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als wenn man Reden und Erzählungen aus dem lebendigen Zusammenhange reißt, in welchem sie gewöhnlich bey jedem Evangelisten stehen. Auf die Zeitfolge namentlich scheint keiner der drey ersten Evangelisten immerdar ein scharfes Augenmerk gerichtet zu haben. Nicht bloß Matthäus, auch Marcus und Lucas scheinen oft Begebenheiten wegen ihrer Gleichartigkeit, oder weil sie in ihrer schriftlichen oder mündlichen Quelle sich zusammens gestellt fanden, in eines verbunden zu haben. Dadurch bekommt denn jede Erzählung in jedem Evangelium eine zwar verschiedne, doch aber richtige Stellung. So erwähnt Lucas der Gefangennehmung des Johannes C. 3, 19. zu einer Zeit, wo sie noch nicht geschehen war, bloß um die Geschichte dieses Vorläufers des Herrn hier zu beschließen; so stellt er C. 4. die einzelnen Ereignisse in der Versuchungsgeschichte nicht in der Ordnung dar, wie fie vorfielen (in dieser hat fie Matthäus C. 4.), sondern stellt zusammen, was Christo allein in der Wüste, und was ihm auf dem Tempel begegnete. Nichts kann hier unbes gründeter seyn, als die Behauptung, daß nur der eine Evangelist recht berichtet habe; denn nicht bloß eine Erzählung nach der Zeitfolge ist eine richtige, sondern eben so wohl auch eine, die das Gleichartige zusammenfaßt; und auch da, wo eine solche Absicht nicht stattfindet, können Zwischenereignisse und Umstände, die wir nicht kennen, die scheinbaren Widersprüche ausgleichen. Die Erfahrung hat bereits bewiesen, daß in vielen Fällen dem treueren und tieferen Forschen solche Ausgleichungen sich darbieten, wo der Unglaube und die Zweifelsucht in's Endlose trennen und spalten. Nichts desto weniger wird man auf kleine Abweichungen der Evangelisten, bey ihrer genaueren Vergleichung, stoßen. Diese find denen ähnlich, welche wir im ganzen Neuen Testament bey der Anführung von Stellen aus dem Alten antreffen. Bey weitem am häufigsten wird die damals gangbare Griechische Uebersehung der 70 Dollmetscher angeführt, obwohl andre Stellen zeigen, wie deutlich zus gleich der Hebräische Grundtert den Aposteln vorschwebte. Hier sollen die Abweichungen bestimmt darauf hinweisen, daß in der Beziehung, in welcher die Stelle angeführt ist, fene Verschiedenheit gleichgültig sey. So wollen die Evangelisten durch kleine Abweichungen in Zeitfolge und Anordnung uns sagen, daß fie selbst, und der durch sie redende heilige Geist auf dergleichen keinen Werth gelegt habe; daß wir uns mit der annähernden Ausgleichung der Verschiedenheiten wohl beschäftigen dürfen; aber auf jene völlige äußere Abrundung und Glätte, welche buchstäblich Harmonie gewährt, verzichten müssen.

