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sandten vor ihm und nach ihm, Mosen selbst mit eingeschlossen; eben so unterschieden Fich unter ihm wiederum seine Apostel von den Propheten des Neuen Testaments, und von den mit der Gabe der Lehre ausgerüsteten Hirten und Aeltesten der Gemeinen. Die Apostel waren es, welche die ganze Zeit über, die der Herr Jesus unter seinem Volke aus und einging, von der Taufe Johannis an bis auf den Tag, da er von ihnen genommen wurde," Augen- und Ohren-Zeugen seiner Reden und Thaten waren; denen es gegeben ward, das Geheimniß des Reiches Gottes zu wissen, während den andern alles durch Gleichnisse widerfuhr (Marc. 4, 11.); denen Jesus, als seinen Freunden, alles kund that, was er von dem Vater gehört hatte (Joh. 15, 15.); und denen er den heiligen Geist sandte, welcher fie in die ganze Wahrheit leitete, und fie erinnerte alles deß, das er ihnen gesagt hatte (Joh. 16, 13. C. 14, 26.). Nicht zu einzelnen Reden, die sie hielten, nicht zu einzelnen Schriften, die sie verfaßten, empfingen fie einen ganz eigenthümlichen, besondern Beyftand des heiligen Geistes; sondern ein für allemal wurde ihnen die Gabe mitgetheilt, welche das gewöhnlie Verhältniß von Sünde und Irrthum auf außerordentliche Weise in ihnen aufhob, und sie, obwohl noch fündige Menschen, zu untrüglichen Lehrern der Juden und der Heiden, und der aus beiden gesammelten Gemeine machte.

So sehr nun aber auch die ganze Lehrthätigkeit der Apostel durchdrungen und geleitet war von dem heiligen Geiste, der unmittelbar, nicht durch andre Menschen, ihnen die Wahrheit tund that: so war es doch auch nothwendig, daß ihr mündliches Wort in Schriften verf wurde, und zwar von ihnen selbst, oder in ihrem unmittelbaren Auftrage. Besäßen wir nicht eine untrügliche Kunde von dem Leben Jesu auf Erden, hätten wir nicht, ohne die tausendfältige, trübende Vermittelung von sündhaften, irrenden Menschen, die Lehre der Apostel selbst in ihren Schriften noch vor uns: so würde es eine Offenbarung geben, die nicht offenbar wäre, einen Reinigungsquell, der von den Unreinen erst gereinigt werden müßte; Gott hätte uns mit der Einen Hand gegeben, mit der andern wieder genommen; was sich selbst widerspricht. Und sind diese Schriften auch noch so sehr gelegentlich ents ftanden, und zunächst für gewisse Kreise von Lesern, oder gar für einzelne Personen, bestimmt gewesen: in ihnen muß der Keim zu der ganzen vollen Heilswahrheit enthalten seyn, an ibrer Richtschnur muß sich schlechterdings alle Lehre prüfen lassen. Denn bedürften sie an fich selbst irgend einer Nachhülfe von Außen, irgend einer Bestätigung oder Ergänzung: so hieße das nichts anders, als, das Größere müßte von dem Geringeren gesegnet, ja, die Sonne durch die Erde erleuchtet werden. Daß aber die ewige Wahrheit in einer Schrift an den Theophilus, und in gelegentlich entstandenen Briefen an die Galater und den Tis motheus, und ähnlichen, enthalten seyn sollte, das widerspricht ihrem Wesen so wenig, als daß das Heil von den Juden, und da die Zeit erfüllet war," gekommen ist. Und daß der lebendige Keim aller Wahrheit, die Regel und Richtschnur zur Prüfung aller Lehre, in diesen wenigen Schriften enthalten ist, das ist eben so natürlich, und eben so wunderbar, als daß das Himmelreich gleich ist einem Senfforn, welches das kleinste ist unter allen Sas men, wenn es aber erwächst, ein Baum wird, daß die Vögel unter dem Himmel kommen, und wohnen zwischen seinen Zweigen.

