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Beimischung bewusst geistiger Freundschaft keine erfreuliche und harmonische Erscheinung ist, steht jedenfalls fest. Die Verschmelzung beider aber liefert die höchste Gestalt der Liebe, die wir kennen, indem sie die unbewusste Ursprünglichkeit und Tiefe, die instinctive Energie und Gluth und Leidenschaftlichkeit der Geschlechtsliebe mit der selbstbewussten Klarheit, der pietäts- und vertrauensvollen Sicherheit und besonnenen Milde der Freundschaft vereinigt und die beiderseits gewollte Identität des gemeinsamen Wohls und Wehes in der Interessen-Solidarität und Güter- und Wirthschaftsgemeinschaft der Ehe auch äusserlich zur Darstellung und rechtlichen Anerkennung bringt.

Hierdurch erledigt sich zugleich das Bedenken, ob das Weib denn überhaupt zur Freundschaft fähig sei. In der That möchte es schwer halten, Beispiele von einer Freundschaft unter Weibern beizubringen, welche im Ernst diesen hohen Namen verdiente. Aber dies beweist noch nichts gegen die Fähigkeit des Weibes, mit einem Manne eine wahre Freundschaft zu pflegen. Das Weib ist weit unselbstständiger als der Mann; die Blicke des Mädchens richten sich nach der Ehe, die Frau aber ist viel zu sehr von der Ehe und dem Hausstand absorbirt, um nach aussen wahre Freundschaft cultiviren zu können. Zwei für sich selbstständige Männer können einen Freundschaftsbund schliessen, sobald nur der eine von beiden weiblich genug veranlagt ist, um sich hinreichend zu accomodiren und die weibliche Rolle in dem Verhältniss zu übernehmen; bei zwei Weibern aber liegt die Schwierigkeit umgekehrt darin, dass eine von beiden genug Selbstständigkeit besitzen muss, um die andere noch mit zu stützen und dem ganzen Bunde Halt und Festigkeit zu geben, und diese Selbsterhebung des Weibes wird viel schwieriger zu finden sein als die correspondirende Selbsterniedrigung des Mannes. Dem Manne gegenüber fällt nun aber diese Schwierigkeit weg, da hier das Weib nur den sich anschmiegenden Theil darstellt. Gleichwohl ist zuzugestehen, dass das Weib so sehr in den Fesseln des Instinctes liegt, dass ein höherer Gemüthsaufschwung desselben fast nur auf der Naturbasis des Instincts möglich ist; ihre Neigungen und Abneigungen drehen sich unbewusst so sehr um das Geschlechtsleben und seine unbewussten Naturzwecke, dass eine mit Gewalt von diesem Mutterboden losgelöste Freundschaft kaum irgend welche Garantieen für eine auch nur annähernde Verwirklichung des Ideals der Freundschaft

bieten kann. Das Weib ist daher seiner Natur nach ganz wesentlich darauf angewiesen, die Freundschaft im höchsten Sinne nur auf Grundlage der geschlechtlichen Liebe zu verwirklichen, und selbst die geringeren Grade der Freundschaft an die Naturbasis der Kindesliebe, Geschwister liebe und Mutterliebe anzuknüpfen.

