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den ehernen Kreislauf des Lebens aufzulehnen, nur ein vergebliches Rütteln an den Gittern des Kerkers sind, in den er ebenso wie seine Mitgefangenen ohne sein Zuthun hineingekommen ist. Will er sich verblenden gegen die metaphysische Wahrheit der Phänomenalität des Individuums, will er, unbekümmert um den sofortigen Ersatz der von ihm leergelassenen Stelle und um die objective Gleichgültigkeit des leidenden Bewusstseinssubjectes, sein Ich für das ihm allein Wichtige erklären, weil es der Träger seiner Welt (nämlich seiner subjectiven Erscheinungswelt) ist, will er, gleichgültig gegen alles sonstige Geschehen, den Lebensfaden seines Ich zerschneiden, nur damit ihm die Welt untergeht und seine Person das Leid nicht mehr zu fühlen braucht, so mag er es thun; dieses vom Pistolenschuss zerschmetterte Gehirn wird es freilich nicht mehr erkennen lernen, dass sein Bemühen eitel war, und dass das Bewusstsein trotz des Wechsels der Gehirne fortfährt, zu hoffen und zu leiden, wie das auf dem Wasserfall stehende Spectrum fortfährt, farbig zu schimmern trotz des Wechsels der Wassertropfen. Was macht es aus, ob ich den Fall eines Tropfens im Wasserfall ein wenig beschleunige, was kommt darauf an, ob

ein Blatt vom Baume der Menschheit ein wenig vor dem Herbste sich abschnürt, da der Wind ohnehin so viel grüne Blätter herniederweht, und der Baum immer neue Sprossen treibt? Wer kann sagen, dass sein Leben, innerlich und äusserlich zusammengenommen, schlimmer sei als der Durchschnitt, schlimmer als das seine Stelle ausfüllende wahrscheinlich sein wird?

Im Grunde genommen heisst es freilich dem Egoismus als solchen eigentlich schon zu viel zumuthen, wenn man von ihm verlangt, er solle darauf Rücksicht nehmen, dass dieses bestimmte Ich nicht das Universum sei, und trotz der Discontinuität des Bewusstseins eine Continuität der Substanz oder auch nur eine gleichgültige Vertretbarkeit zwischen zeitlich auf einander folgenden Ich's oder gar eine Identität des Wesens zwischen räumlich getrennten Ich's stattfinde. Denn der ganze Egoismus beruht ja darauf, oder geht davon aus, dass das Ich sich praktisch für absolut nimmt, und sich gegen jeden praktischen Einfluss eines Zweifels an dieser Absolutheit gewaltsam versperrt. Demgemäss wehrt sich der Egoismus auch gegen jede metaphysische Theorie, deren Annahme ihn theoretisch zum Abdanken nöthigen würde; er hüllt sich so dicht als möglich in den Schleier der Maja und will nichts sehen und hören, was ihn an seiner Absolutheit irre machen

könnte. Ich, Ich will glücklich sein", ruft er; ,,was hilft es mir, wenn die ganze Welt beseligt wird, und Ich nichts davon habe; was kümmert es mich, wenn die ganze Welt immer elender wird, wenn ich nur den kleinsten Gewinn dabei habe! Was geht es mich an, ob das Weltwesen nach meinem Tode weiter lebt, oder ob ein anderes Bewusstsein an meine Stelle tritt, bin Ich es dann doch nicht mehr, der zu leiden hat!" Hiergegen lässt sich nichts einwenden; man muss sogar gestehen, dass der Egoismus hier sein alleraufrichtigstes Gesicht, seine allerconsequenteste Gestalt zeigt.

Es stellt sich hier eben zweifellos heraus, dass dieser Egoismus, wenn er von keinen Nebenrücksichten beirrt wird, und mit einem hinreichend klaren Intellect verbunden ist, um die Illusionen des Lebens, von denen er sich bis dahin zu Gunsten ihm fernliegender Naturzwecke prellen liess, zu durchschauen, dass er dann nothwendig zur Blausäure oder zu einem anderen rationellen Mittel des Selbstmords greifen muss, und das sobald als möglich, da es schade ist um jede noch an dieses elende Leben verschwendete Stunde. *) Der Egoismus, der so kühn mit stolz geblähten Segeln die Fahrt des Lebens begann, sieht sich schliesslich ohne Compass und Ruder seekrank und hoffnungslos auf hohem Meere treiben und sprengt sich endlich selbst in die Luft. Derselbe Irrthum, dem er seine Entstehung verdankt, der Glaube an seine Absolutheit, bringt ihn dahin, den Urtheilsspruch, dass er nicht werth ist, da zu sein, durch Selbstvernichtung des Individuums an sich zu vollstrecken; er gelangt aber factisch dadurch nicht zum Ziele, denn der Egoismus fährt ja trotz so vieler Selbstmörder mit ungeschwächten Kräften fort, da zu sein, wie wir alle täglich sehen.