Das erste Evangelium hat der frühere Zöllner, nachherige Apostel Matthaus, auch Levi genannt, geschrieben, der C. 9, 9. ff. (vgl. Marc. 2, 13. ff. Luc. 5, 27. ff., die Geschichte seiner Berufung erzählt. Von seinem ferneren Leben wissen wir, außer dem, was ihm mit den andern Aposteln zugleich begegnete, weiter nichts, als daß er lange Zeit im Jüdischen Lande das Evangelium verkündigte; nachher soll er sein Vaterland verlassen haben und zu andern Völkern gezogen seyn. Die Nachricht, daß er sein Evangelium ursprünglich Hebräisch (oder vielmehr Aramäisch, in der damaligen Landessprache von Palästina) geschrieben, und es später erst von andern in's Griechische überseßt worden sey, ist sehr unwahrscheinlich; wir haben gewiß noch jest das Werk des Matthäus in Griechischer Sprache vor uns, und ein demselben sehr ähnliches Aramäisches Evangelium, das die alte Kirche besaß, war nur eine mit vielen Zusägen (welche die reiche Ueberlieferung in Palästina dars bot) angefüllte, und zum großen Theil verunstaltete Ueberseßung des unsrigen. Denn unter den Juden in Palästina, besonders unter den etwas gebildeteren, welche Bücher lasen, war die Griechische Sprache damals sehr verbreitet, auch Christus hatte wahrscheinlich zuweilen fie gesprochen (Matth. 15, 22. ff. Vgl. Marc. 7, 24. Joh. 12, 20. ff.), und es herrschte noch nicht der Haß gegen dieselbe, welchen später die Juden faßten. Alle Nachrichten der alten Kirche über ein ursprünglich Hebräisches Evangelium Matthäi rühren von dem Bischofe Papias von Hierapolis in Klein Asien (zu Anfang des 2. Jahrh.) her, der wahrscheinlich nur deshalb glaubte, Matthäus habe Hebräisch geschrieben, weil er irriger Weise fich dachte, in Palästina habe man kein Griechisch verstanden; und dessen Nachricht von einer Hebräischen Urschrift des Matthäus durch seinen eigenen Zusaß ganz unzuvers lässig wird: „es habe jeder, wie er gekonnt habe, sie überseßt,“ da in der alten Kirche nicht die leiseste Spur von einem andern Griechischen Matthäus, als dem unsrigen, sich findet. Das Buch beginnt mit der Erzählung einiger Umstände der Geburts- und Kindheitsgeschichte Jesu; diese aber, welche an die Person des Joseph sich anschließen (s. C. 1, 19. 20. C. 2, 13. 19.), und daher wohl von ihm überliefert sind, werden alle nur in der nächsten Verbindung mit Weissagungen des A. T. und als deren Erfüllung erzählt;

daher man hier keine zusammenhangende Geschichte, wie in den beiden ersten Capiteln des Lucas, zu suchen hat. Erst von dem Auftreten Johannes des Täufers an folgt eine eigents liche Erzählung, mit häufig wiederkehrenden Andeutungen, wie die Weissagungen des A. T. erfüllt worden seyen; in dieser zeigen die sehr genau innerlich verbundenen längeren Reden, vorzüglich die Bergpredigt, ganz besonders einen Apostel und Augenzeugen als Verfasser. Die menschliche Seite des Heilandes, sein Charakter als der wahre Messias, der mit dem Geiste des Herrn Gesalbte, seine unbefleckte Reinheit und Heiligkeit, Sanftmuth und Demuth, sein wunderthätiges, heilbringendes, in Knechtsgestalt erhabnes Erlöseramt, und das Gefeß der Freyheit, in welches er die Gebote des Alten Testaments verklärt, und das er als sanftes Joch den Seinigen hienieden auflegt, zur Sinnesänderung, Entsagung, Erneuerung und Vollendung; das tritt uns aus diesem ersten Evangelium vorzugs weise entgegen. Das Buch enthält, weil es für Judenchristen geschrieben war, so bes sonders viel von der Bekämpfung der Pharisäer und Schriftgelehrten, wovon manches bey den andern, namentlich bey Lucas, fehlt; Jüdische Sitten und Gebräuche werden darin nicht erläutert; Gerüchte werden erwähnt, welche sich bis auf diesen Tag" unter den Juden erhalten haben. Der lezte Umstand zeigt auch, daß die Schrift vor dem Jahre 67, wo der Jüdische Krieg ausbrach und die Ueberlieferung gehemmt wurde, geschrieben seyn müsse. Genauere Bestimmungen der Zeit seiner Abfassung beruhen auf ganz unsicheren oder leeren Vermuthungen.

