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so erscheint es nicht als Sache der Willkür, überhaupt nicht als bewußtvoll beabsichtigte That, wenn der Christ dem heutigen Vorbild feines Meisters folgt, sondern er läßt einfach über sich ergehen, was die Natur des neuen Verhältnisses von selbst mit sich bringt. Aber allerdings, es ist zugleich sein eigenes Bedürfniß, welches hiermit genau zusammenstimmt. Wo irgend ein gesundes Leben ist, da sehet ihr sich's sträuben wider den Tod; es mag nicht verkümmern noch siechen, sondern es sucht seine Nahrung und Pflege, seine Stärkung und Freude, wohin es durch höhere Hand gewiesen ist. Wo unser Schaß ist, da ist auch unser Herz. Wer die grünen Auen und die frischen Wasser erblickt, der verharrt nicht an dem dürren, wasserlosen Orte; wer da fragen muß, wie Jesus fragte: was habe ich mit dir zu schaffen? wer da sagen muß, wie Er gesagt: eure Zeit ist allewege, meine Zeit ist nicht hier, gehet ihr hin, ich gehe dorthin nicht; wer in den Kreisen, welche die Natur ihm zugewiesen, keinen Anklang der Theilnahme für dasjenige findet, was ihm das Theuerste und Höchste, ja was ihm sein Ein und Alles ist; wer da verschweigen muß, wovon zu reden er nicht lassen kann und mag: wahrlich, so lange noch eine Ader von Kraft in ihm ist, folgt er willig und freudig diesem Beispiel seines Herrn! Aber indem er hierin dem eigenen Bedürfniß Rechnung trägt, erfüllt er damit nicht auch eine heilige Pflicht? die Pflicht der Erhaltung seines wahren, seines höheren Selbst? Wir sehen Jesum in dem Berufe seines Lebens begriffen, als ihm angesagt wurde: deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen dich sprechen; Sein Werk darf Niemand hindern, seine Arbeit darf nicht ruh'n; sie waren ihm ärgerlich und hinderlich, -die höhere Liebe gab das Recht, selbst die Liebe zu verleugnen! Wohl war es eine Beschränktheit der Männer zu Nazareth, daß sie den Propheten verachteten, dessen Hausgenossen sie kannten; doch auch der Schwachheit Anstoß sollte hinweggeräumt werden, damit um den Preis der Lösung eines irdischen Bandes eine höhere, umfassendere Vereinigung

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von Gotteskindern gewonnen würde: so stand denn die Verleugnung der Mutter im Dienste des Berufes, zu welchem er gesendet war. Und für uns, die jeder Hauch hin und her neigen kann, sollte die Pflicht nicht ungleich dringender seyn? Eine willkürliche Strenge war's doch wahrlich nicht, welche dort die Bitte versagte: laß mich zuvor meinen Vater begraben, erlaube mir noch, einen Abschied von meinen Hausgenossen zu machen; und vielmehr die Weisung ertheilte: laß die Todten ihre Todten begraben, du aber folge mir nach; wer seine Hand an den Pflug legt und siehet zurück, der ist nicht geschickt zum Himmelreich. Sondern es war die Sorgfalt der Liebe, welche einer Gefahr ausweichen lehrt und eine Versuchung abwenden will; es war der Rath der Weisheit an leicht bestimmbare Gemüther, die heilsame Pflege, deren das kaum erwachte Leben dringend bedürftig ist. Wohlan, wenn es denn als Frucht der inneren Entwickelung, als Sache des eigenen Bedürfnisses, als Erfüllung einer wirklichen Pflicht erscheint, daß der Christ seine Mutter und Brüder nicht auf dem Gebiete der Natur, sondern unter Jesu Hausgenossen und unter Gottes Erben suche: so könnte uns der Weg, welchen die Klarheit des heutigen Abschnitts bestrahlt, ein völlig unverfänglicher dünken. Und doch ist die Lage der Sache so einfach nicht. Wir haben schon darauf vorbereitet, daß ein ganz entgegengesettes Ergebniß gewonnen wird, sobald wir denselbigen Gegenstand von einer anderen Seite her beleuchten.

