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sind, durch die ganz andere, untergeordnete Frage aus der Stelle gedrängt wurde, wie im einzelnen menschlichen oder auch thierischen Individuum die Vorstellungen empirisch entstehen, und ein Wissen und Erkennen allmählich in zeitlicher Entwicklung heranreift.

Sezen wir diese Mißverständnisse hier bei Seite, und erörtern wir einmal selbständig und von Neuem, ohne uns irgendwie an den Buchstaben Kant's zu binden, einige wesentliche Hauptpunkte der Transscendentalphilosophie.

Die Beit.

Was für ein sonderbares Wesen oder Unwesen ist doch die Zeit! Ein körperloses Gedankending, ein räthselhaftes Ens imaginarium, ein unsichtbares Zwittergeschöpf aus Seiendem und Nichtseiendem gemischt; dabei aber doch so thatsächlich wie wir selbst, die wir, in der Zeit lebend und von ihr beherrscht, gleichfalls Geschehenes mit Geschehendem und Ungeschehenem vermöge der die Gegenwart überdauernden Identität des Ich in Eins vereinigen. Nichts in ihr beständig als der Wechsel; - ein hypostasirtes „πávta þei““.

An der regelmäßigen Umdrehung des gestirnten Himmels, am Aufgang und Untergang der Sonne, am stets wiederkehrenden Mondwechsel, an der unaufhörlichen Aufeinanderfolge von Hell und Dunkel, von Sommer und Winter haben die Menschen von jeher die Zeit erkannt, sie planmäßig in Abschnitte eingetheilt, und den an sich unkörperlichen Ablauf der Zeit gemessen. Tage, Monate, Jahre wurden dem Menschen von dem großen Gange der Natur als Zeiteinheiten dictirt, und sein eigenes leiblich seelisches Leben fügt den Wechsel von Schlaf und Wachen, den Rhythmus der Pulsschläge und Athemzüge, überhaupt gewisse periodisch und tactmäßig sich wiederholende, ja fühlbare Lebensfunctionen hinzu, um hiernach den Tag in noch kleinere Maaßeinheiten einzutheilen. Namentlich sind es die Töne und die Musik, die uns Zeitwahrnehmung und Zeitmaaß aufnöthigen und

ad aures demonstriren, zu welchen sich also der Gehörsinn ähnlich verhält wie das Gesicht zum Raume. Doch auch Taubstumme besitzen deutliches Zeitbewußtsein, so wie andererseits dem Blindgeborenen die Raumvorstellung nicht fehlt. Kalender und Uhr werden schließlich von der Astronomie festgestellt und genau regulirt; und die Astronomie gehört wegen ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der ewigen Weltordnung zu den ältesten, heiligsten, mit Religionsvorstellungen innigst verwachsenen Wissenschaften des Menschengeschlechts. Der Mensch ist ein (@ov dotpovoμixóv.

Solche nun, die, wie etwa Herder in seiner Metakritik, über transscendentalphilosophische Angelegenheiten gänzlich urtheilslos urtheilen, können wohl der Meinung sein, hier liege der empirische, erfahrungsmäßige, inductive, psychogenetische, ja historische Ursprung der Zeitvorstellung offen zu Tage. Aber sie irren sich gründlich, indem durch derartige Erwägungen nicht einmal der psychologische Entstehungsgrund des Zeitbewußtseins beleuchtet, geschweige denn die transscendentalphilosophische Bedeutung der Zeit irgendwie berührt wird. Denn wenn überhaupt Zeitmessung und Zeitbewußtsein empirisch möglich sein soll, so müssen gewisse Vorbedingungen erfüllt sein, ohne welche ein Umlauf der Gestirne, ein Aufgehen und Untergehen der Sonne, ja überhaupt irgendein Wechsel und Geschehen, irgendeine Aufeinanderfolge von Momenten. und Zuständen für uns garnicht existiren könnte.