Auch hier zeigt sich, dass die extensive Beschränkung der Insentität zu Gute kommt, dass nämlich das Weib um so vollständiger von Liebe und Freundschaft erfüllt wird und um so vorbehaltloser in ihr aufgeht, je weniger sie sich mit einer der männlichen gleichkommenden Freiheit in beiden Sphären zu bewegen veranlagt ist. Es ist vielleicht das dunkle Gefühl ihrer Abhängigkeit von den instinctiven Trieben und ihrer Unfähigkeit für das Leben in der Freundschaft, welches die Frauen so gern an dem allgemeinen Ausdruck,,Liebe" festhalten und die ideellen Vorzüge der Freundschaft theoretisch verkennen lässt. Sie sträuben sich dagegen, das in ihrem Liebesleben Verschmolzene auch nur begrifflich zu trennen, weil sie ahnen, dass sie es in Wirklichkeit doch nicht getrennt darzustellen vermögen. Sie hestehen darauf, die höchste Realisirung der allgemeinen Liebe, d. h. des Gefühls der unbewussten Identität, wie sie in der Frauenliebe sich darstellt, nach dem in ihnen überwiegenden instinctiven Gefühlsmoment Liebe und nur Liebe zu nennen, während der Mann im Gegentheil geneigt ist, sich mit seinem selbstständigen bewussten Geist in möglichster Freiheit gegen den instinctiven Grund seiner Seele zu bewegen und deshalb die Verwirklichung des allgemeinen Identitätsgefühls in der Form der Freundschaft als das Höhere, Menschenwürdigere, Idealere anzusehen, welchem die natürlichen Formen der Liebe ein- und unterzuordnen seien. So bleibt beim Weibe die Geschlechtsliebe, beim Manne (wenn man das Verhältniss der Gatten für längere Dauer in's Auge fasst) die Freundschaft im Uebergewicht, und die volle Harmonie beider Momente wird auch hier nicht auf einer Seite, sondern nur in der Totalität des Liebes- und Freundschaftsbundes erzielt. Ihren Höhepunkt erreicht diese Wechselliebe zu der Zeit, wo der Besitz noch nicht so lange gedauert hat, um die geschlechtliche Leidenschaft abzustumpfen, aber das Zusammenleben doch schon lange genug gedauert hat, um die Freundschaft zur vollen Reife gedeihen zu lassen. Freilich wird dieser Höhepunkt bei beiden Theilen nicht in denselben Zeitpunkt fallen; denn beim Manne hat

zwar die geschlechtliche Leidenschaft vor Erringung des Besitzes einen weit acuteren Charakter als beim Weibe, stumpft sich aber auch nach errungenem Besitz rasch ab, und bedarf ziemlich rasch der Ablösung durch die Freundschaft; beim Weibe hingegen erlangt die im jungfräulichen Busen noch ziemlich unbestimmte Sehnsucht erst durch die Gewöhnung an den geschlechtlichen Umgang die volle Entschiedenheit des Bewusstseins und die ganze Stärke der Leidenschaft, so dass ihre Liebe erst dann den Gipfel erreicht, wenn die des Mannes schon stark im Niedergange begriffen, ja vielleicht schon ganz durch Freundschaft abgelöst ist. Der Gipfel des Liebesverhältnisses der Gatten als einheitliche Totalität gefasst, wird also in das Intervall zwischen das Maximum beim Manne und das beim Weibe fallen müssen.

Wenn nun die höchste Verwirklichung der allgemeinen Liebe nur in der Freundschaft, Geschlechtsliebe und Mutterliebe, beziehungsweise in der Verschmelzung der Freundschaft mit einem instinctiven Identitätsgefühl besteht, wenn ferner die näheren und entfernteren Kreise der Liebesbethätigung im Allgemeinen den näheren und ferneren Pflichten entsprechen, so hört doch die Liebe nicht völlig auf, wo die Beziehungen irgend welcher engeren genossenschaftlichen Zusammengehörigkeit aufhören; sie entnimmt vielmehr aus der Gleichheit der Gattung, aus dem Menschenthum als solchen, hinlängliche Impulse zur Entfaltung hei gegebener Gelegenheit. Das lie breiche Gemüth, d. h. ein Gemüth, in welchem das Gefühl der unbewussten Identität lebhaft vertreten ist, bedarf nur einer Anregung zur Bethätigung desselben in einer bestimmten Richtung auf ein gegebenes Object, um aus den unbewussten Tiefen der Seele an's Tageslicht zu treten; es braucht nur einer Gelegenheit, um Liebe zu üben, und es wird sie üben, gleichviel ob der Gegenstand, dem es Liebe erweist, nähere Ansprüche darauf hat, als die allgemeinen, Mensch zu sein. Diess ist der Sinn des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, welches uns erläutern soll, dass jeder unser Nächster sei, der uns Gelegenheit zur Entfaltung der Nächstenliebe darbietet.

Der schönste Charakterzug der Liebe ist aber vielleicht darin zu suchen, dass sie durch nichts so sehr verstärkt wird, wie durch ihre eigene Bethätigung, dass durch nichts so sehr der Mensch dem Herzen des Menschen näher gerückt wird, als durch die Wohlthaten, die man ihm erwiesen, durch die Sorge, die man auf ihn verwandt, und durch die Liebe, die man an ihm zu üben das Glück gehabt hat.

