44. Wer ist das Wichtlein, das ich wedeln sehe, im Schnappen und Schlucken geschickt? immer in Freyrs Ohren liegst du, wenn du nicht an der Mühle murrst2. 45. Byggwir heiß' ich, als hurtig gepriesen hochgemut bin ich, weil Hropts1 Kinder 46. Schweige du, Byggwir, du schafftest nimmer Heimdall. 47. Zum Thoren machte der Trunk dich, Loki, warum folgst du nicht redlichem Rat? Übermaß wirkt bei allen Männern, daß die Zunge dem Zaum nicht folgt. Loki. 48. Schweige du Heimdall, verhängt ward dir wenn du als Hüter des Himmels wachst. Ingunar-Freyr. Ingunar ist Genetiv eines Fem. Ingun. Ist dies vielleicht der sonst nicht überlieferte Name von Freyrs Mutter, der ersten Gemahlin des Njord? Anderwärts wird der Gott Yngwi- Freyr genannt, und es wäre auch denkbar, daß hier nur eine Entstellung dieses Namens vorliegt. Den Beinamen Ingw (,,der Gekommene" oder „der Verehrte"?) führte Freyr (Fro) auch bei den Südgermanen; er war der Heros eponymos des deutschen Völkerbundes der Ingwäonen, aus dem die spätern Sachsen, Angelsachsen und Friesen hervorgingen. 2 Das Mahlen des Kornes ist Sklavenarbeit; vgl. Helgakv. Hund. II, 2. 3 Byggwir, s. die Anm. zur einleitenden Prosa Z. 9. 4 Hropt Odin. Heimdall, f. zu Vol. 27. 49. Lustig bist du, Loki, Stabil. doch nicht lange mehr wirst du lose schwingen den Schweif; denn an den Felsen fesseln dich die Asen Loki. 50. Wisse, wenn an den Felsen mich fesseln die Asen. mit den Eingeweiden des eiskalten Sohns, der erste und letzte beim Angriff war ich, als Thiazi den Tod erlitt. 52. Lieblicher sprachst du Loki. zu Laufeys Sohn 3, als du mich auf dein Lager ludst; da all' unsre Fehler zur Aufzählung kommen, werde auch dessen gedacht. Da trat Sift vor und bot dem Loki Met in kristallenem Kelch und 1 Skadi, die Tochter des Riesen Thiazi, der von den Asen getötet ward. Um fie zu besänftigen, gaben ihr die Götter den Njord zum Gemahl, und es ward bei der Vermählung ausgemacht, daß Skadi drei Monate bei Njord zu Noatun weilen solle, er dagegen den übrigen Teil des Jahres in der rauhen Heimat seiner Gattin, auf dem Gebirge, sich aufhalten müsse (Gylfag. C. 23; Bragar. C. 2). Der Mythus deutet an, daß das Meer drei Monate lang für die Schiffahrt offen ist, in den andern neun in der Gewalt der winterlichen Stürme sich befindet. 2 Vgl. die Prosa am Schlufse des Liedes und Gylfag. C. 50. 3 Laufeys Sohn, d. i Loki, s. zu Þrymskv. 17. Von einem ehebrecherischen Verhältnis Lokis zu Skadi ist sonst nichts bekannt. 4 Sif, die Gemahlin Thors, die Personifikation der fruchtbringenden Erde. Ihr goldenes Haar (f. zu Þrymskv. 24.) ist das wogende Ährenfeld. Dem Thor gebiert fie die Thrud, in der eine Haupteigenschaft des Vaters, die Kraft, sich verkörpert darstellt. Aus einer andern Ehe der Sif stammt der Bogenschüße und Schneeschuhläufer Ull: der Vater desselben ist nirgends genannt, war aber zweifellos ein winterliches Wesen, dem der Donnergott sein Weib in jedem Jahre aufs neue abringen muß. Vgl. Gylfag. C. 31, Skáldsk. C. 3. 54. Ich schonte dich eine, wenn du scheu und streng die Männer gemieden stets; doch einen weiß ich, der Ehebruch mit Thors Weibe auch trieb: das hat Loki der Arge verübt. Beyla. 55. Es dröhnen die Berge, der Donnerer, mein' ich, fährt von Hause hierher; den Schändlichen bald, der die Asen und Jrdischen höhnt. zum Schweigen bringt er Loki. 56. Schweige du, Beyla2, nie kam zu den Asen ein ärgeres Scheufal, du bist Byggwirs Weib und schlimm mit Frevel befleckt; mistbesudelte Magd! Da trat Thor ein und sprach: 57. Schweig', elender Wicht, sonst schließt dir Mjolnir3, der mächtige Hammer, den Mund; ich schlag' dir vom Halse den Schulterfelsen und lösche das Leben dir aus. Loki. 58. Der Erde Sohn ist eingetreten; wie trogig schnaubst du, Thor? einst wirst du nicht wagen den Wolfs zu bekämpfen, der den Schlachtenvater verschlingt. Thor. 59. Schweig', elender Wicht, sonst schließt dir Mjolnir, der mächtige Hammer, den Mund; aufwärts werd' ich gen Osten dich schleudern, wo feine Seele dich sieht. 