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Der Evangelist Marcus, der neben diesem Lateinischen auch den Jüdischen Namen Johannes hatte, war ein Jude aus Jerusalem, wo seine Mutter Maria ein Haus besaß (Apg. 12, 12.), ein Vetter des Barnabas (Col. 4, 10.), und wahrscheinlich durch den Apostel Petrus zum Christenthum bekehrt worden (1 Petr. 5, 13.). Er zog auf der ersten Missionsreise des Paulus und Barnabas als deren Gehülfe mit (Apg. 13, 5.), verließ beide aber, wohl aus Glaubensschwäche, zu Perge (C. 13, 13.); und weil Paulus des halb auf der zweyten Missionsreise ihn nicht mitnehmen wollte, ging er mit Barnabas nach Cypern (C. 15, 37.). Späterhin muß er aber seinen Fehltritt eingesehen, und mit dem Apostel sich wieder vereinigt haben; denn wir finden ihn als seinen treuen, von ihm geschäßten Gehülfen während seiner doppelten Römischen Gefangenschaft, bis gegen seinen Tod hin (Col. 4, 10. Philem. 24. 2 Tim. 4, 11.). Eine alte Nachricht, aus dem Anfange des zweyten Jahrhunderts, nennt ihn den Dollmetscher, oder Ausleger, des Petrus; auch diesem half er daher wohl lange Zeit bey der Verkündigung des Evangeliums, vor und nach der Zeit, wo wir ihn bey Paulus finden. Während nun Petrus zu Rom das Evangelium predigte, foll Marcus, nach sehr alten Nachrichten, aus dieses Apostels Erzählungen sein Evangelium aufgezeichnet haben. Es ist aber wahrscheinlich, daß sowohl Matthäus als Lucas damals die ihrigen bereits geschrieben hatten; Marcus kannte beide, und benußte fie frey, wie sie ihm durch Anhören oder Lesen im Gedächtniß geblieben waren, und mit den Geschichten, die er selbst den Apostel Petrus hatte vortragen hören, zu einem Ganzen fich verbunden hatten. Bemerkenswerth ist, daß er C. 8, 29. die in der Parallelftelle des Matth. vorkommende ehrende Anrede des Herrn an Petrus wegläßt, obwohl er den Beweis der Glaubensschwäche des Petrus, der gleich darauf folgt, hinzufügt, den Lucas doch nicht erwähnt; ferner daß er die Verleugnungsgeschichte des Petrus mit einer genaueren, und zwar erschwerenden Angabe (C. 14, 30. 68.) berichtet; so wie er C. 14, 37. auch die nähere Beziehung der strafenden Anrede Jesu auf Petrus hervorhebt, welcher dann wieder der eigenthümliche Zug der göttlichen Barmherzigkeit E. 16, 7. entspricht. Marcus stelli großentheils blos die Begebenheiten zusammen, welche er ausführlicher als die andern, und mit Hinzufügung einer Menge kleiner, die Vorfälle auschaulich machender Umstände erzählt, daher jeder Bibelleser ihn stets mit den andern sorgfältig vergleichen sollte; die längeren Reden läßt er gewöhnlich weg. Das Bild des Handelns Jesu auf Erden ist es daher, was uns in diesem Evangelium besonders in einem kräftigen, lebendigen, gedrängten Bilde vor die Augen tritt; wir sollen aus diesem Evangelium vorzüglich die Thaten Jesu als redende Zeugnisse ansehen lernen. Da er zu Rom schrieb, so fügt er Erläuterungen der Jüdischen Sitten, wo sie erwähnt werden, hinzu. Wenn Petrus und Paulus zu Ende des Regierung des Kaisers Nero, etwa 67 oder 68, zu Rom hingerichtet wurden, so fällt die Abfassung des Evangeliums in die Zeit, welche nahe vorherging. In der späteren Zeit seines Lebens soll Marcus zu Alexandrien in Aegypten thätig gewesen, und der erste christliche Bischof daselbst geworden seyn.

v. Gerlach. N. Teftam. 1. Bd. 7. Aufl.