V. Hartmann, Phần d sittl. Bew.

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So steht, auch abgesehen von physiologischen Gründen, das Kind der Mutter schon deshalb näher als dem Vater, weil erstere mehr Sorge für dasselbe aufzuwenden und mehr Opfer für dasselbe zu bringen hat. So kann ferner eine einzige Liebesthat einen gänzlich Fremden dem Herzen nahe bringen, und durch die Dankbarkeit und die Reaction auf die entgegengetragene Liebe auch in dem Empfänger Liebe erwecken, also ein Band der Liebe um zwei bis dahin einander völlig fernstehende Menschen schlingen.

Indessen auch bei der allgemeinen Menschen liebe bleibt die Liebe nicht stehen, ihre Wirksamkeit erstreckt sich weiter auf alle empfindenden Wesen, ja sogar auf leblose Dinge, denen das Gemüth vermittelst der Phantasie eine Art von Beseelung leiht. Die persönliche Freundschaft und Liebe zwischen dem Menschen und höheren Thieren von den allerverschiedensten Ordnungen und Arten ist schon oft genug besungen, und die Sagen vom Löwen des Androklus und ähnlichen Vorkommnissen, würden selbst, wenn sie nur Sagen wären, bezeugen, wie zart und schön das Gemüth derer, die sie geschaffen und verbreitet haben, das Verhältniss von Mensch und Thier auffasst. Nicht minder bezeichnend sind die Berichte über die Liébebedürftigkeit Gefangener, welche in Ermangelung angemessenerer Gegenstände Ratten, Spinnen oder andere Insecten durch unermüdliches Entgegenkommen zu einer gewissen Erwiderung der Zuneigung zwingen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wird der Mensch zwar kaum dazu gelangen, seine Specialfreundschaften unter Insecten zu suchen, aber das liebreiche Gemüth wird allen lebenden und empfindenden Wesen gegenüber ein mehr oder minder deutliches Analogon der Liebe fühlen, wie es sie seines Gleichen entgegenträgt, und wird bei besonderen Gelegenheiten nicht unterlassen, diese Liebe auch dem unscheinbarsten Gewürm gegenüber zu bethätigen. Je zarter besaitet und je sensitiver eine Seele organ isirtist, desto mehr wird sie auch die Pflanzen in den Kreis ihrer Liebe hereinziehen, und damit practisch und instinctiv dem Aberglauben der modernen Aufklärung und Wissenschaft Trotz bieten, welche den Pflanzen jede Beseelung und Empfindung abspricht. In reizvoll sinnigster Weise spricht sich die liebevolle Behandlung der Pflanzen und Blumen in den Blüthen der indischen Poesie aus, wo das Leben des ganzen Volkes und insbesondere der Frauen der höheren Stände etwas dem Traumleben der Blumen Verwandtes an sich trägt. Aber auch bei uns sehen wir den Blumen

cultus bei sinnigen Frauen nicht selten mit entschiedenen Spuren eines dunklen Identitätsgefühls verknüpft, das die Pflanzen nicht nur als ihres Gleichen behandelt, sondern auch als wesenseins mit ihnen in wahrer Liebe umfasst.

Der liebevolle Mensch erstreckt die Identificirung seines Selbst mit anderen lebenden und empfindenden Ich's auf Alles, was in seinen Gesichtskreis kommt, er betrachtet die Welt mit total anderen Augen als der Egoist; er fühlt den Pulsschlag der ganzen Natur in seinen Adern und das Allleben in seinem Bewusstsein, und fasst die Welt als eine wesentliche Einheit mit sich, nicht als einen kalten, feindlichen, transscendenten Gegensatz zu seinem Ich auf. Er umspannt das All mit seiner Liebe, weil er sich (in phänomenaler Hinsicht) als Theil des All, aber zugleich (metaphysisch genommen) als wesentlich identisch mit demselben, und deshalb sein fühlendes Subject als den Kern des All's weiss. Indem er das Selbst zum All ausdehnt, erweitert sich das Selbstgefühl zum Allgefühl *), die Liebe zur Allliebe; das Identitätsgefühl, das sich bisher nur in bestimmten beschränkten Richtungen concentrirter offenbarte, wird zum allumfassenden Identitätsgefühl oder zum All-Einheits-Gefühl, ohne dass es deshalb den Charakter der Unbewusstheit seiner eigenen Natur zu verlieren braucht. Ja sogar je weltumspannender das Gefühl sich entfaltet, desto mystischer, d. h. desto mehr seines eigenen

*),,Mein Busen, der von Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschliessen,
Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst geniessen,
Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen,

Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,

Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,

Und, wie sie selbst, am End' auch ich zerscheitern."

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