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plöglich eine Religionspflicht ihm die Leier wieder in die Hand gab. Frau von Maintenon, die auf Alles, was zu einer angemessenen Erziehung der jungen Damen in dem Kloster St. Cyr gehörte, sehr aufmerksam war, beklagte fich einst über die Gefahr, von unschuldigen Lippen auch die schönsten Verse deklamiren oder singen zu lassen, weil sie alle von profanen Gegenständen handelten. Sie fragte Racine, ob es denn nicht möglich sei, Poesie, Musik und Frömmigkeit mit einander zu verbinden? Racine fand ihren Gedanken sehr erbaulich, aber auch sehr beunruhigend für sich selbst. Gern hätte er die Ehre der Ausführung einem Andern überlassen. Er, der seit zwölf Jahren keinen Reim gemacht was würden seine Feinde sagen? - und wenn ihm nun etwa gar etwas Menschliches begegnete? wenn sein Ruhm auf der geistlichen Bühne verlöschte, nachdem er auf der weltlichen so schön geglänzt hatte? - Doch konnte er auch wieder Frau von Maintenon nichts abschlagen; denn bei aller seiner Frömmigkeit war er doch ein Hofmann. Boileau, den er um Rath fragte, entschied (geradezu für die Negative. Bedenke, sagte er ihm, daß du eine große Reputation zu conserviren hast, und daß Erhalten oft schwerer ist, als Erwerben. Nach langem Hin- und Hersinnen kam endlich Racine auf den Stoff, den die Geschichte der Esther ihm darbot, und der alle Bedenklichkeiten glücklich hob. Nicht lange, so brachte er der Frau von M. nicht allein den Plan seines Stückes (denn er war gewohnt, ihn in Prosa von Scene zu Scene zu entwerfen), sondern

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auch den ersten Act ganz ausgearbeitet. Sie war entzückt darüber, und Troß ihrer großen Bescheidenheit konnte sie doch nicht umhin, in dem Charakter der Esther und in einigen andern Nebenumständen sehr schmeichelhafte Anspielungen auf sich zu finden. Auch Vasthi und Haman waren getroffene Portraits. Da nun überdies der biblische Stoff für St. Cyr vollkommen schicklich war, so wurde die erste Vorstellung mit Eifer veranstaltet; aber nur die vornehm= ften Höflinge, welche Ludwig den Vierzehnten auf die Jagd begleiteten, durften gegenwärtig sein. Beim Souper sprach der König von nichts als von Esther. Monseigneur, Monfieur, alle Prinzen wollten sie sehen; der Beifall war außer= ordentlich: Esther's Gebet riß unwiderstehlich hin; Alles schien groß, herrlich, mit Würde behandelt; sogar der große Condé weinte. Die dritte Vorstellung war den Frommen gewidmet, als nämlich dem Père de la Chaise, einigen Bischöfen, zwölf bis fünfzehn Jesuiten, zu denen sich Madame de Miramion mit ihren vornehmsten Nonnen gesellte. Heute, sagte Frau von Maintenon, soll man nur für die Heiligen spielen. Die Heiligen applaudirten so gut wie die Weltkinder, und wünschten herzlich, daß doch alle Trauerspiele der Esther gleichen möchten. In der Folge ließ der König alle seine Höflinge Theil nehmen; fie waren natürlich außer sich vor Bewunderung. Frau von Maintenon wurde von allen Seiten um Einlaßbillette ge= quält; es gab mehr als zweitausend Aspiranten, und nur zweihundert Pläße. Der König machte ordentlich