B

Lucas (ein wahrscheinlich aus Lucanus abgekürzter Römischer Name), ein (Col. 4, 14.), nicht ein Maler, wie erst die unsichre Sage des fiebenten Jahrhunderts richtet, soll aus der Syrischen Hauptstadt Antiochien gebürtig gewesen seyn; er war W von Abkunft kein Jude, sondern ein Proselyt des Thores (s. Matth. 8, 5. A. Vgl. G 4, 11. mit V. 12—14.). Frühe schon ward er Gefährte und Gehülfe des Paulus, de auf dessen zweyter Missionsreise gibt er sich als seinen Begleiter zu erkennen, und verl ihn wohl nie auf sehr lange Zeit; auch nach seiner ersten Römischen Gefangenschaft begleitete er ihn (Apg. 27, 28.); und dort blieb er, ohne mit gefangen zu seyn, bey i (Col. 4, 14. Philem. 24.); auch noch in der zweyten Gefangenschaft, bis kurz vor D Tode des Apostels, war er deffen Gefährte (2 Tim. 4, 11.). Von seinen späteren Schi salen wissen wir nichts. Das Evangelium schrieb er vor der Apostelgeschichte (Apg. 1, 1 und diese wahrscheinlich, nachdem er zwey Jahre mit Paulus in Rom gewesen war (s. A 28, 30. A.), also gegen das Jahr 64 hin. Er widmete beide Schriften dem Theophili der in Italien wohnhaft, oder doch sehr bekannt (denn die bekanntesten Orte in Palästi erflärt er ihm durch Zusäße, die Italischen Orte aber, auch die kleinsten, nicht), un wie es scheint, ein angesehener Mann war (Luc. 1, 3. A.). Das Evangelium Matth kannte Lucas höchst wahrscheinlich noch nicht (C. 1, 1. 2. A.), weshalb es auch nicht v früher als das seinige geschrieben seyn kann. Er scheint viele, auch schriftliche Quell bey Abfaffung seiner Schriften benugt zu haben. Das liebliche erste Capitel überseßte wahrscheinlich aus einer in Zacharias Familie aufbewahrten Geschichte, denn das Ha dieses Priesters bildet den Mittelpunkt der Erzählung; das zweyte floß wohl aus Erzä lungen der Maria her, an welche die Geschichte sich immer anschließt (C. 2, 19. 34. 38. ff. Von E. 9, 51. an find die Ereignisse und Reden alle mit Jesu Reise nach Jerusale verbunden, so daß es scheint, er habe das Tagebuch eines Jüngers Jesu, was dieser a der Reise führte, benußt. Als ein Schüler des Paulus, des Heidenapostels, liebt er e besonders solche Züge und Reden Jesu zu erzählen, worin fich die freye, dem Sünder z vorkommende, alles menschliche Verdienst ausschließende Gnade Gottes, und die gleiche B rufung aller zur Seligkeit offenbart (C. 7, 36. ff. C. 9, 51. ff. C. 10, 25. ff. C. 12 37. C. 13, 6. ff. C. 15. C. 17, 7-10. 11. ff. C. 18, 9. ff. C. 19, 1. ff. C. 23 39. ff. u. a. m.). Die Milde und Liebe Jesu, bey aller gewaltigen Gotteskraft, da Leben und Segen Verbreitende seiner Thätigkeit ist es daher vorzugsweise, was aus diesen Evangelium uns entgegentritt.

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Johannes (Hebr. Jochanan, Gotthold), der Sohn des Galiläischen Fischers Zebedäus war zuerst wahrscheinlich Johannes des Täufers Jünger gewesen (Joh. 1, 35—40.), uni von diesem Jesu zugeführt worden; doch anfangs nur auf kurze Zeit; erst später berie ihn Jesus, nachdem sein Wort und sein Geist tiefer auf ihn eingewirkt hatten, zu seiner bleibenden Nachfolge (Matth. 4, 21.). Er war, mit seinem Bruder Jacobus, und dem Petrus, einer der drey vertrautesten Jünger Jesu, Zeuge seiner wichtigsten Thaten und Schicksale (Marc. 5, 37. Matth. 17, 1. C. 26, 37.), auch außerdem Jesu noch in be sonderem Sinne lieb (Joh. 13, 23. C. 19, 26. C. 20, 2. C. 21, 7.). Anfangs war er in Jerusalem thätig, wo er, nach alter Ueberlieferung, Maria, Jesu Mutter, bis zu ihrem im J. 48 erfolgten Tod bey sich hatte (vgl. Joh. 19, 26. 