Doch die Ueberlieferung dieses geschriebenen Wortes ist Händen fündiger und irrender Menschen anvertraut worden; und darum haben, theils über den Umfang des geschriebenen göttlichen Wortes, theils über einzelne Stellen in demselben innerhalb der Kirche des Herrn, zu allen Zeiten größere oder geringere Abweichungen der Meinungen stattgefunden. Allein jeder neu erhobene Zweifel gegen die Echtheit einzelner Stücke des Neuen Testaments, so wie jede neue Untersuchung der verschiedenen Lesarten, die sich bey einzelnen Stellen in den so außerordentlich zahlreichen Handschriften der Bibel befinden, haben nur dazu gedient, den bey weitem größten Theil dieser Schriften in seiner Echtheit völlig zu bewähren, und die Abweichung der Ansichten auch von dem Uebrigen unter allen besonnenen Forschern als äußerst geringfügig darzustellen.

Es ist bekannt, daß in der ersten Zeit des Christenthums das Wort Gottes mit großer Schnelligkeit über die ganze damalige gesittete Welt hin lief. Schon die Apostelge schichte zeigt uns, wie, über Judäa, Samaria, und Galiläa weit hinaus, das Evane gelium fich nach Syrien und Aethiopien, nach Klein Asien, Macedonien, IlIgricum und Griechenland, ja nach Rom hin verbreitete; und sichere Nachrichten aus der ältesten Zeit lassen es nicht bezweifeln, daß schon in, oder bald nach dieser Zeit auch Aegypten, das nördliche Afrika, Spanien und Gallien mit der Botschaft

von Chrifto erfüllt wurden. Kein Band eines gemeinschaftlichen äußeren Kirchenregiments hielt alle diese Gemeinen zusammen; ja, selbst der Gebrauch der Lateinischen, Griechischen und Aramäischen Sprache trennte sie. Nun finden wir aber, daß noch nicht hundert Jahre nach dem Tode der Apostel die chriftlichen Gemeinen in Aegypten, in Syrien, in Klein Asien, in Rom und in Nord-Afrika, viele mit ausdrücklicher Berufung auf die Orte und die Bischöfe, welche die Apostel selbst noch gekannt hatten, einig waren in der Annahme unserer vier Evangelien, der Apostelgeschichte, von dreyzehn Briefen des Paulus, dem ersten Briefe des Petrus und Johannes; und die in der ganzen Kirche sonst einstimmig angenommene Offenbarung Johannis allein in der alten Sp rischen Ueberseßung fehlte. Bedenken fanden sich eigentlich nur über den Brief an die Hebräer, ob er von Paulus herrühre oder nicht, in der Römischen und Afrikanischen Kirche; über den zweyten Brief Petri, der sehr vielen Gemeinen unbekannt gewesen zu seyn scheint; über den Brief Jacobi und Judä. Ja selbst die Secten außerhalb der Kirche, welche einige der sonst allgemein als echt angenommenen Bücher anzweifelten, thaten es nicht darum, weil sie deren apostolischen Ursprung geleugnet hätten; sondern weil ihnen das Ansehen, entweder des Paulus, wegen seiner Freyheit, oder der andern Apostel, wegen ihrer Befangenheit, zweifelhaft schien. Da sie aber auch die Schriften, welche sie für echt hielten, nach Gutdünken verstümmelten, so kann das Fehlen von einigen Schriften auch der Apostel, die unter ihnen anerkannt waren, kein Gewicht haben. Selbst aber für die frühe Annahme fener drey innerhalb der rechtgläubigen Kirche bezweifelten Stücke sprechen sehr alte Zeugnisse; und es scheinen vielmehr Bedenken gegen ihren Inhalt die Ursach gewesen zu seyn, daß sie nicht allgemein als apostolisch sich geltend machten: wider den Brief Jacobi, wegen seines vermeintlichen Widerspruchs gegen die Briefe Pauli; wider den zweyten Brief Petri, wegen der Verschiedenheit der Schreibart, die er im Verhältniß zu dem ersten zeigte; wider den Brief Judä wegen einiger auffallenden Stellen darin. Grade wie später, nachdem die Offenbarung Johannis schon fast 200 Jahre lang allgemein, und zwar grade in den Gemeinen, welchen sie zunächst zugeschrieben ist, aner Fannt gewesen war, solche Kirchenlehrer, denen vieles in ihrem Inhalte nicht zusagte, Zweifel gegen fie erhoben; deren Gewicht dann aber auch wegen ihres Alterthums durchaus nicht größer ist, als das eines heutigen Gelehrten.

