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desto auffallender dürfte uns sein Verfahren in dem heutigen Evangelio erscheinen. Als nemlich der Eine dankbare — es war ein Samariter zu Ihm zurückgekehrt war, um außer der Gabe, die Moses geboten, auch das Opfer des Dankes darzubringen, dazu sein Herz ihn drängte, da empfängt ihn der Heiland mit der Frage: sind ihrer nicht Zehen rein geworden? wo sind die Neune? Und wenn wir uns dieselbe freilich nicht dahin deuten, daß er sich ernstlich verwundert habe, sondern sie einfach als einen Ausdruck seiner Betrübniß beurtheilen,

wie ja auch wir uns über Vorgänge tief bekümmern, die wir nach ihrem Entwickelungsgange mit aller Klarheit begreifen: so bleibt doch der befremdliche Umstand immer zurück, daß er den Dank begehrt hat, mithin jene milde Nachsicht vermissen läßt, die wir in ähnlichen Fällen so vielfach an ihm bewundert haben. Es ist dieß Verhalten des Herrn nicht so angethan, daß es irgendwie die Gefahr bedingte, irre an ihm zu werden, oder auch nur sich daran zu ärgern; wohl aber giebt es eine kräftige Anregung, die Aufgabe zu lösen, die es dem gläubigen Betrachter unabweislich stellt. Sie steht in der Rechtfertigung der Voraussetzung, daß das gegenwärtige Begehren des Dankes eben so gewiß wie die anderweitige Ablehnung alles Rühmens und aller Ausbreitung seiner Wohlthaten aus einer und derselben Quelle geflossen sehen, seiner Selbst verleugnung! Dieß sey denn der Gegenstand der heutigen Betrachtung:

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aus

Die Selbverleugnung des Herrn in der Forderung unseres Dankes.

Lasset uns dieselbe erstens als die Selbstverleugnung der Demuth; zweitens als die der Liebe zu erkennen suchen.

Ehe wir uns zu der Betrachtung dessen wenden, was wir als das Erste bezeichnet haben, bedarf es einer vorausgängigen kurzen Verständigung über die in dem ausgesprochenen Sate enthaltenen Begriffe. Je einfacher sie lauten, desto nothwendiger ist ihre scharfe Begrenzung. Von dem Danke ist zu

Steinmeyer, Beiträge 1. 2te Aufl.

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nächst die Rede. Das Wort kann in einem weiteren oder engeren Verstande gefaßt werden. Wenn der Apostel spricht: Alles, was ihr thut, es sey in Worten oder in Werken, das thut im Namen unseres Herrn Jesu Christi und danket Gott dem Vater durch ihn, so hat er augenscheinlich eine allgemeinere Verpflichtung im Auge, welche sich auf das ganze Leben bezicht und dasselbe zu einem Gott wohlgefälligen Dankopfer zu gestalten gebietet. Von dem Danke in diesem umfassenden Sinne ist hier nicht die Rede, sondern einfach von einem solchen, der sich nur in Worten ausspricht, in Worten, wie sie freilich einem von den Empfindungen der Erkenntlichkeit überströmenden Herzen entquellen. Was hat es auf sich mit diesem Danke? Sofern er für die empfangene Gabe dargebracht wird, erscheint er allerdings als eine Vergeltung; aber weil er doch nur die Zunge und nicht die Hand zum Werkzeuge seiner Bethätigung machen kann, so legt er an sich selbst das Bekenntniß ab, daß er, unfähig zu dem angemessenen Entgelt, nur einen schwachen, dem eigenen Bedürfniß keineswegs genügenden Ersaß darzubieten vermöge. Dieser Dank nun, so lautet weiter die Voraussetzung, werde gefordert. Solch' ein Begehren begreift zunächst die Geneigtheit, den Gegenstand der Forderung anzunehmen; aber er verfaßt außerdem auch den ernstlichen Wunsch und Willen, daß derselbe nicht zurückgehalten, willig dargereicht werde. Endlich aber, jenen Dank in diesem Sinne zu begehren, das soll die Sache einer rechten Selbstverleugnung seyn. Es giebt keine klarere und erschöpfendere Deutung des Begriffes, als wie sie der Apostel in den Worten ertheilt: ein Jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auf das, was des Anderen ist, und seh gesinnet wie Jesus Christus auch war (Phil. 2, 4.). Die Selbstverleugnung sicht gänzlich von dem Eigenen ab, so daß sie als Demuth erscheint; sie hat lediglich das Fremde im Auge, so daß sie als Liebe offenbar wird. Indem wir denn nach dieser zwiefachen Seite hin die Verständigung versuchen, wenden wir uns zunächst zur Erwä