27.). Nachdem Paulus Klein Aften verlassen hatte, kam Johannes nach Ephesus, und in dieser Hauptstadt und ihrer Umgegend (dorthin find die fieben Sendschreiben der Offenbarung gerichtet), soll er bis an seinen, in hohem Alter unter Trajan's Regierung (98-117) erfolgten, natürlichen Tod gelebt haben. Nicht sehr lange nach seiner Ankunft in Klein Asien, wahrscheinlich zur Zeit der späteren Verfolgung unter Nero, während welcher Petrus und Paulus in Rom hingerichtet wurden (etwa im J. 68), ward Johannes auf die Insel Patmos verbannt, und empfing dort die Offenbarung. Nachdem er wieder frey geworden war, wirkte er in Klein Asien noch gegen 30 Jahre, und schrieb hier in seiner spätern Lebenszeit sein Evangelium und seine Briefe. Dort hatte er nicht mit dem Widerstande der engherzigen, grob fleischlichen Pharisäer, wie sie in Palästina waren, zu kämpfen; sondern mit einer Glasse von Juden und Judenchristen, welche nach tiefer Weisheit grübelten, das Christenthum selbst schon überflügelt zu haben meinten, und die Religion des Sohnes oder Wortes, und die Gemeinschaft der Diener desselben, für eine untergeordnete Stufe im Verhältniß zu der Religion des Vaters, des Urquells aller Geister, und der Gemeinschaft seiner Kinder auss gaben (s. unten die Einl. z. Br. a. d. Colosser). Solchen stellt er sich oft in seinen Brie

fen, wie auch in der Offenbarung, entgegen; und die Bedürfniffe dieser seiner Umgebung, verbunden mit dem eigenthümlichen Zuge seines Herzens, leiteten ihn wohl auch bey seiner Auswahl und Anordnung der Geschichte Jesu. Ihm ist die Person des Heilandes vor Allem wichtig; was Jesu eigner Mund darüber, und über sein geheimnißvolles Verhältniß zum Bater, und zu den Menschen, sowohl die an Ihn glaubten, als die ihn von sich stießen, ausgesprochen hatte, das wählte er vorzugsweise, indem er viele der wichtigsten Vorfälle aus den drey ersten Evangelien, die damals schon weit verbreitet waren, als bekannt voraussette. Nur sehr wenig Wunderthaten Jesu berichtet Johannes, fast gar keinen Vorfall aus Galiläa; kein eigentliches Gleichniß vom Reiche Gottes; wenig kurze Sinnsprüche, dagegen meist sehr lange Reden, und weit fortgeseßte Verhandlungen mit den Juden, be sonders in Jerusalem. In den von ihm aufbehaltenen Reden Christi herrscht die Eigenthümlichkeit vor, daß der Herr meistens mit einem räthselhaften, im buchstäblichen Sinne einen Widerspruch enthaltenden, darum zu tieferem Nachdenken und Fragen weckenden Ausspruch beginnt, welcher von den Ungläubigen und Unempfänglichen oft thöricht mißvers standen und verdreht, von den Jüngern selten in der ganzen Tiefe damals, als er gesprochen wurde, verstanden wird. So verschieden daher oft das Bild des Heilandes bey Johannes zu seyn scheint, finden wir bey näherer Betrachtung in dieser Verschiedenheit die Einheit noch viel auffallender: dieselbe herablaffende, innige Liebe, verbunden mit dem gewaltigsten heiligen Ernst; die selbe stille Sanftmuth und Geduld unter Leiden, verbunden mit vers zehrendem Eifer um die Ehre Gottes; die selbe zarte Rücksicht in der Stellung zu den verschiedensten Schülern und Gegnern mit den mannichfaltigsten Bedürfnissen; die selbe bes rundernswürdige Weisheit in der allmählichen Entfaltung seiner Lehre. Bey Johannes, wie in den drey ersten Evangelien, finden wir die Jünger angefüllt mit fleischlichen Er wartungen, welche das Verstehen der tieferen Reden Jesu und seiner Handlungsweise ihnen sehr erschweren, doch aber angezogen von dem unwiderstehlichen Zuge seiner göttlichen Hoheit und Liebe, und mit Selbstverleugnung ihm folgend; Johannes und Petrus in besonders nahem Verhältnisse zu Jesu; Petrus, als den selben feurigen und raschen Bekenner, doch voll Mangel an Selbsterkenntniß, und daher in der Versuchung erliegend; Johannes voll Wärme und Innigkeit, und zugleich nachhaltigeren Feuers; Judas als den selben, aller Barnungen ungeachtet sich immermehr verhärtenden, habsüchtigen und undankbaren Ver rather; Martha und Maria beide Jesum liebend, doch