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Geist tiefsten sittlichen Erkennens auch hier die Grundlage und bewahrende Schranke geblieben ist, um jene verhängnissvollen Selbstüberhebungen abzuhalten, die aus analogen Prämissen eine spätere Zeit ausgeboren hat. Bei genauerem Erwägen ist es vielmehr das Unbestimmte, Unausgeführte des Grundgedankens, welches die mangelnde Befriedigung hier veranlasst, was daher auch die in ihm liegende Möglichkeit des Irrthums noch nicht von sich ausschliesst. Denn es ist zur richtigen Beurtheilung philosophischer Standpuncte und Principien nicht genug einzuschärfen, dass erst, wenn diese sich vollendet, durchaus fixirt und erschöpft haben, Wahrheit oder Irrthum an ihnen zur Krisis gelangen kann.

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Im vorliegenden Falle hat nun Fichte selbst sein damaliges Princip noch um einen bedeutenden Schritt weitergeführt, in seinen religions - philosophischen Abhandlungen aus der ersten Epoche, von welchen im folgenden Theile zu reden seyn wird. Dennoch ist auch diese Weiterführung mit in Rechnung gebracht - zu bekennen, dass jenes Princip noch weit von seinem entschiedenen Abschlusse und seiner vollständigen Ausbildung geblieben sey. In wie unbestimmten Umrissen gehalten ist auch hier noch das Verhältniss des reinen zu dem individuellen Ich! Ist die Freiheit, die, als das Individualisirende seines Willens, dem letzteren beigelegt wird, in Wahrheit die seinige, oder lediglich die Selbstvollziehung des reinen Ich in ihm? Ebenso: factische Wirklichkeit kann das reine Ich nur erhalten in den individuellen; es ist deren Einheit. Diese Einheit ist zugleich jedoch erst von den individuellen Ichen in einer unendlichen Zeitreihe zu realisiren; also ist sie nie völlig verwirklicht. Aber wie vermag sie dann der substantielle Grund und der Träger jener individuellen Iche zu seyn? Oder wir werden

im anderen Falle auf den Begriff einer Transscendenz des reinen Ich geführt, für welchen zwar die in den religionsphilosophischen Abhandlungen uns begegnende Idee einer „lebendigen moralischen Weltordnung" einen parallelen Gedanken und eine Bestätigung darbieten würde. Ja, beide Begriffe scheinen auf eine durchaus merkwürdige Art sich gegenseitig zu fordern und zu ergänzen, jeder nur durch den anderen vollkommen verständlich zu werden. Dennoch ist die Durchführung dieses Gedankens, die Ausbildung des Systemes von hier aus, auch später von Fichte unterlassen worden; sie hätte auf das System selbst, vielleicht sogar auf die Schicksale der ganzen nachfolgenden Philosophie nur eine völlig umgestaltende Wirkung üben können.

So greift dies Alles in das tiefere und umfassendere Problem zurück: ob das Substante des endlichen Geistes lediglich ein Allgemeines, die Freiheit also in Wahrheit nicht die des Individuums, sondern des Absoluten sey, oder ob auch dem endlichen Geiste ein Mittelpunct der Substantialität und wahrhafter Aussichbestimmung zugestanden werden müsse? Ueberhaupt muss diese Frage irgend einmal, auf ihre tiefsten metaphysichen Prämissen zurückgeführt und alle ihre Consequenzen umfassend, vollständig erledigt werden; sie ist das Grundproblem der gegenwärtigen Metaphysik und Psychologie, an dessen richtige Lösung sich zugleich alle Hoffnungen einer neuen Zukunft der Philosophie knüpfen. Auf dem Standpuncte des ersten Systemes trat für Fichte die Frage noch gar nicht in ihrer scharfgeschiedenen Alternative hervor; ja sie war ihm eigentlich ohne Sinn, da sein Princip, das reine Ich, gewiss nicht das bloss thatsächliche, dennoch aber auf den Grund und die Anregung des

thatsächlichen gebildet wurde, hier also beide Glieder der

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Frage noch nicht so bestimmt sich ausschliessen konnten. In der späteren Sittenlehre (1812), von welcher wir sogleich noch mehr zu reden haben, fasst Fichte jene Alternative ins Auge, und seinem späteren Principe gemäss, dass nur Gott sey und seine dem Wesen nach Eine Erscheinung, giebt er die Antwort allerdings dahin (Nachgel. Werke Bd. III. S. 72 ff., S. 53 unten, S. 58): das empirische Ich sey nichtig, durch und durch nur formale Erscheinung, wie seine Freiheit; nur das sittliche Ich, der sittliche Wille ist der reale, hat einzig Gehalt und Bedeutung. Aber die Wiedergeburt zur Sittlichkeit und ihrer Freiheit wird nicht vom endlichen Ich selber vollbracht; sie ist Gottes That in seinem absoluten Erscheinen, und nur darum ist sie über die Endlichkeit und Wandelbarkeit hinweggerückt, in ewiger innerer Dauer gegründet, indem ein Göttliches umgestaltend sich der Kräfte des Endlichen bemächtigt. Gewiss ist dies die tiefste, speculativ allein gründliche, wie zugleich ächt sittliche Ansicht der Sache.

