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uns Hülfe Noth ist. Aber gründlich ist zugleich der Gefahr gewehrt, daß wir ihm gegenüber unserer Schranken vergessen. Denn der uns Brüder nennt, trägt Scepter und Krone, und der uns als seines Gleichen behandelt, giebt uns damit nicht das Recht, ihn als unseres Gleichen zu betrachten. Der sich nicht schämet, uns Brüder zu nennen, hat uns damit nicht die Macht ertheilt, ihn auch unsererseits als Bruder zu begrüßen. Und hier kommt die Empfindung, deren sich Niemand den apo stolischen Worten gegenüber erwehren kann, und die uns bei der ersten Erwägung derselben so gewaltsam ergreift, zu ihrem vollen Rechte. Ihr werdet es nie über die Lippen bringen, Jesum euren Bruder zu nennen, so freudig ihr es glaubt, daß er euch also heiße; und nie wird seine milde Herablassung zur Vermessenheit verleiten, so ihr der Krone gedenkt, die dieses brüderliche Haupt umgiebt. Da erscheint er uns unaussprechlich nah und doch so fern; mitten unter uns und doch hoch über uns; da sagen wir: wehe uns, und fügen doch hinzu, wir sind getrost; als die Furchsamen, und die doch gutes Muthes sind; als die Vertrauenden, und die sich doch bescheiden; als die Bittenden und Begehrenden, und die doch stille sind und harren.

Brüder nennt uns der Herr, der König. Wer wäre unter uns, der nicht schamroth wird, so er diesen Namen vernimmt; Demüthigung ist seine unmittelbare Frucht, aber wir fügen hinzu: Demüthigung ohne Verzagen. Es ist auffallend und merkwürdig, daß die Würde der Gottesfinder, die uns beigelegt wird, so schmerzlich wir auch das Mißverhältniß empfinden, in welchem unsere Erscheinung zu derselben steht, dennoch bei weitem nicht den tiefbengenden Eindruck auf uns hervorzubringen pflegt, welchen der Gedanke, daß Jesus uns Brüder heiße, niemals schuldig bleibt. Die Erfahrung ist nicht schwer zu deuten. Das Verhältniß des Vaters zu dem Kinde ist an sich selbst schon ein übergeordnetes; der Vater ist mehr als das Kind, und so kann auch die Unähnlichkeit der Gesinnung, die reinere des Baters, die mangelhaftere des Kindes, einen so tief verlegenden

Eindruck nicht ausüben. Aber wenn das Herz des Bruders so weit über dem unsrigen erhaben ist, wie der Himmel über der Erde, und so fern von ihm, wie der Aufgang vom Niedergang, so schämen wir uns doppelt, so Er sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen. Ja er war von Anfang, er ist noch allezeit brüderlich gegen uns gesinnt; er hat's bis zu dieser Stunde dadurch gezeigt, daß er Alles mit uns theilt, selbst seine Herrlichkeit uns nimmer vorenthält; während wir ihm Herz und Kraft und Zeit versagt, sie viel lieber für die undankbare Welt zurückbehalten haben. Aber getrost; der uns Brüder heißt, er ist auch König, er ist der Herr, mächtig im Streite; und wen der Name, den Er giebt, dazu reizt, ihn zur vollen Wahrheit zu erheben, dem hat sich die königliche Rechte schon entgegengestreckt, auf daß er ergreife, gleich wie er selbst ergriffen worden ist.

Der Advent feiert die Ankunft des Herrn, seine Wiederkunft im Reiche der Gnade. Der Advent soll uns auch erinnern an seine dereinstige Erscheinung in der Herrlichkeit. Der jezt in Gnaden kommt, schämt sich nicht, uns Brüder zu heißen; der einst in Herrlichkeit erscheinen wird, kann nimmer Alle mit diesem Namen chren. Und das wird mithin die Ermahnung sehn, welche das heutige Wort des Apostels uns von selbst ertheilt, daß wir schaffen, dereinst auch aus dem Munde des Wiederkommenden den Namen zu vernehmen, welchen er uns jetzt in Gnaden beilegt. Den Weg kennen wir; aber wenn wir uns zu jenem Ziele hin noch einen bestimmteren Rath einander mitgeben, so geschicht dieß theils deßhalb, weil wir zu unserm Ausgangspunkt zurückzukehren wünschen, theils aber auch, weil der Text dazu eine besondere Veranlassung enthält. Christus schämt sich nicht, uns Brüder zu heißen: schämen auch wir uns nicht, unseren Nächsten diesen Namen und mit dem Namen die entsprechende Liebe zu schenken. So tief kann Niemand unter uns stehen, als der Beste von uns unter unserem gemeinsamen Haupte. Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde will ich dir lob

