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5. Das Moralprincip der kirchlichen Autorität.

Wie wir schon oben sahen, ist das Familienoberhaupt, beziehungsweise der patriarchalische König, ursprünglich der alleinige Repräsentant der Familie nach aussen, also auch den Göttern gegenüber; ihm liegt es ob, durch die einfachsten Cultushandlungen, durch Opfer und Gebet, den Zorn der Götter zu beschwichtigen und sie zur Gnade für die Familie oder den Stamm zu stimmen. Indem die Sitte diese Cultushandlungen durch immer minutiöser werdende Vorschriften regulirte, und sich der Glaube entwickelte, dass durch die kleinste Abweichung von den complicirten Ritualvorschriften das Opfer unwirksam werden könne, bildete sich mit der Zeit das Bedürfniss heraus, diese wichtigen, das Wohl des Volkes bedingenden Handlungen nur solchen Händen anzuvertrauen, welche durch lebenslange Uebung eine treue Bewahrung der überlieferten Gebräuche zu verbürgen schienen, d. h., es entwickelte sich (so z. B. beim Uebergange der Naturreligion der Veden in den Brahmanismus) eine Priesterkaste, welche die Tradition unter sich fortpflanzte und sich im ausschliesslichen Besitz der zu spendenden Versöhnungs- und Gnadenmittel befand. Die Priester wussten sehr bald die Cultushandlungen, durch welche allein der Verkehr mit den Göttern vermittelt wurde, selbst zu göttlichen Mächten zu stempeln, und den Abglanz dieser Göttlichkeit auf sich als die alleinigen Vermittler dieser Heilsmittel zu lenken, als welche durch ihre Macht über die Götter über die höchstmögliche Macht verfügen (vgl. Köppen die Religion des Buddha S. 10 u. 17-18). Eine hierarchische Stufenordnung innerhalb der Priesterkaste vervollständigt die Macht der Kirche durch die Herstellung einer kraftvollen und einheitlichen Organisation. Was in dieser Hinsicht von brahmanischen und buddhistischen Priestern geleistet worden ist, übersteigt bei weitem die späteren Nachahmungen des Christenthums,

Die Autorität der Kirche ruht allein auf dem Glauben an ihre Macht über die göttlichen Mächte, sei es in Beziehung auf Abwendung des Uebels und Beförderung irdischen Wohlergehens, sei es in Bezug auf Befreiung von dem drückenden Schuldbewusstsein durch göttliche Gnade und Erlösung; mit dem erlöschenden Glauben an ihre Macht über den Willen und die Entschliessung Gottes, verschwindet das Fundament ihrer praktischen Autorität und es bleibt dann höch

stens noch der privilegirte Auslegerberuf des geoffenbarten göttlichen Willens übrig. Der Katholicismus, dem es allein noch von den christlichen Confessionen mit der unbedingten Autorität der Kirche Ernst ist, verschmäht deshalb auch kein Mittel, um den Glauben an seinen Einfluss auf die Entschliessung des göttlichen Willens aufrecht zu erhalten; er segnet dem Bauer jährlich Haus und Vieh, er veranstaltet Gebete und Wallfahrten behufs Herbeiführung fruchtbarer Witterung oder Abwehr und Beendigung von Seuchen, er liest Seelenmessen für schnellere Befreiung der Verstorbenen aus dem Fegefeuer u. s. w. Der orthodox-lutherische Kryptokatholicismus sucht ihn so weit als thunlich in ziemlich kläglicher Weise zu imitiren, und hält deshalb (im offenen Widerspruch mit Luthers Wort von dem,,allzumal priesterlichen Volk“) an dem Anspruch der exclusiven Berechtigung und Befähigung des Priesterstandes zur Spendung der Sacramente fest, ohne welche eine Erlösung von der ewigen Verdammniss nicht zu erlangen sei. Wo hingegen mit der unvermeidlichen Consequenz des protestantischen Princips, dass kein Mensch den Vermittler eines andern Menschen mit der Gottheit spielen könne, sondern jeder zusehen müsse, wie er selber mit dieser in's Reine komme, Ernst gemacht wird, da kann wohl noch von einer Kirche, als einer freien Cultusgemeinschaft Gleichgesinnter, aber nimmermehr einer Autorität der Kirche die Rede sein; denn der Protestant schliesst sich nur deshalb einer bestimmten Religionsgemeinschaft an, weil diese zufällig mit seinen Ansichten harmonirt und seinen individuellen Bedürfnissen entspricht, und er fühlt sich in seinem Gewissen verpflichtet, auszuscheiden, wenn seine Ansichten sich in wesentlichen Punkten ändern. Eine wahrhaft protestantische Kirche beansprucht nicht die allergeringste Autorität, weil sie jeden Gewissenszwang perhorrescirt; wenn ihr dennoch ihrem Princip zuwider etwas Autorität anzuhaften scheint, so ist es nur ein von der Autorität der Sitte erborgter schwacher Widerschein, insoforn viele Menschen, die von Eltern einer bestimmten Confession oder Secte geboren sind, sich durch die Macht der Sitte abhalten lassen, ihr innerlich nicht mehr bestehendes Verhältniss zur Kirche auch äusserlich zu lösen. Das in vielen Staaten noch geltende Princip einer evangelischen Staatskirche mit hierarchischen Maassregelungen, Zwangstaufen und künstlich erschwertem Austritt steht freilich in grellem Widerspruch mit dem protestantischen Princip und ist erst als ein Uebergangsstadium zur vollen Verwirklichung des

