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nach der Leitung der Vernunft ohnehin schon erreicht wird (IV 47, 50, 54). Wir übergehen die sonstigen Klugheitsregeln, welche aus diesem System des vernünftigen Egoismus ohne Mühe abzuleiteu sind; das Angeführte genügt, um den Standpunkt und die Art und Weise seiner Durchführung erkennen zu lassen.

Bis hierher geht der Theil der Spinoza'schen Lehren, welcher von Nachfolgern dieser ethischen Richtung acceptirt, reproducirt und verbreitert worden ist. Nun aber kommt als Renaissance des Aristotelischen Intellektualismus die Einführung einer neuen unhaltbaren Prämisse hinzu, mit Hülfe deren aus den vorangestellten Principien Consequenzen gezogen werden, die nicht in ihnen begründet sind. Satz 26 des IV. Theils lautet nämlich:,,Alles das, wonach wir der Vernunft gemäss streben, ist nichts anderes als das Erkennen, und der Geist hält, sofern er die Vernunft anwendet, nur das für ihn nützlich, was zum Erkennen führt". Diess ist nun aber offenbar ein Satz, der für die Mehrzahl der Menschen geradezu falsch ist, und der selbst für die contemplative Gemüthsart und theoretische Naturanlage des Spinoza, aus der er entsprungen, kaum in aller Strenge aufrecht zu halten sein dürfte. Er ist grade ebenso falsch wie Spinoza's Ansicht, dass positives und negatives Wollen nichts weiter als theoretische Bejahung oder Verneinung eines reinen Gedankeninhalts seien, und führt in Verbindung mit diesem zur Vernichtung des Wesens der praktischen Philosophie und zur Verflüchtigung derselben in einen reinen Intellektualismus.

Der Beweis des Satzes 26 beruht auf folgendem Trugschluss: Weil das Wesen der Vernunft das Erkennen ist, darum ist alles, wonach wir streben, wenn wir vernunftgemäss streben, das Erkennen.

Aber die Vernunft sammt ihrem Erkennen ist ja nur Mittel für möglichst vollkommene Erzielung unseres Nutzens deer Eudämonismus ist die Wurzel, das verständige Ueberlegen und das Erkennen des Zweckmässigsten nur Vehikel zur Realisirung seines Willens. Wie kann sich Spinoza auf einmal so weit vergessen, das Vehikel der Verwirklichung des anderweitig bestimmten Zweckes mit diesem Zweck zu escamotiren? Was ihn dazu verführte, ist im Beweise des 23. Satzes aufgedeckt: die schon von Aristoteles getheilte irrthümliche Annahme, das das Erkennen reine Thätigkeit, die Gemüthsanregung aber reines Leiden sei, und dass deshalb als thätiges Vermögen des Menschen nur das Erkenntnissvermögen angesehen werden könne (vgl. III 3). Es

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giebt aber für uns Individuen ebenso wenig eine reine Thätigkeit ohne Leiden, wie ein reines Leiden eine Thätigkeit; immer ist Receptivität und Spontaneität in unsern Erkenntniss- und Willensfunctionen mit einander verbunden, und wenn man fragt, auf welcher Seite die Spontaneität die ausgeprägtere ist, so ist es sicher auf Seiten des Willens und nicht der Erkenntniss.

Zum Kern der menschlichen Natur rechnen wir deshalb, wenn wir über den Ursprung der Handlungen reden, in erster Reihe den Charakter, d. h. die Summe der Triebe in ihrem gegenseitig genau bestimmten Stärkeverhältniss, und erst in zweiter Reihe das Erkenntnissvermögen; was aus der Nothwendigkeit unserer Natur folgt, ist uns demgemäss in erster Reihe das charakterologisch bestimmte Wollen, das individuell charakteristische Handeln, und erst in zweiter Reihe die Vernunftentfaltung und die aus ihr hervorgehenden secundären Modificationen des ersteren. Spinoza aber lässt den ersteren Factor gänzlich ausser Acht und erklärt:,,Vernunftmässig handeln ist nichts anderes, als das thun, was aus der Nothwendigkeit unsrer für sich allein betrachteten Natur folgt" (IV 59 Bew.). Bei solchen einseitig intellektualistischen Grundannahmen, welche in ihrem abstrakten Rigorismus lebhaft an die kühnen Postulate der Stoiker erinnern, ist es kein Wunder, dass auch Spinoza's letzte Resultate einen einseitigen Intellektualismus repräsentiren. Ist das Erkennen, und zwar das adäquate Erkennen nach der dritten (intuitiven) Erkenntnissgattung (V 25) das Ziel der Vernunft und der Zweck aller praktischen Bethätigung des Menschen (IV 26), so muss auch aus diesem Erkennen allein die höchstmögliche Lust und zwar das den ganzen Menschen erschöpfende Wohlbehagen hervorgehn (V 27 Bew.); das Object des adäquaten Erkennens ist Gott, und indem wir uns dieser Erkenntniss Gottes als der Ursache unserer höchsten Lust bewusst sind, empfinden wir nach Spinoza's Definition der Liebe Liebe zu Gott (V 32). In dieser Liebe zu Gott besteht demnach unsre Glückseligkeit (V 36 Anm. u. 33 Anm.), welche nicht etwa der Lohn der Tugend, sondern die Tugend selbst ist, und durch deren Genuss wir das wirksame Motiv erlangen, um unsere niedern Begehrungen im Zaume zu halten (V 42). Hier am Schluss steht also Spinoza doch wieder auf Seiten Epikurs der Stoa gegenüber: weil wir das höchste Gut erstreben, und dic Erkenntniss und Liebe Gottes als höchstes Gut erkennen, deshalb halten wir uns an diese, welche zufällig ausserdem noch als Tugend