So sehen wir den Individualeudämonismus, nachdem er alle seine principiellen Gestaltungen durchlaufen, beim schmählichsten Bankerott anlangen, nachdem er auf verschiedenen Stufen vergeblich versucht hatte, theils durch Hereinziehen unhaltbarer Hypothesen theils durch Stehenbleiben auf halbem Wege, haltbare Standpunkte der praktischen Philosophie zu erobern und zu begründen. Ausgehend von dem Princip, dem Ich die wahre Glückseligkeit zu verschaffen, muss er endlich bei

*) Vgl. Schurich: „Aus dem Tagebuch eines Materialisten". Der Verfasser schloss nicht nur sein Buch mit dieser Consequenz, sondern gleich darauf auch sein Leben.

dem Geständniss der absoluten Unmöglichkeit ausmünden, nicht nur eine positive Glückseligkeit, sondern selbst nur eine definitive Erlösung vom Elend des Daseins zu erringen; das consequent verfolgte Glückseligkeitsstreben des Eigenwillens hebt sich durch inneren Widerspruch gegen die Natur dieses Willens selber auf, und der recht verstandene Eudämonismus schlägt in Resignation, die zu Ende gedachte Selbst sucht in Selbst verläugnung um. Dieses kostbare Ich, um dessentwillen der Eudämonismus zuerst Himmel und Erde hatte in Bewegung setzen wollen, dieses Ich wirft der von allen Illusionen des Lebens zurückgekommene Egoist fort wie einen werthlosen Plunder, den es nicht der Mühe lohnt aufzuheben, oder er unterlässt selbst diess, weil es nicht einmal der Mühe des Wegwerfens mehr lohnt. Was sich so unendlich werthvoll vorkam, dass die ganze Welt nur dasein sollte, um ihm zu dienen, das ist jetzt als das absolut Werthlose erkannt;*) der einst so hoffnungsvoll beim Auszuge zum Kampf zum Herrn erwählt war, der wird nun, nachdem er sich unfähig nicht nur zu den verheissenen Eroberungen, sondern selbst zum Zurückführen des Heeres erwiesen, verläugnet. Der Mensch kehrt sich voll Ekel ab von dem Götzen, dem er so lange geopfert, und dessen Hohlheit er nun erkannt; nicht gern und nicht freiwillig, sondern zerschlagen, ingrimmig und nothgedrungen wendet er sich endlich ab von dem Idol, das ihn so lange geäfft und ihm doch nichts zu bieten hat.

Noch ist das Leben da, aber es ist inhaltslos; könnte man es mit einem neuen Inhalt erfüllen, für den der Egoismus vorher keinen Platz liess, so könnte es nun erst zu voller Herrlichkeit erblühen; denn der bornirte Eigenwille ist als Herr abgedankt, und seine beschränkte Kraft könnte, einem andern Principe dienend, Tüchtiges leisten, wenn nur etwas da wäre, dem er dienen könnte. Der nach Befriedigung strebende Eigenwille, der schmählich Fiasco machte, als er direkt das Seine suchte, und sein Wohl zum Zweck seiner Thätigkeit machte, würde dann wenigstens ohne Rückfall in selbstsüchtige Illusionen aus seinem unnatürlichen Quietismus befreit und würde

*) Wenn sich später herausstellen sollte, dass dem Ich gleichwohl ein sehr bedeutender Werth beizumessen sei, so kann dieses Resultat nur noch aus der Anlegung eines ganz anderen Maassstabes als des individualeudämonistischen entspringen; vom Standpunkte des Egoismus aber, von dem aus wir hier allein die Frage erörtern, ergiebt sich nach Enthüllung der Illusion, dass das Ich im streng

sten Sinne das absolut Werthlose ist.

V. Hartmann, Phân. d. sittl. Bew.

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vielleicht, wenn er selbstverläugnend anderen Zwecken dienend sich bethätigt, indirect durch eine unerwartete und ungesuchte Befriedigung belohnt werden, die, wenn sie auch als solche nicht das Leben auf seine Kosten brächte, es doch wenigstens erträglich machte, d. h. es mit Frieden und Stille erfüllte. Dieses Princip müsste ein praktisches Princip sein, denn es handelt sich ja eben um die thätige Erfüllung des praktischen Lebens, und es müsste ein nichtegoistisches, also nicht individual-eudämonistisches Princip sein, ein Princip, welchem dienend man nicht das Seine sucht. Gäbe es ein solches Princip, so würden wir in ihm vielleicht ein wahrhaft Ethisches erkennen dürfen, und man sieht von hieraus, was die Frage zu bedeuten hat, ob es ein ethisches Princip im Sinne eines nichtegoistischen praktischen Princips giebt oder nicht. Giebt es keines, so muss das Leben zwischen gemeiner Selbstsucht und dumpfer Resignation, zwischen dem Taumel aller möglichen Illusionen und dem absoluten Katzenjammer hin und her schwanken; giebt es eines, so dürfen wir hoffen, aus dieser Zwickmühle herauszukommen, und das Leben mit werthvollerem Inhalt zu erfüllen.