In der That ist aber auch zunächst das Unterschieben solcher Schriften, wie wir fie in den Briefen Pauli, dem ersten Briefe Petri und der Offenbarung Johannis befizen, fast undenkbar. Sie find an sehr zahlreiche Gemeinen, zum Theil in den Haupts ftädten der alten Welt, gerichtet; und diese Gemeinen hatten die Apostel Paulns und Jos hannes selbst gekannt und lange in ihrer Mitte gehabt, mit Petrus, einem der Hauptapostel, aber gewiß in lebendiger Verbindung gestanden; wann und von wo aus hätte da die Schrift eines fremden Verfassers unter ihnen sich Geltung verschaffen können? Während der Lebzeit der Apostel gewiß nicht, da der Betrug so leicht hätte entdeckt werden können; nach ihrem Lode, von außen her, gewiß noch weniger, indem doch keine andre Gemeine einen Brief eher hätte befizen können, als die, an welche er gerichtet worden; in der Mitte der Gemeine selbst aber hätte diese Betrügerey (auch wenn, was doch nicht denkbar ist, fie von allen gemeinschaftlich veranstaltet worden wäre) wegen der schon frühen Verbreitung der Schrift an andre Gemeinen keinen Glauben finden können. Aber auch auf die vier Briefe Pauli, die an einzelne Männer gerichtet sind, findet dies Anwendung. Auf den an Philemon, denn er war ein Gemeinebeamter in Colossä; auf die an Ti motheus und Titus, weil fie offenbar, wie ihr Inhalt zeigt, nicht für fie persönlich allein bestimmt waren, sondern ihnen zur Richtschnur und zur Beglaubigung ihres Verfah rens in großen christlichen Gemeinen dienen sollten. Nicht ein einziger Zweifel gegen dies selben wird uns aus dem Alterthum berichtet; aber aus Klein Asien grade, nach dessen Hauptstadt hin der erste an Timotheus gerichtet ist, kommt das älteste Zeugniß für diesen Brief uns entgegen; und er ist der einzige, gegen den, wegen seines Inhalts, bedeutendere Zweifel erhoben worden find. Für die Evangelien und die Apostelgeschichte sprechen 'diese Gründe aber fast eben so stark. Aus der ältesten Zeit, die an das apostos lische Zeitalter unmittelbar gränzt, haben wir Nachrichten von ihrer Anerkennung; und zum Theil wieder aus den Gegenden, wo die Apostel selbst gelebt hatten, zum Theil aus nahe daran angränzenden. Dagegen befizen wir größere oder kleinere Bruchstücke von vielen so genannten apocryphischen Evangelien; und kein einziges derselben hat sich eine auch

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nur einigermaßen ähnliche Anerkennung zu verschaffen gewußt. Abgesehen von ihrem In baltefie berichten, außer einigen, sehr wenigen Aussprüchen Jesu, die vielleicht unents fellt durch die mündliche Ueberlieferung gegangen find, fast nur abgeschmackte, abentheuerliche Wundergeschichten, welche das schöne Bild des Heilandes widerlich entstellen finden wir sie nur in einzeln stehenden Secten, die entweder, starr an der Beobachtung des Jü dischen Geseßes hangend, mit den Heidengemeinen nie zu einem Ganzen sich vereinigen konn ten, oder eine chriftliche Wahrheit einseitig aufgriffen, dem Bekenntniß der Kirche entgegen stellten, und damit zu mehr oder minder gefährlichen Irrthümern ausbildeten.