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gung der Frage, wie das Begehren des Dankes in sofern die That der Selbstverlengnung seh, als es von einem demüthigen Absehen von dem Eigenen Zeugniß giebt.

In der That, dem ersten flüchtigen Blicke scheint sich das gerade Gegentheil als handgreifliche Wahrheit darzubieten. Ist nemlich der Dank in gewissem Sinne eine Vergeltung, so verräth Der, welcher ihn fordert, keine Selbstverlengnung, sondern Selbst sucht und Ehrsucht. Er will, den Anschein gewinnt es, daß die Wohlthat, die er gespendet, geschätzt, daß ein lautes Zeugniß abgelegt werde, er habe Großes gethan, es sey an einem Einzelnen oder an Vielen. Und weil dem alten Menschen Lob und Ehre, Beifall und Anerkennung immer wohlthnend sind, so möchte man durch einen derartigen Anspruch die wahre Selbstverleugnung als gänzlich ausgeschlossen erachten. Aber Eins würde man bei solcher Betrachtungsweise übersehen. Wer nemlich in diesem Sinne den Dank begehrte, der befände sich überhaupt nicht in dem Falle, daß von einer Erkenntlichkeit gegen ihn die Rede seyn könnte. Nur die erfahrene Liebe, nur das Werk reiner, aufrichtig empfundener Theilnahme vermag in einem Herzen die Regungen der Dankbarkeit zu erwecken. Gleichwie wir Dem nicht danken könnten, der uns eine heillose Gabe in den Schooß gelegt, statt des Brots den Stein, statt des Fisches die Schlange gereicht hat: also hätte auch Der auf dankbare Anerkennung kein Anrecht, der uns nur um des erwarteten Entgelts willen, also nur aus Selbstsucht eine Spende zufließen ließ. Und was der Erlöser von Jenen spricht, welche Almosen geben, damit sie von den Leuten gesehen werden, ganz dasselbe gilt von Solchen, welche in der Rechnung auf rühmendes Posaunen gütig und freundlich, barmherzig und mittheilend sind; so ihr leihet, von denen ihr hoffet zu nehmen, was Danks habt ihr davon?“ ihr Werk hat weder auf die künftige Vergeltung Gottes, noch auch auf den Herzensdank der Menschen eine gerechte und wohlbegründete Anwartschaft. Der Schein also, daß die Forderung des Dankes auf die Selbstsucht des

Gebers schließen lasse, würde nur durch solche Fälle gerechtfertigt werden, wo von einem wirklichen Danke gar keine Rede seyn kann, sofern keine wahre Wohlthat erwiesen worden. war. Weil aber diese Voraussetzung bei dem Erlöser von selbst dahinfällt, so unterliegt sein Verlangen einer ganz anderen Beurtheilung.