An der Nichtigkeit des rein egoistisch geführten Lebens, aus der Hohlheit und der empörenden Prellerei aller Illusionen, wenn sie bloss auf den Egoismus bezogen werden, an der ganzen in sich zerfallenden und zerbröckelnden Misère aller individual-eudämonistischer Systeme der praktischen Philosophie erkennen wir aber nun auch mit Klarheit, dass alle Modificationen und Formulirungen dieses Princips in Wahrheit keinen Anspruch auf irgend welche ethische Bedeutung haben können, sondern dass das Ethische, wenn es ein solches überhaupt giebt, frühestens da anfängt, wo jenes aufhört. Es ist somit nicht bloss ein negativer Gewinn, den wir aus den Betrachtungen des Individualeudämonismus gezogen haben, es ist nicht bloss die verneinende Erkenntniss, dass diess ein Ethisches nicht sein kann, sondern es ist durch die begriffene Selbstaufhebung des egoistischen Princips mit dem Ende des einen zugleich der Anfang des andern gewonnen. Wie bei geologischen Gesteinsschichten die obere Grenze der tieferen Schicht zugleich die untere Grenze der höheren bildet, so ist das, was den letzten Abschluss in der Entwickelung des egoistischen Princips bildet, zugleich das unentbehrliche Fundament für alles Ethische, ich meine die Selbstverläugnung, das praktische für werthlos Halten des Ich und seiner Selbstsucht, welches allein im Stande ist, in der Seele tabula rasa zu machen mit dem unendlichen Kram der

wichtigthuerischen egoistischen Zwecke und Bestrebungen, die jede etwaige Entfaltung des Ethischen wie das Unkraut den Weizen zu überwuchern pflegen.

Die Selbstverläugnung ist Anfang und Grundlage alles Ethischen; freilich ist sie bloss Anfang oder untere Grenze, also noch nicht selbst für sich allein etwas, sondern nur als Grundlage eines Positiven, dem sie reinen Tisch gemacht. Schon im Namen liegt es, dass die Selbstverläugnung der Thätigkeit und Leistung nach etwas Negatives ist, das erst der Ergänzung durch ein Positives bedarf; aber dieses Positive, welcher Art es auch gefasst und verstanden werden möge, bedarf unter allen Umständen der negativen Kehrseite zur Vervollständigung des Gepräges, ohne welche die Münze ungültig wäre. In allen ethischen Systemen ist letzteres mehr oder minder deutlich anerkannt, aber fast überall soll das positiv Ethische aus sich selber die Kraft schöpfen, den Egoismus zu besiegen und die Selbstverläugnung zu erkämpfen, während hier das Revers der Medaille zuerst geschlagen wird, und erst auf dem Boden der Selbstverläugnung das Ethische freie Bahn zur ungehinderten Entfaltung gewinnen soll. Letzteres erscheint jedenfalls aussichtsvoller, denn der Egoismus verhält sich zum positiv Ethischen wie ein urwüchsiger Riesenbaum der üppigen Tropenwelt zu einem zarten Keimpflänzchen, das den Schnee durchbricht; ein Wettkampf zwischen beiden erscheint hoffnungslos für letzteres, so lange der erstere in voller Kraft steht, und die tägliche Erfahrung kann uns bestätigen, wie ohnmächtig das Ethische der ungebändigten Selbstsucht des Menschenherzens gegenüber ist, wenn es die Selbstverläugnung erst erkämpfen soll, anstatt sie vorzufinden.

Der Unterschied zwischen den Begründungsversuchen der gewöhnlichen Ethik und dem hier eingeschlagenen Wege ist ganz natürlich dadurch bedingt, dass der Standpunkt der ersteren fast durchweg auf optimistischen, der meinige aber auf pessimistischen Grundanschauungen über Welt und Leben beruht. Nun kann man es in der That bei einer optimistischen Weltansicht dem Egoismus gar nicht verdenken, wenn er keine Lust hast, abzudanken, sondern sich's wohl sein lässt unter all der Lust und Herrlichkeit des Lebens; da mag dann das ethische Princip zusehen, wie es mit diesem sich in seiner Haut behaglich fühlenden Riesen fertig wird. In Wahrheit wäre wenig genug Aussicht dazu vorhanden, ihm irgend etwas abzugewinnen, wenn nicht die intuitive Auffassung der unphilosphischen Menschen klüger wäre als die optimis

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