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Nathanael.

In der Zeit der Erscheinung.

Evangelium Johannis Cap. 1. V. 47. 48.

„Jesus sahe Nathanael zu sich kommen und spricht von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in welchem kein Falsch ist. Nathanael spricht zu ihm: Woher kennest du mich?

Das Geschäft, in welchem wir unsern Herrn und Heiland nach der Darstellung der heutigen Erzählung begriffen finden, war für das Gedeihen des Werkes, das sein Vater ihm gegeben hatte, von einer entscheidenden Bedeutung. Sollte das Senfforn, welches Er in die Erde senkte, zu einem großen Baume erwachsen, der Schuß und Obdach gäbe allen Völkern der Erde, so mußte es nach seiner persönlichen Entrückung vom irdischen Schauplatze aufs Erste der schüßenden Pflege Solcher überantwortet werden, welche alle Voraussetzungen des großen Wortes rechtfertigten: gleich wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Die Art, wie Christus seine Jünger von der Welt erwählte, noch mehr die Weise, in welcher er von ihrer Aussonderung redete, spiegelt die umfassende Wichtigkeit dieses ersten Zuges ab, zu welchem der große Menschenfischer das Netz des Himmelreichs ausgeworfen hatte. Der Herr erkennt es nicht an, daß er die Zwölfe bei sich aufgenommen, weil und wie sie sich ihm dargeboten hätten: „nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt." Aber wenn er

hiermit sich selbst als den bei diesem Werke ausschließlich Thätigen zu bezeichnen scheint, so versichert er es anderweitig ebenso unumwunden, daß nicht seine Willkür und sein persönlicher Wohlgefalle, sondern allein der Rathschluß seines himmlischen Vaters die Wahl vollzogen und entschieden habe. Was er von einer jeden Seele sagt, daß sie nur durch den Zug des Vaters zu ihm gelangen könne, das hat er in Bezug auf seine Jünger mit eigenthümlichem Nachdruck betont, wenn er betet: ich habe deinen Namen geoffenbaret den Menschen, die du mir von der Welt gegeben hast; sie waren dein und du hast sie mir gegeben, und ich habe sie erhalten und bewahret in deinem Namen. Freilich eine so äußerliche Vorstellung dürfen wir uns davon nicht entwerfen, als ob der Herr irgend einer sinnlichen Kundmachung der göttlichen Auswahl bedurft hätte; sondern wie es stets sein inneres Auge war, womit er alle Werke schaute, die sein Vater ihm zeigte, so las dieß Auge eben in den Herzen der Menschen, die zu ihm kamen, in ihrer eigenthümlichen Verfassung, die Gottesschrift, kraft deren gerade diese Seelen ihm zum Eigenthum übergeben wurden. Es würde gewiß von dem höchsten Interesse seyn, wenn die Schrift uns den genauen Hergang bei der Berufung der einzelnen Jünger mitgetheilt hätte; manche Fragen würden sich dann von selbst erledigen, über die wir nun im Unklaren bleiben, und wenigstens ein Strahl des Lichts würde auf den dunkeln Umstand fallen, daß wir jenes Eine Kind des Verderbens in dem heiligen Kreise entdecken. Aber es ist strenge genommen die einzige Wahl des Nathanael, in deren Geschichte uns ein tieferer Blick verstattet wird; und merkwürdig, gerade in diesem Falle wird am wenigsten ein Bedürfniß der bloßen Wißbegierde befriedigt. Denn kein anderer Jünger tritt in der evangelischen Geschichte in dem Grade in den Hintergrund. Von allen übrigen wird uns doch irgend Etwas erzählt, sey es ein Zwiegespräch, das sie mit Christo gehalten, sey es eine That, die sie vollzogen, oder wenigstens eine Bemerkung, die sie hingeworfen: über den Nathanael finden

wir feine weitere Mittheilung, ja selbst sein Name kehrt nur noch einmal in dem Evangelio wieder, und zwar in flüchtiger, gleichgültiger Erwähnung. Indeß giebt es doch noch eine höhere Rücksicht, um derentwillen unser Auge mit Theilnahme auf der Auswahl eines Jüngers beruht. Zene natürliche Ehrfurcht, womit wir zu den Männern hinaufschauen, die das apostolische Amt überkommen hatten, erleidet durch die zwiefache Anerkennung keinen Eintrag, einmal, daß sie früherhin gleich uns arme geringe Menschenkinder gewesen sehen, und weiter, daß die Berufung zu dieser hohen Würde wesentlich nichts anderes ist, als die Aufforderung zur Nachfolge Jesu überhaupt. Was der Herr von ihnen gefordert hat, davon kann er auch uns nichts erlassen; was er an ihnen gerühmt, dasselbige sucht er gleicherweise bei uns; und die Art, wie ihre Gemeinschaft mit dem Erlöser zu Stande fam, wird mithin immer dafür ein Vorbild bleiben, wie die Bande geknüpft und fester zusammengezogen. werden, welche auch uns mit ihm vereinigen. Es ist dieß in unsere ganze christliche Denk- und Sprechweise übergegangen. Wir sind es gewohnt, diese Erstgeborenen in dem Hause Jesu Christi als Exempel zur Strafe, zur Lehre, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit zu gebrauchen. Petri felsensester Glaube, sein Fall und seine Wiedererhebung, des Johannes innig liebendes Gemüth, wie er an der Brust seines Meisters lag, des Thomas bange Zweifel und ihre Lösung, des Judas frecher Kuß, seine weltliche, zum Tode führende Traurigkeit, das Alles steht uns viel lebendiger vor der Seele und wirkt. viel kräftiger an uns, als ausführliche Unterweisungen und scharf gefaßte Begriffe. So spricht man auch von einem Nathanaelssinne; und wenn der Wohlgefalle, womit Christus auf den nahenden Jünger hinblickt, sich für uns von selbst in die Form einer Forderung verwandelt, so ist es nicht bloß ein verständiges Bedürfniß, das uns nach dem Wesen dieser Gesinnung fragen läßt, sondern jenes höhere, welches der Vorsaß der Nacheiferung gebiert. Von diesem Gesichtspunkte aus mögen wir denn