Alle Gründe, welche gegen die Echtheit der Schriften des N. T. aufgestellt worden, find eigentlich von dem Inhalt derselben hergenommen. Der Hauptgrund gegen die Echt beit der Evangelien und die Glaubwürdigkeit ihrer Geschichte bleibt immer der, daß ein Wunder etwas Undenkbares sey; daß eben darum Gott dem menschlichen Geschlechte nicht also, wie dies Buch bezeuget, habe helfen können, vielmehr die Menschheit selbst ihr eigner Gott und Erlöser sey. Dieser Grund kleidet sich dann bey vielen in das Gewand von Bedenken, die aus den zahlreichen, unauflöslichen Widersprüchen der Bücher der h. Schrift herrühren sollen. Und somit ist es recht eigentlich die Aufgabe der Diener des Wortes, welche die Gnade empfangen haben daran zu glauben, durch immer tieferes Graben in ihren Schäßen, durch immer genauere Bekanntschaft mit ihrem unerschöpflichen Inhalt, durch immer sorgsamere Entwicklung ihrer mannichfaltigen Einheit, die Nothwendigkeit einer solchen Erlösung, wie sie uns bietet, und Licht und Ordnung aus ihr selbst auch da nachzuweisen, wo dem natürlichen Blicke nichts als Dunkel und Verwirrung, als blinder Zufall und un auflöslicher Widerstreit erscheint. Zu diesem thatsächlichen, selbstredenden Beweise, nicht für die Wahrheit, sondern der Wahrheit für sich selbst, möchte auch das hier vorliegende Buch gern einen kleinen Beytrag liefern.

Außer diesen verschiednen Ansichten über die Echtheit der apostolischen Schriften find nun aber auch noch einzelne Stellen derselben in verschiednen Handschriften verschieden auf uns gefommen; es sind verschiedne Lesarten in großer Menge darin vorhanden. Ueber diese Erscheinung selbst kann sich niemand wundern, der da bedenkt, daß diese Schrif ten 14 Jahrhunderte lang vor Erfindung der Buchdruckerkunft bloß durch Abschreiber find vervielfältigt worden. Gott, der sich offenbaret denen, die ihn suchen, und verbirgt denen, die ihn versuchen, wollte seine Gemeine damit prüfen, daß er Erdenstaub auch an die Bilder des Heiligsten sich ansezen ließ. Aber wohl muß es mit Erstaunen jeden Sachkundigen erfüllen, wenn er fieht, wie, nach Vergleichung von vielen Hunderten von Handschriften, des Griechischen Textes und der alten Ueberseßungen, in diesen meist von ungebildeten, ge ringen Leuten geschriebnen und von eben solchen anfangs überlieferten Schriften eine vers hältnißmäßig so kleine Anzahl von verschiednen Lesarten, die nur irgend auf den Sinn einen bedeutenderen Einfluß hätte, sich vorfindet. Auch der zweifelsüchtigste Forscher, der in jedem Falle, wo es auf größere oder geringere Wahrscheinlichkeit ankommt, wider die von der christlichen Kirche anerkannte Wahrheit entschiede, würde im N. T. nur etwa sechs Stellen nachweisen können, wo verschiedne Lesarten den in den meisten christlichen Kirchen angenommenen Text dem Sinne nach wesentlich verändern. Und auch in den Worten, wo es am auffallendsten geschieht, 1 Joh. 5, 7., ist ein Lehrsaß enthalten, der an diesem Orte keine recht passende Stelle hat; an mehreren andern aber, fa in dem ganzen Zusam menhang der Bibellehre, auf's klarste ausgesprochen ist. Der Fleiß und die Mühe indeß, die auf die Sammlung der Lesarten und die Erforschung der richtigen unter ihnen ge wandt worden sind, ist keinesweges zu verachten; je mehr wir uns, auch in Kleinigkeiten, dem wahren apostolischen Ausdruck nähern, desto heller tritt uns der Sinn der göttlichen Wahrheit entgegen; und es find daher in den Anmerkungen dieses Werkes dergleichen nach den sichersten Forschungen unsern Text berichtigende Lesarten, wenn sie nicht zu unwichtig find, immer angegeben worden.