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letzteren zu betrachten, welches Uebergangsstadium hoffentlich bald überall sein Ende erreichen wird.

Die autoritative Kirche nun, wie z. B. der Katholicismus eine solche ist, beansprucht eine absolute Autorität. Sie verlangt, dass die Sitte sich nach ihren Anforderungen richte, und wenn sie aus Opportunitätsrücksichten auf die Ausrottung gewisser festwurzelnder, aber ihren Zwecken widerstrebender Sitten verzichtet, so weiss sie dafür durch Einführung leichter Modificationen solchen Sitten ihr Gepräge zu verleihen, und dieselben in der neugewonnenen Gestalt zu ihrem Dienste zu weihen. Die Jugenderziehung betrachtet sie als ihr alleiniges unveräusserliches Recht, und Schule und Familie nur als ihre Mandatare, welche stets ihrer Aufsicht und Direction unterstellt bleiben müssen. In dem Staate sieht sie nur den Landsknecht, der ihr zu Ehren behufs ihrer Verbreitung nach aussen Kriege führt, und den Gensdarm oder Büttel, der nach innen für die gewaltsame Vollstreckung ihrer Anordnungen Sorge trägt, bestreitet dagegen jedes Recht des Staates, ihrer Autorität als eine coordinirte Autorität gegenüberzutreten, und auf legislatorischem Wege die streitigen Grenzen des staatlichen und kirchlichen Gebiets festzustellen. Metaphysisch leitet sie zwar ihre eigne Autorität von der höheren Autorität Gottes und dessen ausdrücklicher Autorisation zu seiner Vertretung auf Erden ab; als geschichtliche Erscheinung in der Menschheit und für die Menschheit stellt sie aber ihre eigene Autorität als den Ausgangspunkt, als die erste und höchste Autorität hin, indem sie verbietet, die Existenz eines Gottes und die Thatsache ihrer Autorisation durch denselben auf andere Gründe hin anzunehmen als allein auf ihr autoritatives Zeugniss,

indem sie sich also jeden Versuch einer anderen Legitimirung ihrer Autorität als durch ihre Autorität selbst verbittet. Auch dadurch stellt die Kirche ihre Autorität thatsächlich über die göttliche, dass sie sich nach der officiell gültigen Lehre der Jesuiten die Befugniss zuschreibt, nicht nur von ihren eigenen, sondern auch von manchen göttlichen Geboten und von allgemeinen Moralgesetzen Gottes für bestimmte Fälle zu dispensiren. Selbstverständlich kann die Kirche sich solche, den Menschen gegenüber absolute Autorität nur beimessen, wenn sie sich für unfehlbar erklärt, und das Missliche einer in Majorität und Minorität zerspaltenen Concilsunfehlbarkeit muss nothwendig dahin führen, die Unfehlbarkeit auf den Einen obersten Willen zu verdichten, in welchem der Organismus der hierarchischen Centralisation

sich zuspitzt. Die neueste Entwickelungsphase des Katholicismus, die vom Dalai-Lamismus schon lange erreicht war, ist daher gar nichts als die nothwendige Consequenz des Princips der autoritativen Kirche, und hat mit christlich-dogmatischen Fragen nur scheinbar Berührung *).