indem die Liebe der ersteren mehr in übergeschäftiger Werkthätigkeit sich zu verlieren droht, die der andern durch seelenvolle Innigkeit sich auszeichnet (vgl. Luc. 10, 38. mit Joh. 11, 20. und 12, 2. ff.); die Feinds schaft der Pharisäer aus der selben Quelle entsprungen, dem Widerwillen gegen einen solchen Messias voll innerlicher Herrlichkeit, bey ihrer Unfähigkeit, mit Gründen ihm seine Würde streitig zu machen; Pilatus als den selben gleichgültigen, charakterlosen Mann, der keine Ungerechtigkeit begehen möchte, aber auch keine Kraft hat, den Aufforderungen dazu Widerstand zu leisten. Doch sind fast alle die Geschichten, welche Johannes erzählt, gleich sam nach innen gekehrt; bey sehr großer Genauigkeit, auch in Bezug auf die einzelnen äußeren Umstände, erzählt er doch immer in bestimmter Absicht, und wenige angehängte Borte deuten oft darauf hin, warum er grade dieses Vorfalls erwähnt; meistens bereiten die Geschichten nur Reden Jesu vor, welche ihm das Wichtigste find. So bilden die vier Evangelien gleichsam als die vierfache Cherubsgestalt den Thron des geoffenbarten Gottes, nach einer alten Vergleichung, indem Matthäus den Menschen, Marcus den Löwen, Lucas den Stier darstellt, und Johannes als Adler emporschwebt.

Die Apostelgeschichte des Lucas ist das zweyte Buch seines Evangeliums. Der Hauptinhalt dieser Schrift, weswegen sie einen wesentlichen Theil des N. T. bildet, ist die Erzählung von der Gründung der christlichen Kirche, zuerst unter den Juden, dann unter den Heiden. Die ersten Anfänge unter beiden gingen von Petrus aus; doch war er nicht der eigentliche Heidenapostel, sondern das auserwählte Rüstzeug, welcher als der dreyzehnte zu der Zwölfzahl auf außerordentliche Weise hinzugethan wurde, Paulus. Und von der großen Thätigkeit dieses Mannes Nachricht zu geben, lag daher gleichfalls in dem Plan des Buches. Dieses zerfällt demnach in zwey Haupttheile, wovon der erste (C. 1—12.) vornehmlich von der apostolischen Wirksamkeit des Petrus, und daher vorzugsweise von der Ausbreitung des Christenthums unter den Juden, der zweyte (C. 13-28.) von den Arbeiten des Paulus, und daher vorzugsweise von der Gründung der Heidengemeinen in Syrien, Klein Afien, Macedonien, Griechenland und Rom handelt; zwischendurch aber wer

den vorzüglich solche Ereignisse berichtet, welche zeigen, wie, ungeachtet der Gegenwirkunge der fleischlichgesinnten Judenchriften, doch immer mehr die Juden und die Heiden in Chrif Eine Gemeine wurden. Von einem großen Theile der Ereignisse des leßten Theiles wo Lucas Augenzeuge; er benußte aber bey diesem, wie bey dem ersten Theile, gewiß au schriftliche Quellen; daher die so höchft merkwürdigen, und eigenthümlich verschiedenen Rede der Apostel Petrus und Paulus, die keine menschliche Kunst also den Verhältnissen, unt denen sie gesprochen wurden, hätte anpassen können. Mit dem Ende des zweiten Jahre der Gefangenschaft des Paulus schließt Lucas sein Buch, wahrscheinlich weil er damals e schrieb. Auf unvergleichliche Weise sehen wir in diesem Werke dargestellt, wie Jesu Go meine, nach seiner Verheißung, auf den Felsen Petrus erbaut, d. h. durch dessen mächtig Predigt und weise Leitung gegründet, mit dem heiligen Geifte erfüllt, und durch ihre Einig keit in der Liebe eine Zeugin ward vor der Welt, daß der Vater ihn gesandt habe; auc die Schafe aus einem andern Stalle sehen wir herzukommen, und mit jenen Erstgesammel ten Eine Heerde unter Einem Hirten bilden. Nach der Gründung der vornehmste Christengemeinen, von denen aus später die andern entstanden, endet die dem N. T. ange hörige Geschichte der Kirche; die Kämpfe, welche sie theils noch im Zeitalter der Apostel theils in der Folgezeit zu bestehen hatte, haben menschliche Geschichtschreiber zu berichten.