Unter den Schriften des Neuen Testaments stehen die vier Evangelien, und unter diesen wieder drey Schriften vornan, welche, wie jeder Bibelleser weiß, eine große Berwandtschaft unter einander haben. Verseßen wir uns ganz in die erste Zeit der Vers kündigung des Christenthums: so können wir uns nicht denken, daß die Geschichte Jesu gleich anfangs aufgeschrieben wurde. So lange die Augenzeugen da waren, welche die Ers eignisse seit der Taufe Johannis größtentheils mit erlebt hatten, war kein Grund vorhan den, warum man eine Schrift, auch wenn die Apostel selbst sie verfaßt hatten, ihrem

lebendigen mündlichen Worte hätte vorziehen sollen. Diese Predigt der Augenzeugen in den Gemeinen bildete daher das frühste mündliche Evangelium. Sehr nahe lag es nun hieben, daß die ersten Evangelisten, auch ohne daß sie einer Verabredung oder einer schrifts lichen Anweisung folgten, ihre Erzählungen an einen gemeinsamen Faden anreiheten. Jesus ift der verheißene Messias; das hat er bewiesen von seinem ersten Auftreten an, während feines ganzen Wandels auf Erden. Der Vorläufer ging ihm in Geist und Kraft des Elias voran; er empfing den heiligen Geist ohne Maß; er ward, wie Adam im Paradise, vom Teufel versucht, doch ohne Sünde, er zog umher, verkündete die Nähe des Reiches Gottes, und that wohl, und machte gesund alle, die vom Teufel überwältigt waren; die Blinden sahen, die Lahmen gingen, die Aussäßigen wurden rein, die Todten standen auf; er verkündigte feierlich das Gesez des Neuen Bundes; er that seinen Mund auf in Gleich nissen; war sanftmüthig und von Herzen demüthig; sein Volk sahe ihn, doch da war keine Gestalt, die ihnen gefallen hätte; aber mitten in der Niedrigkeit ward er durch die wunders bare Verklärung auf dem Berge und durch Stimmen vom Himmel beglaubigt, als der Sohn, an welchem der Vater sein Wohlgefallen hatte; bis endlich auch das an ihm erfüllt wurde, daß er unter die Uebelthäter gerechnet, und schmählich getödtet ward; aber der, welcher nicht zugab, daß sein Heiliger die Verwesung sah, erweckte ihn wieder aus dem Grabe und erhöhete ihn zu seiner Rechten." Diese Reihenfolge von Erzählungen sehen wir, ihren ersten Grundzügen nach, schon zu Anfange der Apostelgeschichte in den Predigten vor den Juden; aber weit genauer mußte fie sich ausbilden in den Gemeinen der Chriften, wo die Apostel so viel mehr erzählen konnten. Als nun, etwas mehr als 20 Jahre nach Jesu Himmelfahrt, manche der Augenzeugen gestorben, oder in andre Länder gezogen waren; als bey der mündlichen Ueberlieferung unechte Zusäße an die Erzählungen der Apostel ans gehängt wurden; als auch wohl Irrlehrer auftraten, die von solchen verfälschten Geschichten Gebrauch machten: da wurde es Bedürfniß, daß die Apostel felbft schrieben, oder, was sie verkündigten, durch ihre Schüler aufzeichnen ließen.

Auf diese Weise entstanden zuerst die Evangelien des Matthäus, des Marcus und des Lucas; fie folgen im Ganzen dem Gange, welchen die Ueberlieferung in den Gemeinen genommen hatte, wie sie von den Aposteln, und namentlich auch von Matthäus selbst, ausgegangen war; daher trifft die Erzählung nicht nur bey einigen Hauptbegeben. heiten, sondern ganze Abschnitte hindurch zusammen, und in Jesu Reden wird die Ueber einstimmung oft wörtlich. Nachdem alle diese Evangelien längst geschrieben und in den Gemeinen verbreitet waren, fühlte Johannes zulezt noch vom Geiste sich gedrungen, ein viertes Evangelium hinzuzufügen; nicht, um Capitel für Capitel die anderen zu ers gänzen, sondern, indem er die Hauptsachen überging, welche ohnehin schon, theils mündlich, theils schriftlich, in den chriftlichen Gemeinen vorgetragen wurden, zugleich aber das in seiner Seele zurückgebliebene, vom heiligen Geißte stets frisch erhaltene Bild des Heilandes wie aus dem Urquelle Gottes heraus noch einmal darstellte.