Das Moralprincip der kirchlichen Autorität erklärt nur Eins für sittlich oder unsittlich: den Gehorsam oder Ungehorsam gegen die Vorschriften der Kirche. Dieses Princip hat in den Zeiten des Mittelalters grossen Segen gestiftet, indem es das germanische Barbarenthum, dessen urwüchsige reine Sitte durch die Berührung mit der Sittenverderbniss des Römerreichs untergraben war, in einer Zeit staatlicher Unfertigkeit und Gesetzlosigkeit in eine straffe Zucht genommen, und durch Brechung des rohen Eigenwillens dem Aufblühen einer neuen zuchtvollen und ehrbaren Bürgersitte vorgearbeitet; die Mönchsgeissel hat den Boden gepflügt, in welchen später die Reformation ihre Keime tieferer und innerlicherer Sittlichkeit senkte. Aber so segensvoll dieses Moralprincip einem auf tiefer Culturstufe stehenden, von andern Hilfsmitteln der. Gesittung entblössten, noch auf lange Zeit hinaus dem Stande der Unmündigkeit nicht entwachsenden und dabei mit einer schwer zu brechenden Energie des Willens begabten Volke in gemässigtem Klima sich erweisen mag, so unheilvoll muss es sich unter andern Umständen gegen die Cultur wenden. Wo ein erschlaffendes tropisches Klima mit einem apathischen Volkscharakter zusammentrifft, da wird das hierarchische Princip wie ein narkotisches Gift die Volksseele in völlige Lethargie versenken, und ihm die letzte Kraft zum intellectuellen und moralischen Aufschwung lähmen, wie wir es im tropischen Asien und Amerika sehen. Wo andrerseits ein Volk jene Entwickelungsstufe erreicht hat, die es in einem geordneten Staatswesen und einer nationalen Culturblüthe die Mittel finden lässt, um ernstlich seine Erhebung und Erziehung zur sittlichen Würdigkeit in die Hand zu nehmen, wo gar die Formen des politischen und socialen Lebens bereits auf der Voraussetzung einer solchen Würdigkeit des Volkes beruhen, und ein immer schnel

*) Die Declaration des Universalepiscopats des Papstes genügte streng genommen für sich allein schon, um die Functionen des gesammten Episcopats in den Papst zu verlegen und lässt eine besondere Erklärung der Unfehlbarkeit des Papstes eigentlich als einen um der Deutlichkeit willen begangenen Pleonasmus erscheinen.

leres Tempo der Entwickelung einschlagen, da wirkt die Fortdauer des Princips der kirchlichen Autorität in ganzen Schichten der Gesellschaft wie eine chronische Bleivergiftung, die schmerzhafte Koliken und Paralysen ganzer Gliedmaassen herbeiführt. In solcher Lage befinden sich gegenwärtig die europäischen Länder, welche entweder eine ausschliesslich katholische Bevölkerung oder doch eine in's Gewicht fallende Zahl katholischer Einwohner besitzen.

Der Katholicismus, der im jesuitischen Ultramontanismus erst sein wahres Gesicht ohne verhüllende Maske zeigt, hat das dringendste Lebensinteresse, die Mitglieder seiner Kirche im Stande der Unmündigkeit zu erhalten, weil hierauf die Fortdauer seiner Existenz beruht; der Culturfortschritt hingegen hat das dringendste Lebensinteresse, immer mehr und mehr Staatsbürger zur Mündigkeit zu erziehen, weil hiervon der Fortbestand und das Gedeihen der etwas überstürzt eingeführten liberalen Reformen mit der von ihnen vorausgesetzten Fähigkeit aller Staatsbürger zur Theilnahme an der politischen Thätigkeit abhängt. In den rein katholischen, d. h. romanischen Staaten scheint in der That wenig Hoffnung vorhanden, dass der Culturfortschritt aus dem Kampfe mit dem Katholicismus sobald siegreich hervorgehe; denn einerseits ist die Zahl der für ersteren wirkenden Kämpfer relativ zu klein und ihre Aufgabe, die grosse Masse zur Mündigkeit zu erziehen, zu riesengross; andrerseits sind daselbst wesentlich nur die dem gesunden Evolutionismus gleich schädlichen Extreme des reactionären Ultramontanismus und des demokratischen" Radicalismus vertreten, von denen ersterer sich in dem Irrthum befindet, dass alle Menschen bestimmt seien, auf ewig unmündig zu bleiben, letzterer in dem nicht minder grossen, als ob die Mehrzahl der Bürger, der modernen Staaten schon jetzt mündig und fähig zur Theilnahme, an der Selbstverwaltung sei. Für diese Länder ist das Schwanken zwischen ultramontanem Despotismus und demokratischer Anarchie die natürliche Consequenz der gegebenen Bedingungen. Anders in den germanischen Staaten, wo die Reformation oder doch der von ihr verbreitete Geist und damit das Princip der Selbstbeherrschung im Fortschritt Eingang gefunden. Hier konnte der Katholicismus nur so lange Terrain in seinem grossen Kampfe gegen die Cultur gewinnen, als der Staat sich in Verkennung des totalen Unterschieds romanischer und germanischer Freiheitsbestrebungen zu seinem dienstbaren Büttel hergab; sobald aber der Staat diese falsche Position aufgiebt, steht v. Hartmann, Phân. d. Fittl. Bew.

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