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singen." In der Gemeinde! Jhr wisset es, die hat der Herr lieb; für sie hat er sich dahingegeben. Je mehr wir denn in ihr aufgehen, in je größerem Umfange, mit je herzlicherer Zunigkeit wir die Nächsten zu unseren Brüdern machen, desto mehr Wahrheit gewinnt auch die brüderliche Stellung des Herrn zu uns. Ist die Gemeinde dazu bestimmt, die Trägerin seiner vollen Herrlichkeit zu werden, ohne Flecken und ohne Runzeln, heilig und vollkommen: wohlan, so hat der, welcher mit ihr innig verbunden ist, die sicherste Aussicht auf die eigene Vollendung und auf seinen Antheil an dem Schmucke der Braut. Das stärkt und stählt die Hoffnung, daß Christus sich auch unserer einst nicht schämen, sondern uns bekennen werde vor seinem Gott und vor unserm Gott, vor seinem Vater und vor unserem Vater. So wollen wir mit diesem kräftigen Adventsvorsatz in das neue Kirchenjahr eintreten, und in diesem Sinne beten, daß der Herr segne unsern Eingang und unsern Ausgang. Getreu ist der uns ruft, er wird es auch thun. Amen.

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Steinmeyer, Beiträge 1. 2te Auft.

Das Aergerniß an Christo.

Jm Advent.

Evang. Matthäi Cap. 11. V. 6.

„Und selig ist, der sich nicht an mir ärgert.“

Eine Seligpreifung ist es freilich, mit welcher dieß Wort un

seres Heilandes anhebt, und die Klage wäre mithin nicht begründet, als würden wir durch dasselbe aus dem Bereiche der Adventsfreude verwiesen; aber daß es doch auch einen dunkeln Schatten über unsere festliche Stimmung ausbreitet, das ist die natürliche Folge von dem Ausdruck, mit welchem es abschließt. Der Herr spricht von Aergernissen. Die wir bereits einen bedeutenden Theil unsers Lebens zurückgelegt haben, wir weigern uns des Geständnisses nicht, daß keine Vorsicht sie abwenden, keine Klugheit sie vermeiden, kein Gleichmuth sie verleugnen kann; denn allzufruchtbar ist der Boden, auf dem wir uns bewegen für ihre mannichfachen Gestaltungen, und allzu reizbar unser Herz für ihren empfindlichen Stachel. Kein Hausstand ist so wohl geordnet, kein Beruf so glücklich ausgestattet, keine Freundschaft so zart und innig, daß ein Aergerniß außerhalb der Möglichkeit, ja auch nur der Wahrscheinlichkeit läge; und wenn wir gleich die Hoffnung festhalten, daß auch diese Pflanzen, die der himmlische Vater nicht gepflanzt hat, werden ausgereutet werden, so mag doch unser Keiner ihre Erfüllung früher seßen, als da des Menschen Sohn seine Engel aussenden wird,

damit sie sammeln aus seinem Reiche alle Aergernisse und Alle, die da Unrecht thun. Daß wir uns bis dahin mit Geduld in das Wehe ergeben müssen, welches um deßwillen über die Welt ist ausgesprochen worden, das ergiebt sich vornehmlich aus der niederschlagenden Thatsache, daß nicht das Arge allein, sondern auch das Gute, ja selbst das Heilige sich als Veranlassung zum Aergerniß erwiesen hat. Der Herr könnte Diejenigen nicht selig preisen, welche den Anstoß vermeiden, wenn ein solcher nicht von großen Schaaren genommen würde, und wenn sich nicht auch jene schmerzliche Hälfte von Simeons Weißagung gerechtfertigt hätte: dieser wird gesezt zu einem Fall und Auferstehen Vieler in Israel. Wenn wir seinen Durchgang durch das irdische Leben verfolgen, so treffen wir nicht auf vereinzelte Spuren, wo der in Zion gelegte köstliche, bewährte Eckstein zum Fels des Aergernisses wurde, sondern das war die Regel, wovon ein flüchtiges Hosianna nur eine seltene Ausnahme bildete; von ganz Zsrael sagt der Apostel, daß das Wort vom Kreuze ihm ein Aergerniß gewesen sey. Die Schlechtesten sind es wahrlich nicht, deren Wohlgefalle an Christo durch solch' eine Mißstimmung über ihn verdrängt wurde. Jenes warme und lebensvolle Zeugniß, welches einst ein Johannes von dem Lamme Gottes abgelegt hatte, hat ihn vor der zweifelnden Frage nicht zu schützen vermocht: bist Du der da kommen soll, oder sollen wir eines Anderen harren? Und der tägliche vertraute Umgang, den die Jünger mit ihrem Meister pflegen, bewahrte sie nicht vor dem bald laut, bald leise geäußerten Mißfallen an etlichen seiner Erweisungen. Die dunkeln und mißverständlichen Reden, die verwirrenden und verwunderlichen Thaten des Herrn sind es wahrhaftig nicht, die den Anstoß vorzugsweise veranlaßt haben; die klarsten, lichtvollsten und durchsichtigsten haben den gleichen. Erfolg gehabt. Ist es doch die Predigt des Evangeliums an die Armen, ist es doch das Walten der hülfreichen Liebe und der heilenden Macht, deren Kunde den gefangenen Propheten zu seiner auffallenden Gesandtschaft bewogen hat. Die Vorur

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