zu definiren sind. So bleibt der individual-eudämonistische Charakter seinem Standpunkt treu bis zum Ausgang der Ethik gewahrt.

Wir aber müssen einen solchen reinen Intellektualismus für ein Verfehlen des eudämonistischen Ziels erklären, weil er grade das zerstört, was Spinoza erreichen will: eine harmonische Gesammtbefriedigung aller in der menschlichen Natur begründeten und darum berechtigten Bedürfnisse und Anlagen (vgl. IV 42 u. 60). An Stelle derselben setzt er eine einseitige Befriedigung des Erkenntnisstriebes auf Kosten der ästhetischen, religiösen, ethischen und gemüthlichen Anlagen der Menschennatur, welche theils ohne weiteres ignorirt, theils in ihrer Bedeutung zu blossen Ausflüssen des Intellekts umsophistisirt werden. In Rücksicht auf harmonische Gesammtbefriedigung der unverfälschten normalen Menschennatur waren ihm Epikur und selbst Aristoteles entschieden überlegen; Spinoza's höhere Leistung besteht aber in der streng durchgeführten Ableitung der socialen Lebensbeziehungen und der gemeinen Forderungen des Lebens aus dem Princip des wohlverstandenen Interesses, des aufgeklärten und weitblickenden Egoismus oder der sogenannten Klugheitsmoral.

Keinenfalls darf man letzteres Verdienst gering anschlagen. Die Bändigung der rohen Triebe, der blinden Leidenschaften und der sinnlichen Gelüste muss stets zunächst durch den Egoismus selbst erfolgen, denn nur dieser hat die nöthige Macht, um den Ausbrüchen roher Naturgewalten Widerstand zu leisten. Erst wenn der Mensch durch lange Uebung sich gewöhnt hat, seine Affecte mit Rücksicht auf sein eigenes dauerndes Wohl so weit einzuschränken, dass er nicht mehr nach den Impulsen augenblicklicher Aufwallung, sondern nach kluger Berechnung handelt, dann erst ist die Herrschaft der höheren Geisteskräfte über die niederen so weit gefestigt, um auch den zarteren Regungen uneigennütziger Sittlichkeit einen nennenswerthen Einfluss zu gestatten. Wenngleich der Erzieher der Kindheit und Jugend heute so civilisirte Naturen vorfindet, dass er sein Augenmerk wesentlich schon auf Stärkung ethischer Triebfedern richten darf und sich hüten muss, diese über der Hervorhebung von Klugheitsrücksichten zu vernachlässigen, so wird es doch heute und zu aller Zeit rathsam sein, einem herangewachsenen Menschen gegenüber, in welchem starke Triebfedern erregt sind, nicht höhere ethische Gesichtspunkte geltend zu machen, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen, sondern diese höchstens als Nebengründe anzuführen, als

entscheidendes Moment aber die Appellation von seinem übelberathenen Egoismus an seinen besser zu berathenden Egoismus zu erheben. Hier wendet man sich in den allermeisten Fällen an die stärkste Triebfeder, und wenn man nur im Stande ist, der Macht der nahen sinnlichen Motive zum Trotz ihn gründlich davon zu überzeugen, dass sein eigenes Interesse durch das von ihm beabsichtigte Vorhaben geschädigt, vielmehr sein Wohl durch Befolgung des ertheilten Rathes besser gefördert werde, so wird man hoffen dürfen, leichtere Affecte immer zu besiegen, oft aber selbst noch einer schon ausgebildeten Leidenschaft ein Opfer abzujagen, während ein blosses Entgegenhalten rein ethischer Gesichtspunkte in solchen Situationen in der Regel nur als rigoristisch abstossendes oder gar pedantisch lächerliches Moralisiren empfunden wird und deshalb nur zu häufig die entgegengesetzte Wirkung hervorbringt, als beabsichtigt war. Die Klagen über die Wirkungslosigkeit moralischer Lehren sind so alt wie die Moral selber; ist es da nicht tröstlich, in der sogenannten Klugheitsmoral für die meisten Fälle und Situationen ein Hülfsmittel, ein Surrogat echter Moral zu besitzen, das zwar weniger erhaben auftritt, aber dafür um so bessere praktische Dienste in der Bändigung blinder und schädlicher Triebe und Gelüste leistet?