den Nathanaelssinn

mit einander betrachten, und zwar erstens seine Schönheit und Lieblichkeit, zweitens seinen Segen und Lohn zu erkennen suchen.

Siche, so spricht der Herr, ein rechter Israelit, in welchem kein Falsch ist. Wir fühlen den Worten die Freude ab, mit welcher sie sind ausgesprochen worden. So war auch das kreuzvolle Leben des Heilandes von Feierstunden unterbrochen. Disteln und Dornen trug ihm die Erde, aber inmitten derselben sproßte doch zu Zeiten eine liebliche Blüthe, ihm zum süßen Geruch. Wir sehen ihn hier nicht so freudig überrascht, wie dort in Capernaum, da er sprach: solchen Glauben habe ich in Israel noch nicht gefunden; es ist mehr der stille Wohlgefalle an einer unscheinbaren, aber seinem Auge desto wohlthuenderen. Pflanze, die sein Vater für ihn gesezt und gepflegt hatte, ähnlich jenem späteren Ausbruch seiner Freude im Geiste: Bater ich danke dir, daß du solches geoffenbaret hast den Unmündigen. Eine sonderlich glänzende Gabe, deren Entwickelung und Heiligung viel Frucht für das Himmelreich in Aussicht gestellt hätte, lag hier allerdings nicht zu Tage; aber eben so wenig empfängt auch ein bloß vereinzelter schöner Characterzug durch die Worte des Herrn seine gebührende Anerkennung. Etwas einzelnes wollte der Apostel Petrus gewiß nicht auswählen, als er von dem Heiland sagte, in seinem Munde sey nie ein Betrug erfunden, sondern er hat darin die ganze Herrlichkeit Dessen zu deuten gesucht, welcher keine Sünde gethan habe. Noch weniger war es ein einzelnes Unrecht, welches der Erlöser in der wiederholten Klage über die Heuchelei und Falschheit seiner Widersacher rügt, sondern die natürliche und nothwendige Form, unter welcher sich jede böse Regung an der Erscheinung des Heiligen brechen mußte; denn war Er die Wahrheit, wohlan, so konnte er nur durch Lüge und Betrug bekämpft werden. Und so betraf denn auch das Lob über den Nathanael nichts Einzelnes, sondern eine umfassende, sein ganzes Herz und Leben bestim

mende und beherrschende Richtung. Der Ausbruck steht uns freilich sofort zu Gebote, mit welchem wir dieselbe zu bezeichnen. haben; Jesus rühmt ohne Frage die Aufrichtigkeit; aber mag auch Niemand über den allgemeinen Znhalt des Begriffs im Zweifel seyn, so ist damit die Frage nicht erledigt, was der Herr in diesem bestimmten Falle darunter gemeint habe.

Wir sind daran gewöhnt, die Aufrichtigkeit als eine Tugend zu betrachten, welche vorzugsweise in dem gemeinschaftlichen Verkehre der Menschen unter einander ihre Stätte und Anwendung finde. Nehmen wir hiervon wenigstens den Ausgangspunkt; hier können wir ja Alle aus eigener Erfahrung reden, und hierdurch gewinnen wir unmittelbar einen Eindruck von der Höhe und Herrlichkeit des ertheilten Lobes. Aufrichtig gegen die Brüder zu seyn, - welch' eine Forderung! Da foll ich also einerseits allezeit mein wahres Herz enthüllen, bieder und treuherzig, ohne Heuchelei und Verstellung meine Worte und Werke, meine ganze Erscheinung zum treuen Spiel der Gesinnung machen. Da soll ich andrerseits ohne Verstecktheit und Rückhalt, gerade und offen, mein ganzes Herz offenbaren, so daß keine Falte dem Nächsten verberge, was sich irgend da= rinnen regt. Jene Tiefe und Höhe, diese Länge und Breite zeichnet namentlich die christliche Aufrichtigkeit aus. Aber Freunde, wo finden wir sie doch verwirklicht? Wir theilen die Menschen wohl in aufrichtige und in falsche Naturen; aber machen wir diese Unterscheidung in dem Sinne, als hätten beide mit einander nichts gemein? achten wir sie durch eine scharfe Grenze, durch eine unübersteigliche Kluft von einander getrennt? Fügen wir nicht vielmehr zu jedem derartigen Lobe stillschweigend die sich von selbst verstehende Einschränkung hinzu, daß es nicht buchstäblich, nicht unbedingt gemeint sey? Oder wären wir schon auf Einen getroffen, welcher ganz geschienen hätte wie er war, ganz gewesen wäre wie er schien? Und was uns selbst betrifft, mit welchem Freunde sind wir vertraut genug, daß uns nie die Versuchung zur Unaufrichtigkeit gegen

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