Die alte Kirche nannte diese vier Schriften „das Evangelium nach Matthäus, nach Marcus, nach Lucas, nach Johannes,“ d. h. das Eine Evangelium nach der Erzählung dieser rier Männer Gottes, weil sie vorzugsweise auf die Einheit derselben sah. Doch war es auch sehr wichtig, daß der h. Geist vier Männer erweckte, Jesu Geschichte zu schreiben. Jeder dieser vier Evangelisten schreibt nach einem besondern Plan und für andre Leser; jedem dieser heiligen Geschichtschreiber waren andre Dinge aus den Reden und Thaten Jesu vorzüglich wichtig; wie es aber nur ein Christus ist, den fie uns vor Augen stellen, so erscheint sein Bild in dieser Mannichfaltigkeit desto herrlicher. Unter den vier Evan gelisten befinden sich zwey Apostel, Matthäus und Johannes; und zwey nahe und vertraute Schüler von Aposteln, Marcus von Petrus, Lucas von Paulus. Das erste Evangelium war vorzugsweise für Christen aus den Juden geschrieben; das zweyte theilt die Haupts ereignisse des ersten und einiges andre in, solcher Form mit, wie es den Christen aus den Heilen verständlicher seyn konnte; das dritte ist vornehmlich für Chriften aus den Heiden bestimmt; und das vierte, obwohl unter Griechischen Christen geschrieben, wendet sich an keine bestimmte Klasse von Lesern, sondern an die damals, nach der Zerstörung von Jerusalem, schon zu Einem Ganzen verbundue Gemeine des Herrn.

In Beziehung auf die Verschiedenheiten in der Erzählung der vier Evangelisten ist nun zuvörderft wohl zu bemerken, daß man es für keine Abweichung zu halten habe, wenn der selbe Ausspruch Jesu von dem einen Evangelisten bey dieser, von dem andern bey einer