Grade Spinoza's Auseinandersetzungen zeigen, wie vielseitig das individual-eudämonistische Princip sich verwerthen lässt und wie erstaunlich seine Tragweite ist. Gleichwohl ist zweierlei nicht zu verkennen: erstens, dass die Kraft des Princips um so abgeschwächter wird, je weiter die Vermittelungen und Schlüsse sind, durch welche eine Handlungsweise als dem eignen Interesse dienlich dargestellt werden soll und je mehr Voraussetzungen als neue Prämissen in diese Schlussketten hereingezogen werden; zweitens, dass die wichtigste dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, nämlich das Bestehen eines politischen Verbandes, der alle unsittlichen Handlungen vor sein Forum zieht und bestraft. Auch der bestgeordnete Staat bekümmert sich nur um einen kleinen Theil der gröberen Verstösse gegen die Moral, insofern dieselben zugleich Verbrechen oder Vergehen gegen die Gesetze und Verordnungen des Staates oder seine polizeilichen Bestimmungen sind.

Einen kleinen Theil der übrigen unmoralischen Handlungen straft allerdings die Gesellschaft durch persönliche Missachtung oder gar Aechtung; indessen ist das Gebiet der vom ethischen Standpunkt ver

werflichen Handlungen, welche der Mensch begehen darf und oft durch autoritative Stellung völlig geschützt begehen darf, noch sehr gross, und grade die kleinen, oft wiederkehrenden Verletzungen, die einem im täglichen Leben widerfahren, bohren sich tiefer in das verletzte Gefühl ein als ein einmal erlittenes grösseres Unrecht, über das man sich stoisch als über eine abgethane Sache hinwegsetzen kann. Was die Gesellschaft als solche am härtesten straft, ist gar nicht Verletzung der Moral, sondern es ist die Auflehnung des durch die gesellschaftliche und Standes-Sitte geknechteten Individuums gegen diesen oft unerträglichen und nur zu häufig völlig sinnlosen Zwang, wohingegen grade gegen wirkliche Immoralität, gegen rohe Unsittlichkeit und raffinirte Schlechtigkeit von der Gesellschaft eine ganz sträfliche Toleranz geübt wird, nicht selten selbst dann noch, wenn der Betreffende sogar mit den Gesetzen in Conflict gerathen ist, wenn er nur durch gesellschaftliche Vorzüge (Geburt, Reichthum, gesellige Liebenswürdigkeit, Freigebigkeit u. s. w.) ausgezeichnet ist.

Der Staat ist wenigstens nur ein unzulänglicher, obschon meist gerechter Richter, die Gesellschaft aber ist nicht bloss ein unzulänglicher, sondern auch ein entschieden corrumpirter Richter; eine auf ihren Lohn und ihre Strafe sich stützende Moral muss nothwendig Elemente in sich aufnehmen, welche das Wesen der Moral fälschen und in demselben Grade corrumpiren als die Gesellschaft es ist. Jedenfalls findet sich derjenige mit den Grundsätzen der Klugheitsmoral hinlänglich ab, welcher, durch seine äusseren Umstände und Eigenschaften der Zuneigung seiner Gesellschaft sicher, in seinen unmoralischen Handlungen mit feiner Sachkenntniss stets die Grenze einzuhalten weiss, die ihn vor Conflicten mit dem Gesetze schützt oder die Ueberschreitungen dieser Grenze durch neue Gewaltthat und Betrug für sich unschädlich zu machen weiss (dieser Typus ist im ,,Reinecke Fuchs" meisterhaft dargestellt). Hier findet das finanzielle Gaunerthum grossen Stils wie die Halsabschneiderei im Kleinen ihr ethisches Asyl; hier erscheinen Lovelace und Don Juan, welche durch den schamlosesten und rücksichtslosesten Betrug immer neue Herzen -brechen, als die wahren Meister des Geniessens, als die echten Lebenskünstler und treusten Vertreter des socialeudämonistischen Moralprincips.

Aber selbst abgesehen von alledem, würde doch die Rücksicht auf Staat und Gesellschaft selbst bei solchen Handlungen, welche

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