Dennoch wird damit eine Zwischenfrage nicht erledigt. Das Ich hat nicht bloss Naturfreiheit, sinnlichen Trieb und die aus ihm hervorbrechende Selbstbestimmung; diese als blosse Fortsetzung einer Gemeinkraft der Natur bis in das Ich hinein anzusehen, hat gewiss seine tiefe Berechtigung. Aber jedes Ich ist zugleich anders individualisirt durch eine Mannigfaltigkeit geistiger und gemüthlicher Triebe, die sich in ihrer Unmittelbarkeit nicht minder neutral zur Sittlichkeit verhalten, wie sie zugleich über den sinnlichen Trieb specifisch hinausliegen; in deren Einheit doch der wahre Mittelpunct des Ich liegt, seine Persönlichkeit. Ist auch hierin nichts wahrhaft Selbstständiges und Eigengeartetes, Alles nur die Regung allgemeiner Kräfte oder Gesetze?

Es ist denkwürdig zu sehen, dass Fichte, wie sehr er

auch, gleich den später herrschend gewordenen Ansichten wiewohl diese mehr durch Ignoriren und Umgehen jener scharfbestimmten Frage und durch die allgemeine Consequenz ihrer Principien, als durch ausdrückliches Verneinen sich zu dieser Ansicht bekennen nach der Folgerichtigkeit seines Standpunctes zur letzteren Antwort hingedrängt wurde, dennoch stets sich enthalten hat, mit bewusster Ausschliesslichkeit sich für diese Seite zu entscheiden, und die entgegengesetzte zu verwerfen. Wir verweisen hierüber weit weniger an jene Vorträge über die Sittenlehre; bei Vorlesungen ist man genöthigt, in Betreff von Puncten, über die man noch in Untersuchung sich befindet, kurz abzuschliessen, und so ist es hier geschehen. Wesentlicher lassen uns die Mittheilungen aus seinem „Tagebuche über den animalischen Magnetismus vom Jahre 1813" (Nachgel. Werke Bd. III. S. 301-305, 323 ff. 339 ff) einen Einblick thun in die lange noch nicht für ihn beendeten Erwägungen über diesen entscheidenden Punct seiner Weltansicht, aber auch in die gewissenhafte Strenge gegen sich selbst, mit welcher er das bereits Abgeschlossene von Neuem untersucht, und in der sich dem fast am Ende seiner Laufbahn Stehenden überall neue, umgestaltende Aussichten eröffnen.

Wir können das einzeln dort Angedeutete so zusammenfassen: Die Ichheit ist bloss formales Princip, durchaus in keiner Bedeutung qualitativ; absolute Form der Reflexibilität eines in sie eintretenden Realen. Aber nur das Grundseyende ist das wahrhaft Reale, absolut Objective. Nur da ist Freiheit, wo dieser Grund, schlechthin als solcher, ins Bewusstseyn tritt, im Bereiche des Ich, der Individualität, sich verwirklicht. Tritt er nicht als solcher, nur in jenem

Resultate, ins Bewusstseyn, dann fehlt die Freiheit, selbst wenn sie in einem Wollen und Vollbringen vorgestellt ist. Letzteres findet statt in der Sphäre der Natur und ihrer allgemeinen Gesetze; in ihr ist nichts wahrhaft Individualisirendes, sie reicht nicht bis zu jenem Gebiete des eigentlichen Grundseyns hinauf. Indem nun Fichte der dortigen Untersuchung gemäss, welche das Wesen der magnetischen Erscheinungen ergründen will, alles Hingegebenseyn des Ich an ein jenseits seiner bleibendes allgemeines Gesetz und dessen Kraft nach einer tiefsinnigen Analogie überhaupt Somnambulismus nennt: fasst er dies Alles in dem Satze zusammen:,,Der sinnliche Mensch ist nach mir im Somnambulismus. Das wahre Wachen ist das Leben in Gott, das Freiseyn in ihm, alles Andere ist Schlaf und Traum." — Nun aber muss er dem eigentlichen Somnambulismus eine grössere Sphäre und einen intensiveren Inhalt des Bewusstwerdens zugestehen, als die sind, welche ins gemeine Wachen fallen. Um dies zu erklären, fügt er die durchaus bedeutenden Worte hinzu: „,Ohne Zweifel ist die Kraft der Somnambulisten ausser der Regel; gleichsam in einer Vorwelt, einer diese Welt schaffenden Welt, eben in der Welt der Gründe und Gestaltungen. Wie dies möglich sey, ist freilich eine grössere Frage" (A. a. O. S. 323-24).

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Hiermit muss er nun, durch eine merkwürdige Thatsache genöthigt, ein Gebiet von Gründen und Gestaltungen zugestehen, eine ideale Welt, die eben darum doch Grund alles Realen ist, in deren Wirkungssphäre die Wurzel des Ich hineinreicht und aus der ihm eine Quelle von Begabung und Eingebungen zufliesst, welche dennoch mit seiner Sittlichkeit und dem sittlichen Willen unmittelbar nichts zu thun haben, während zugleich darin ein Princip für das Ich gefunden ist,

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