Gehen wir vor der Hand von einer sehr gewöhnlichen, uns Allen bekannten Erfahrung aus. Wir haben es oft wahrgenommen, daß Menschen mit einer unerbittlichen Consequenz alle und jede Erweisung der Erkenntlichkeit für ihre Wohlthaten verschmähen, daß sie dem Danke mit ganz eigentlich ängstlicher Sorge ausweichen, und um ihn recht sicher zu vermeiden, ihre Gaben durch die zweite oder dritte Hand zu spenden pflegen; ja daß sie unmuthig, selbst entrüstet werden können, wenn der Empfänger sie dennoch gesucht und gefunden hat; „du hast ja das Deine," damit schneiden sie den Erguß der Herzen ab, „so falle mir nun nicht weiter beschwerlich;" wie wir denn häufig ein unholdes, fast menschenfeindliches Wesen mit einem lebendigen Drange nach Wohlthätigkeit beisammen finden. Es liegt in diesen Fällen so wenig ein geheimes Absehen auf den Dank vor Augen, daß wir vielmehr mit aller Sicherheit vermuthen dürfen, die Geber würden die Wohlthat lieber ganz zurückbehalten haben, wenn sie vorausgewußt hätten, sie könnten sich dem Danke nicht entziehen. Was dünkt euch? Läßt sich solch' ein Gehaben rechtfertigen, billigen, entschuldigen? Ein sehr bestimmtes, wenn auch vielleicht noch unverstandenes Gefühl spricht über dasselbe als über ein entschieden unchristliches ab; und dieß Gefühl läßt sich durch die allgemeine Achtung, welche die Welt solchen „edlen“ Wohlthätern zollt, keinen Augenblick irre machen; es weiß die gesuchte und gemachte Verborgenheit von jener christlichen Heimlichkeit, in welche nur dem göttlichen Auge der Einblick verstattet wird, aufs Schärffte unterschieden. Wir vergleichen dieß Verschmähen des Dankes mit einer allgemeineren Richtung, von welcher es im Grunde nur eine ein

zelne Aeußerung ist. Ihr seid mannichfach auf Solche getroffen, welche bei aller Bereitwilligkeit, selbst zu dienen, eine ausgesprochene Abneigung gegen die Annahme fremder Dienste hatten. Es ward euch nicht schwer, unter dem trügerischen Schleier einer scheinbaren Demuth, welche sich das Ansehen gab, als mochte sie einen Menschen, einen Christen, nicht benutzen, jenen sträflichen Hochmuth, jene widerwärtigste Erscheinung des Stolzes zu entdecken, der von Niemand abhangen, gegen Niemand Verbindlichkeiten haben mag: wohlan, genau nach derfelben Regel verräth der Wohlthäter, welcher wohl Dank säen, aber ihn nie ernten will, bei allem Scheine der Anspruchslosigkeit ein Herz, darin die tiefste Selbstsucht gewurzelt ist. Wir werden von hier aus unausbleiblich zu der Vermuthung gedrängt, daß irgend Etwas in dem Danke verborgen sey, was dem unLauteren, überhaupt dem natürlichen Gemüthe widerstrebt, und was ohne Selbstverleugnung nicht dahingenommen werden kann. Worin mag dieß bittere Salz desselben doch bestehen? Erinnern wir uns an die Schilderung, die wir in wenigen Zügen von dem Wesen des Dankes entworfen haben. Die Wohlthat, die wir von Jemandem empfangen haben, hat das Gleichgewicht in unserem Verhältnisse zu ihm gestört, ja aufgehoben; und das um so mehr, je größer das Opfer war, welches er für uns brachte, je größer die Verlegenheit, aus der wir durch ihn gerettet worden; wir sind bei ihm in Schuld, wir wissen und fühlen uns ihm verpflichtet. Es gebricht uns an Gelegenheit wie an Mitteln, durch entsprechende Gegengaben und Gegendienste das Gleichgewicht wieder herzustellen; und so will der Dank des Herzens, in der Frucht der Lippen dargebracht, ein Ersaß der wirklichen Vergeltung seyn. Vorzugsweise dem Herrn gegenüber verbleibt uns nie ein anderer Ausweg. Was hätte ihm der gesegnete Samariter für die Wiederherstellung der leiblichen Kräfte, für die Wiedereinführung in die menschliche Gesellschaft, aus welcher seine Krankheit ihn verbannt hatte, doch darbieten können? Was dafür, daß er dem Leben

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