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eine Liste, wie zu seinen Reisen nach Marly. Dann ging er zuerst hinein, und stand an der Thür, mit der Liste in der einen und dem aufgehobenen spanischen Rohr in der andern Hand; so bewachte er selbst den Eingang, bis die sämmtlichen Auserwählten versammelt waren. Ein sehr komischer Umstand war es auch, daß die hübschen jungen Schauspielerinnen hinter den Coulissen ihr veni Creator herbeteten, um den heiligen Geist für ihre Rollen zu interessiren. — Als nun gar der König und die Königin von England den Wunsch äußerten: Esther zu sehen, wurde das Stück prächtiger als jemals aufgeführt; die Schauspielerinnen waren mit Brillanten bedeckt, und das Orchester bestand aus den ersten Musikern des Königs. — Frau von Montespan und Louvois erkannten sich unter den Namen Vasthi und Haman, bissen sich in die Lippen, und klatschten. Die englischen Majestäten ergehten sich sehr daran, daß man den Papst, der ihre Thronentsehung befördert hatte, als von der Hölle verblendet darstellte. Ludwig der Vierzehnte selbst, dem vielleicht der große Ruhm, welchen er der Frömmigkeit verdankte, mitunter ein wenig drűkend war, erkannte sich gern in dem Stolze eines persischen Königes, in seiner Gerechtigkeitsliebe, wie in der Zärtlichkeit für Esther. Kurz, Jedermann war zufrieden. Racine wollte sein Werk der Frau von Maintenon zueignen; sie ersuchte ihn aber, nicht einmal in der Vorrede ihres Namens zu erwähnen. Zwei und dreißig Jahre

nachher brachten die Schauspieler Esther zum ersten Mal

auf die Bühne, und - es blieb bei einer einzigen Vorstellung; vermuthlich weil nur die reinen unschuldigen Aktricen von St. Cyr mit ihren Engelstimmen einem Schauspiel jenes hohe Interesse zu geben wußten, welches, wie Voltaire sagt, eine unwahrscheinliche, nicht anziehende Bege= benheit darstellt: einen albernen König, der sechs Monate mit seiner Frau gelebt hat, ohne zu wissen, wer sie ist; der, ohne den geringsten Vorwand, eine ganze Nation zu schlachten befiehlt, und nachher seinen Günstling eben so leichtsin= nig aufhängen läßt. — Die kalte Aufnahme, die in unsern Tagen Esther abermals in Paris erfahren, scheint Voltai= rens Urtheil zu bestätigen.

Einige Beispiele von Liebe und Heldenmuth französischer Frauen während der Schreckenszeit.

(Bruchstück aus Segür's Werke über die Weiber.)

Lefort wurde als ein Verschwörer in den Kerker ge

worfen. Seine Gattin zitterte für sein Leben; sie erkaufte die Erlaubniß, ihn zu sehen. Als der Tag sich neigte, flog sie zu ihm mit doppelten Kleidern, bewog ihn, die seinigen mit den ihrigen zu vertauschen, so verkleidet zu entschlüpfen, und sie zurückzulassen. Der Anschlag gelingt; ihr Gatte ist frei. Als am folgenden Morgen der Volksrepräsentant den Betrug entdeckt, ruft er drohend aus: Unglückliche!

was hast du gethan! - Meine Pflicht, antwor= tete sie gelassen; thu jest die deinige. Unter einem Haufen von Gefangenen, welche nach Paris geschleppt, und dort bis zur Hinrichtung in die Kerker gestoßen wurden, befand sich einer, der eine junge schöne Frau besaß, die sich durchaus nicht hatte von ihm trennen wollen. Sie geht eben mit den übrigen Gefangenen in dem Hofe des Gefängnisses spaziren, als der Name ihres Gatten draußen abgerufen wird; fie ahnet, es sei der Ruf zum Tode, sie will ihm folgen. Der Kerkermeister hält sie zurück; aber stark durch ihren Schmerz, wirft sie alles vor sich nieder, und klammert sich an ihren Mann, um sein Schicksal zu theilen. Die Wachen riffen sie von ihm los. Unmenschen! rief fie aus, ich werde dennoch sterben! Augenblicklich rannte sie mit dem Kopfe gegen das eiserne Gitter, und sank sterbend zu Boden. - Der Marschall von Mouchy wird arretirt. Kaum ist er im Gefängniß angelangt, als er auch schon seine Gemahlin erscheinen sieht. Man sagt ihr, von ihr sei nicht die Rede gewesen. Mein Mann ist verhaftet, antwortete sie; folglich bin ich es auch. Der Marschall wird vor das Revolutions-Tribunal gefordert, sie begleitet ihn. Der öffentliche Ankläger sagt ihr: sie sei nicht gerufen worden. Aber doch mein Mann, erwiederte sie, und folglich auch ich. Sein Todesurtheil wird gesprochen; sie steigt mit ihm auf den Mordkarren. Der Henker weist sie auf dem Richtplaße zurück, weil nicht sie zum Tode verdammt sei, sondern ihr Mann.

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