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andern Gelegenheit erwähnt wird; denn unleugbar hat Chriftus mehrere Sinnsprüche und Reden öfters wiederholt und verschieden gewandt, wie sich aus einem und dem selben Evans gelium ergiebt (vgl. z. B. Matth. 5, 30. C. 18, 9. C. 7, 18. C. 12, 33. C. Luc. 9, 23. C. 14, 27. C. 8, 16. C. 11, 33. 9, 13. C. 18, 11. C. 9, 26. 6. 12, 8. Joh. 7, 34. C. 8, 21. C. 13, 33. und viele andre St.). Aus folchen verschiednen Verbindungen, in denen der selbe Ausspruch vorkommt, läßt sich die bewunderns würdige Tiefe und Vielseitigkeit des göttlichen Wortes erkennen. Wenn ein irdischer Werkmeister ein Geräth macht, oder ein Haus baut, so geht es aus dem Willen eines einzelnen Seschöpfes hervor, und hat einen bestimmten, einzelnen Zweck; darum muß er es nach ges wissen Regeln und Maßen fertigen, wie sie sein Verstand zuvor berechnet hat. Wie viel anders ist es schon bey Gottes sichtbarer Schöpfung! Der Mensch entdeckte, daß die Erde eine Kugel sey; aber abgesehen von den Unebenheiten ihrer Oberfläche, zeigte die genauere Forschung, daß fie an den Polen abgeplattet, um den Aequator erhaben sey; und die noch genauere, daß die südliche Halbkugel nicht der nördlichen, ja, daß kein einziger Grad dem andern gleich sey. Wenn der Allmächtige schafft, so gehört jedes seiner Werke der ganzen Schöpfung an; jede entdeckte Regel zeigt uns wieder eine Abweichung, die auf eine höhere Uebereinstimmung hinweist. Eben so ist es, wenn der Allmächtige redet. Wir Menschen reden in einer einzelnen, bestimmten Absicht; die Worte des Herrn aber können die größte Bestimmtheit mit der völligsten Allgemeinheit verbinden, welche über jede zeitliche Gränze fie erhebt. Sie find den Regentropfen gleich, welche, den selben Lichtstrahl fiebenfarbig abspiegelnd, den Bogen des Friedens bilden, der Himmel und Erde vereinigt; oder den vielseitig geschliffenen Edelsteinen, die, wohin man sie auch wende, das selbe Sonnenbild in immer neuer Schönheit entgegenstrahlen. Wie aber diese mannichfaltige Verbindung die Aussprüche Jesu in ihrer Vieldeutigkeit und vielseitigen Anwendbarkeit zeigt: so dient fie auch wieder dazu, auf die Einheit der göttlichen Wahrheit den Blick zurückzuwenden. Die große Einheit der Offenbarung konnte den Jüngern Jesu nicht sogleich, und fann auch uns nicht ohne tieferes Forschen in der Schrift klar werden. Nun bilden aber die selben Aussprüche Jesu durch ihre Verbindung mit verschiednen Ereignissen oder Reden in dem selben oder in mehreren Evangelien eine bewundernswürdige Verflechtung der göttlichen Wahrheiten, die selbst dem Gefühle schon ihre Einheit eindrücklich macht, und viel zur gegenseitigen Erläuterung ihres Sinnes beyträgt (vgl. z. B. Matth. 10, 19-22. C. 24, 13. Marc. 13, 12. 13. Luc. 12, 11. 12. Matth. 10, 26-35. Luc. 12, 1-9. 51-53. Matth. 10, 42. Marc. 9, 41. Matth. 6, 22. 23. Luc. 11, 34-36. Matth. Matth. 10, 24. Joh. 13, 16. 9, 24. Joh. 11, 11. Matth. 10, 40. Luc. 9, 48. Matth. 5, 13. Marc. 9, 50. C. 10, 16. Joh. 13, 20. Matth. 18, 6. 7. Luc. 17, 1. 2. 26. 26.). Was ferner die abweichenden Anführungen der Reden Jesu betrifft, auch an solchen Stellen, welche deutlich zeigen, daß jeder Evangelist den selben Vorfall meint: so sehen wir daraus, wie die Fülle des göttlichen Lichtes, das sie enthielten, nicht von jedem, der fie auffaßte, ganz begriffen wurde; darum zeigt sie jeder Evangelist uns von einer etwas verschiedenen Seite. Vgl. z. B. den Anfang der Bergpredigt bey Matth. (C. 5.) und Luc. (6, 17. ff.), vicles in der Strafrede an die Pharifüer Matth. 23. und Eue 11, 39. ff. 2c. 2c. Hier leistet uns die göttliche Eingebung der h. Schrift, die Noth wendigkeit, daß eine Offenbarung Gottes an fich offenbar seyn müsse, nicht aber voll un durchdringlichen Dunkels seyn könne, dafür Gewähr, daß jeder heilige Schriftsteller in allem Wesentlichen richtig auffaßte und darstellte, daß kein Wort und keine That Jesu ihrem Sinne nach entstellt auf uns gekommen ist, wenn gleich es nicht immer möglich ist, auszus machen, was Jesus buchstäblich, in jedem einzelnen Falle, gesagt habe. Und je mehr wir dem Worte glauben, desto herrlicher spiegelt sich uns des Herrn Klarheit in dieser Mannichfaltigkeit ab.

c.

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Man hat die Verschiedenheit der Evangelien durch so genannte Harmonien auszu gleichen, und damit zugleich einen ununterbrochenen Faden evangelischer Geschichte zu bilden gesucht. Der tiefere Schriftforscher wird aber alle dergleichen Versuche nicht recht bes friedigend, und wollen fie gar durch Zusammensetzung der Worte Jesu aus allen vier Evangeliften ein Ganzes erzwingen, sogar störend finden. In der nachfolgenden Erklärung find die neben einander laufenden Abschnitte stets angegeben, und zugleich hie und da be merkt, wie einzelne Geschichten sich zu einander verhalten. Wenn man nun bey der Lesung der Geschichte des Herrn ein Evangelium zu Grunde legt, und fene parallelen Abschnitte Bets damit vergleicht, wird man gewiß einen wahreren Eindruck von der selben erhalten,

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