Den größten Umfang unter den Schriften der Apostel haben die Briefe de Apostels Paulus. Saul, d. h. der Erbetene, war gebürtig aus Tarsi, oder Tarsen der Hauptstadt von Cilicien, einem damals blühenden Size der Wissenschaften; er stammt von geborenen Juden aus dem Stamme Benjamin (Phil. 3, 5. 2 Cor. 11, 22.), welch das Römische Bürgerrecht besaßen (Argsch 16, 37. C. 22, 25. ff.). Schon früh kam e nach Jerusalem, in die Schule des berühmten Pharisäischen Rabbi Gamaliel (Apg. 22, 3.) und erlernte zugleich nach Jüdischer Sitte ein Handwerk, das eines Zelt- oder Teppichmachers, d. h. der die ledernen oder härenen Ueberhänge zu den Reisezelten verfertigt (Argsch. 18, 3.). Anfangs lebte er dahin ohne Gefühl von der Heiligkeit des göttlichen Gefeßes (Röm. 7, 9.): er genügte sich in unsträflicher äußerlicher Geseßesbeobachtung nach den Grundsägen der strengsten Jüdischen Secte, der Pharisäer; aber das Gefühl des geistlichen Sinnes und der unverleßlichen Heiligkeit des göttlichen Geseßes erwachte in ihm, und er empfand unter der Last desselben unbeschreibliches Elend (Röm. 7, 9. ff.). In diesem Zustande kam er aber dem Evangelium nicht näher, sondern entfernte sich immer weiter davon; und sobald er bey dem Tode des Stephanus die Christen kennen lernte, erwachte ein glühender Haß gegen sie in seinem Herzen. Weit entfernt daher, daß in ihm etwas lag, was ihn geschickt gemacht hätte, das Evangelium anzunehmen, sehen wir Paulus überall, wo er von seiner Bekehrung redet, sie als ein Werk ganz unverdienter Barm herzigkeit Gottes rühmen, der ihn, den vornehmsten unter den Sündern, ergriffen, erleuchtet und erneuert habe, und zwar auf eine plößliche, mächtige Weise (Apg. 22. und 26. Gal. 1, 16. 1 Tim. 1, 12. ff.). So wurde aus dem blinden, fleischlich gesinnten, engherzigen Pharifäer Der erleuchtete, geistliche, eben so feurig eifernde, als zärtlich und innig liebende Apostel, durch eines der bewundernswürdigsten Werke der göttlichen Allmacht, welches wir kennen. Der außerordentliche Beruf, der ihm neben den zwölf Aposteln als dem dreyzehenten, als Heidenapostel, zu Theil ward, gründete sich zwar auf eine That des Herrn selbst, der ihn erwählt hatte. Allein wie alle Werke Gottes der Art, besonders in seinem Reiche des Neuen Bundes, sollte dieser Beruf als ein unmittelbar göttlicher sich nicht gewaltsam auf dringen, sondern erst allmählich erweisen. Daher blieb Paulus anfangs in dem nahe bey Damascus gelegenen Arabien und in dieser Syrischen Stadt selbst in einem kleineren Wirkungskreise; noch mehr aber in der Stille scheint er einige Jahre lang in Syrien und Cilicien, seinem Vaterlande, gewirkt zu haben. Von da holte ihn Barnabas nach Antiochia, und war ein Jahr lang mit ihm in der dortigen Gemeine thätig. Von hier machte Paulus mit Barnabas seine erste große Missionsreise, nach Cypern, Perge, Antiochien bey Pi fidien, Iconium, Lystra und Derbe, von wo sie durch mehrere Landschaften Klein Asiens nach Antiochia zurückkehrten. Nach ihrer Rückkehr waren beide wiederum Abgeordnete der Antiochischen Gemeine zu dem apostolischen Convent nach Jerusalem, wo über die Beobach tung des Geseßes berathen wurde. Nach demselben trat Paulus mit Barnabas die zweyte Missionsreise an, und hier war es nun, wo, nach der Trennung von Barnabas, die mäch tigste Thätigkeit des großen Apostels folgte. Durch mehrere Klein Asiatische Länder ging hinüber nach Europa, stiftete in Macedonien die Gemeinen zu Philippi und Theffalonich,

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