich gegenseitig. Vgl. Vol. 12, Lokas. 48, Grímn. 13 und Rigsþula, sowie Gylfag. C. 27, 49, 51. 1 Loki, f. zu Vol. 352. Der Name seiner Mutter Laufey bedeutet „Laubinsel"; anderwärts wird sie auch Nal, d. h. „Nadel“, genannt (gemeint sind die nadelförmigen Blätter der Koniferen). Lokis Vater heißt Farbauti, „der ge= fährlich Schlagende“, d. h. der Sturmwind, da dieser das Feuer in dem Holze entfacht. Vgl. über Loki ferner die Bemerkungen zu Hym. 37, Hyndl 42, der Lokasenna und den Reginsmól sowie Gylfag. C. 33-34, 42, 44, 45, 46, 49-51. Bragar. C. 2, Skáldsk. C. 2-4. 2 Asgard, die himmlische Burg der Asen. 3 Thor reitet nie wie viele der andern Götter, sondern er geht entweder zu Fuß oder fährt auf einem Wagen, den die beiden Böcke Tanngnjost und Tanngrisnir (Zahnknisterer" und Zahnknirscher") ziehen. die Berge barsten, Thor, Odins Sohn, 22. Da sagte Thrym, es brannte die Erde, goldgehörnte Kühe, ,,Steht auf, ihr Riesen, nun führt man Freyja des Njord1 Tochter 23.,,Es gehn zum Hofe tiefschwarze Ochsen, viel Kleinode hab' ich nur Freyja allein 24. Der Abend war zeitig und Bier zum Trunke einen Ochsen aß Thor alles Würzwerk auch, dazu trank Sifs Gatte 25. Da sagte Thrym, ,,Wo fandest du je Nie sah ich Bräute noch mehr des Metes angebrochen den Thursen gebracht; und acht Lachse, das den Weibern bestimmt war, der Tonnen dreie des Mets. der Thursen Beherrscher: so gefräßige Bräute? solche Bissen schlingen, ein Mädchen trinken." 26. Bei Freyja saß die findige Magd, auf das Wort des Riesen: seit acht Nächten, nach der Heimat der Riefen.“ 27. Den Schleier hob er, 1 Njord, der Gott des sommerlichen, den Verkehr begünstigenden Meeres, wohnt passend zu Noatun, d. h.,,Schiffsstätte, Hafen“. Vgl. über Njord Lokas. Str. 34-36, Vafpr. 38, 39, Grímn. 16, sowie Gylfag. C. 23, 24, Bragar. C. 2. 2 Sif, die Gemahlin Thors. Sie ist die Personifikation des Ackers, den der Donnergott durch den Gewitterregen befruchtet. Das goldene Ährenfeld ist ihr Haar Ein in den Skáldskaparmál (C. 3) enthaltener Mythus erzählt, daß Loki, der nach Lokas. 54 (vgl. auch Hárb. 48) mit Sif Buhlschaft trieb, sie dieses goldenen Schmuckes beraubte, aber von Thor gezwungen ward, ihr von den Zwergen neues Haar anfertigen zu lassen, das wie natürliches zu wachsen vermochte. Die Deutung ist, daß die Sommerhige das Getreide für den Tod durch die Sichel reif macht, daß aber, nachdem es gefallen ist, die Erdkräfte unter dem Einfluß der Wärme die neue Saat emportreiben. Vgl. über Sif Gylfag. C 31, Skáldsk. C. 1. |