Wäre der Strom des Geschehens ganz uferlos; gäbe es nichts Festes und Bleibendes in der Welt, woran er vorüberfließt, nichts Beharrendes, womit verglichen ein Ding oder Zustand jetzt noch nicht ist, jetzt daist, und jetzt nicht mehr ist; dann würde überhaupt kein Strömen, kein Geschehen, keine zeitliche Succession, keine Zeit vorhanden sein, ebenso wie im völlig leeren körperlosen Raume fein Unterschied zwischen Ruhe und Bewegung vorhanden ist. Nun wird aber selbst Derjenige, welcher dem Heraklitischen „návτa pe“ im Princip völlig zu

stimmt, also garnichts absolut Beharrliches und wahrhaft Unabänderliches in der Welt annimmt, doch zugeben müssen, daß es etwas relativ Beharrliches, relativ Dauerndes gibt; insofern nämlich, als nicht alle Dinge sich im gleichen Tempo, mit derselben Geschwindigkeit ändern, sondern einige schneller, andere langsamer; wobei denn die langsamer - (bis herab zur Grenze unmerklicher Langsamkeit) sich ändernden Dinge als Maaßstab, Kennzeichen und Index für die Geschwindigkeit der schnelleren, an ihnen vorüberstreichenden Veränderung anderer Dinge be nugt werden können. Der Secundenzeiger bewegt sich auf dem Zifferblatt der Uhr sichtbar vorwärts, während der Minutenzeiger, verglichen mit ihm, stillzustehen scheint; der Minutenzeiger wiederum rückt vorwärts, während, verglichen mit ihm, der Stundenzeiger scheinbar stillsteht. Ein herabfallender Stein oder ein vorbeifliegender Vogel eilt so schnell dahin, daß im Vergleich zu ihm die Sonne am Himmel stillsteht, die Sonne beschreibt ihren Tagesbogen am Himmel so schnell, daß unterdessen das Gras nicht zu wachsen scheint; das Gras wächst und verwelkt so schnell, daß Berg und Thal und die ganze Configuration der Erdoberfläche unveränderlich erscheint; die geologischen Umgestaltungen der Erbrinde vollziehen sich, wenn man von vulkanischen Eruptionen, Erdbeben und ähnlichen Katastrophen plöglicher Art absieht, mit solcher Langsamkeit, daß der einzelne Mensch, ja das ganze Menschengeschlecht direct faum Etwas von ihnen bemerkt und sie nur indirect durch künstliche Schlüsse aus mancherlei Indicien erkennen kann. Dieser Unterschied der Geschwindigkeit des Geschehens also, vermöge dessen etwas relativ Beharrliches, relativ Ruhendes, relativ Unveränderliches sich von schneller Veränderlichem, rascher Bewegtem empirisch unterscheiden läßt, gibt uns die empirischen Indices für die Auffassung des Zeitverlaufs ab und zugleich Maaßstäbe für die Messung der ablaufenden und abgelaufenen Zeit. Gesezt den Fall, es verliefe jedes natür