1 Auf die Buhlerei Lokis mit Sif scheinen auch die Hárbarþsljóþ anzuspielen, f. das. zu Str. 48. 2 Beyla und Byggwir, s die Anm. zu der prof. Einleitung 3. 9. 3 Mjolnir, f. zu Þrymskv. 1. 4 Schulterfelsen, poetische Umschreibung für Kopf. 5 Den Wolf, d. h. Fenrir, der beim Weltuntergang den Odin verschlin= gen wird. 6 Gen Osten, also in die Heimat der Riesen, denen Loki entsprossen ist. Loki. 60. Den Männern solltest du melden niemals, daß du einmal im Osten warst; 'dort hockte der Held im Handschuhdaumen 61. Schweig', elender Wicht, sonst schließt dir Mjolnir, Loki. 62. Lange Jahre zu leben hoff' ich, ob du auch dräuend den Hammer hebst; rauh fandst du die Riemen am Ranzen Skrymirs, daß du nicht kamst zur Kost und vor Heißhunger vergingst. Thor. 63. Schweig', elender Wicht, sonst schließt dir Mjolnir, der mächtige Hammer, den Mund; zur Hölle sendet dich Hrungnirs Töter, tief hinab zur Totenwelt. 64. Ich sang vor den Asen Loki. und Asensöhnen, wie mich lockte die Lust; dir allein gedenk' ich zu weichen, nnd ich weiß, daß du kämpfen kannst. 65. Bier, Ägir, brautest du heuer, doch nie wieder machst du ein Mahl: all dein Eigen, das hier innen ist, Feuer röste den Rücken dir! 1 Es wird in diesen Zeilen und in Str. 62345 auf den in der Gylfag. C. 45 erzählten Mythus angespielt. Vgl. auch zu Hárb. 26. 2 Hrungnirs Töter, der Hammer Mjolnir. Den Kampf Thors mit dem Riesen Hrungnir, in dem dieser den Tod fand, erzählt Skáldsk. C. 1. 3 Des Feuers Glut, nämlich das Zeuer des Weltbrandes. 子 'Hierauf versteckte sich Loki, der die Gestalt eines Lachses ange= nommen hatte, im Wasserfalle Franangr2; dort fingen ihn die Asen. Er ward mit den Därmen seines Sohnes Walis gefesselt; Narfi3 aber, sein andrer Sohn, wurde in einen Wolf verwandelt. Skadi nahm eine giftige Schlange und befestigte sie über Lokis Antlik, so daß das Gift auf dieses hinabtropfte. Doch Sigyn*, Lokis Frau, saß neben ihm und hielt eine Schale, um das Gift aufzufangen. Sobald die Schale voll war, trug sie das Gift hinaus; inzwischen aber troff das Gift auf Loki. Dann zerrte er so heftig an seinen Fesseln, daß die ganze Erde davon erzitterte: das nennt man jezt Erdbeben. 6. Das Lied von Harbard. (Hárbarþsljób.) Thor war auf dem Heimwege von einer Oftfahrt und kam zu einem Sunde; auf der andern Seite des Sundes war der Ferge mit dem Boote. Thor rief: 1. Was ist das für ein Bursche, Der Ferge antwortete: der im Boote jenseits des Sundes steht? 2. Was ist das für ein Bauer der über die Bucht her 2 1 Vgl. hierzu Gylfag. C. 50. über kreischt? Franangr, das glänzende Waffer". Zu der Meinung, daß das Feuer im Wasser sich bergen könne, waren die Nordleute wahrscheinlich durch die Beobachtung des Meerleuchtens gekommen. 3 Wali und Narfi find wohl nicht physisch zu deuten; das, was von ihnen erzählt wird, gibt nur dem Gedanken Ausdruck, daß das Böse sich schließlich selbst vernichtet. (Nach Gylfag. zerreißt Wali, in einen Wolf verwandelt, seinen Bruder Narfi.) 4 Sigyn (in den eddischen Liedern nur hier und Vol. 35 genannt), nach Gylfag. 33 die Mutter des Narfi, wird in den in Snorra Edda erhaltenen Versus memoriales zu den Asinnen gerechnet. Ähnliche Mythen wie den von Loki und Sigyn hat auch die Phantasie andrer Völker zur Erklärung der Erdbeben ge= schaffen. 5 Die Personen des Gesprächs find Thor und Odin, der sich hier unter dem Namen Harbard (d. h. „Graubart") verbirgt. Das Gedicht bringt den Gegensat zwischen den beiden Göttern zum Ausdruck, von denen Thor als Schüßer und Förderer des friedliebenden Bauernstandes erscheint, während Odin als Patron und Repräsentant des abenteuerlustigen und kriegerischen Adels auftritt. |