liche Geschehen mit genau derselben Geschwindigkeit, so würde innerhalb der Natur wenigstens garkein Zeitmaaß vorhanden. sein; der Strom des Geschehens wäre dann eben userlos; und Dasjenige, was wir in unserer menschlichen Ausfassungsweise als zeitliche Succession, als fluxus temporis und als ein lineares Ablaufen der Caujalkette der Weltzustände betrachten, wäre dann, etwa so wie eine logische Schlußkette, ein zeitloser Conditionalzusammenhang. Schnell und Langsam gäbe es dann überhaupt nicht, und, in Ermangelung jedes objectiven Maaßstabes der Geschwindigkeit, käme es genau auf Dasselbe hinaus, ob man den ganzen anfangs- und endlosen Weltproceß als mit unendlicher Langsamkeit, oder als mit unendlicher Geschwindigkeit ablaufend betrachtete. In diesen beiden extremen Grenzfällen aber träte an die Stelle des Geschehens Stillstand. Das, was wir Zeitverlauf, fluxus temporis, nennen, wäre überhaupt eliminirt. Jahre, Jahrhunderte, Zahrtausende würden dann, weil sie entweder in's Endlose auseinandergezogen, oder in einen Punkt zusammengeschrumpft wären, ganz verschwunden sein. Genug, die Welt wäre entzeitlicht. Uebrigens gebe ich gern zu, daß dieser Begriff einer Entzeitlichung des Geschehens für unser anschauendes Borstellungsvermögen kaum vollziehbar ist und auch an unser Abstractionsvermögen eine ziemlich harte Zumuthung stellt. Indessen verweise ich auf mehrere Stellen meiner Analysis der Wirklichkeit; namentlich auf die beiden Kapitel „Ueber subjective, objective und absolute Zeit" (2te und 3te Aufl., S. 87 ff.) und über „Causalität und Zeitfolge“ (2te und 3te Aufl., S. 187 ff.). Dort wird ausführlich dargelegt, daß für Intelligenzen von specifisch verschiedener Perceptions- Geschwindigkeit ein und dieselbe Zeitstrecke, z. B. eine Stunde, oder eine Minute, von ganz verschiedener Länge sein muß; daß daher für solche Intelligenzen die Zeitlänge oder das Zeitquantum sich proportional ihrer Perceptions-Geschwindigkeit vergrößert oder zusammenzieht, ungefähr so wie eine

Raumlinie, jenachdem sie durch concav oder convex geschliffene Glaslinsen betrachtet wird, eine Verkleinerung oder Vergrößerung erfährt; daß der Zeitverlauf sich entsprechend jener subjectiven Perceptionsgeschwindigkeit verlangsamt oder beschleunigt; daß die subjectiven Zeitlinien verschiedenartig organisirter Intelligenzen einander völlig incongruent sind; und daß als Grenzfall dieser von der Perceptions-Geschwindigkeit abhängigen Acceleration oder Retardation des Zeitverlaufs der Fall anzusehen ist, wo für eine absolute, schrankenlose Intelligenz die Scheidewand zwischen apóteρov und Botepov gänzlich hinwegfällt, mithin der gesammte Weltproceß als zeitlose Weltlogif sub specie aeternitatis daliegt. — Wer nun aber, mit dieser völligen Entzeitlichung des Geschehens unzufrieden, noch über den Proceß der geologischen Veränderungen unseres Erdballs, ja über den kosmogonischen Entwicklungsgang des Planetensystems und des ganzen Fixsternsystems zurückgreift, eine schlechthin beharrliche, durch alle Metamorphosen der Natur hindurch unvermehrt und unvermindert hindurchdauernde materielle Substanz als das absolut Feststehende voraussetzt, und nun meint, mit dieser ein für alle Mal feststehenden Substanz verglichen, würde die Reihe der Weltzustände selbst bei durchgängig gleicher Geschwindigkeit alles Geschehens doch in eine zeitlich ablaufende Succession von Früherem und Späterem auseinandergezogen sein; der geht zugleich über die ganze Erfahrung hinaus und fußt auf einer schlechthin überempirischen, transscendenten, empirisch unerreichbaren Idee. Mit einem Worte: innerhalb des Bereichs der Erfahrung ist Zeit und Zeitverlauf nur dann vorhanden, wenn sich nicht alles Geschehen mit derselben Geschwindigkeit vollzieht, sondern Einiges schneller, Anderes langsamer; so daß relativ Ruhendes zu relativ Bewegtem in Contrast treten kann.

Indessen diese ganze Erwägung, gegen deren Evidenz sich faum ein triftiger Einwand erheben läßt, beruht schon auf einer unausgesprochenen Voraussetzung; sie legt stillschweigend Etwas

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