Ein natürliches Band ist es freilich nur, das uns mit unseren Hausgenoffen vereinigt. Aber in dem Sinne, in welchem wir die Natur dem Gotteswerk entgegenseßen, wird sie doch hier die Begründerin der Gemeinschaft nicht genannt. Ist es nicht auch eine Gottesordnung, welche den häuslichen Kreis gesammelt hat? Des Herrn Mund spricht: ehre Vater und Mutter; und die Lüge erwidert der göttlichen Frage: sollte ich meines Bruders Hüter seyn? Im dem Evangelio ist allerdings eine neue Ordnung eingetreten; das Alte ist vergangen, siehe,

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es ist Alles neu geworden; aber könnt ihr irgendwo im Haushalte des Herrn ein Beispiel nachweisen, daß eine neue Ordnung die alte zertrümmert, eine neue Verpflichtung von der alten entbunden hätte? Das ist ja das Anbetungswürdige in dem Walten des ewigen Königes, daß in dem Fortschritte seines Regiments, da er seine Kinder auf eine höhere Stufe erhebt und zu einer größeren Klarheit führt, niemals das Alte vernichtet, sondern vielmehr aufgerichtet und gerechtfertigt wird. Menschliche Ordnungen und Geseze können dahinfallen, und andere, oft entgegengeseßte, an ihre Stelle treten; was einst Pflicht war, kann später gar als pflichtwidrig erscheinen, was einst Lob und Ehre eintrug, Rüge und Strafe erfahren; so haben wir es mannichfach geschehen sehen, wenn's gleich nicht immer ohne gefährliche Erschütterungen abging. Aber niemals bemerken wir ein Aehnliches in dem Regimente Gottes. Nie darf Ein Titel, nie Ein Buchstabe seiner Ordnungen vergehen, bis daß es Alles geschehe, ja bis daß Himmel und Erde zergehen. Wohl sagt ein Apostel, daß die Gnade und Wahrheit die Stelle des Gesezes eingenommen; aber damit bildet es keinen Widerstreit, wenn ein anderer fragt: hebe ich das Geset auf durch die Predigt des Glaubens? das sey ferne, sondern ich richte es auf; gleichwie der Erlöser selbst versichert, nicht aufzulösen sey er gekommen, sondern zu erfüllen. Noch be= stimmter: wie vielfach lehrt die Schrift, daß die alten Ordnungen allezeit die Unterlage seyen, auf welche die neuen sich erbauen, daß die Fügsamkeit gegen die alten Pflichten die unentbehrliche Vorausseßung für den neuen Gehorsam ausmache. Das finden wir in dem apostolischen Worte: wer seinem Hause nicht vorzustehen weiß, wie wird er die Gemeinde leiten? und noch ausdrücklicher liegt es in dem andern: so Jemand die Seinen, sonderlich seine Hausgenossen nicht versorgt, der hat den Glauben verleugnet und ist ärger, denn ein Heide; ja wenn Petrus ermahnt: reichet dar in der brüderlichen Liebe allgemeine Liebe, ist nicht dieß sein Wille wie seine Hoffnung,

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daß in dem nächsten und natürlichsten Kreise die Liebe zuvor gelernt und vollzogen werden müsse, ehe denn und damit dadurch das Herz erweitert werde zu einer Zuneigung gegen die ferner Stehenden? Und das Beispiel des Herrn sollte uns verpflichten, eben die Hausgenossen zu verleugnen? Bedürf niß mag es uns seyn, die Gemeinschaft der Gesinnungsverwandten aufzusuchen, hier allein mag's uns zum Hüttenbauen zu Muthe werden; aber ob es nicht eine heilsame Schule, ob's nicht gerade für dich, für mich, eine nothwendige Zucht ist, daß wir entbehren, wonach uns verlangt, daß wir dulden, wogegen wir uns sträuben? Ob nicht eben hier die Stunden der Anfechtung schlagen, welche die Bewährung und darnach die Krone des Lebens eintragen sollen? Täuschung ist's, wenn man wähnt, am besten zu gedeihen, wo die Sprache Canaan's am fertigsten geredet wird; da im Gegentheil droht die ernstliche Gefahr, bei allem Scheine der Wachsamkeit in den Schlaf zu versinken, bei allem Scheine der Wahrheit in die Unwahrheit zu verfallen! Und so mag es uns endlich auch wohl als heilige Pflicht vor die Seele treten, zu Müttern und Brüdern zu sprechen: ich sehe euch nicht, den Troft der Einen zu verschmähen, den Umgang mit den Anderen zu fliehen, als die Pflicht Solcher, die sich der Schwachheit und Versuchbarkeit bewußt find; aber so viel steht uns doch Allen fest, daß die Schönheit des christlichen Lebens, daß die Kunst des christlichen Wandels in der Lösung der hohen Aufgabe stehe, in der Wirklichkeit zu vereinigen, was der Erwägung auseinanderzugehen scheint, Gottes Gebote allesammt zu halten, weil sie durchweg gerecht sind, aus wie verschiedenen Zeiten und Testamenten, in wie verschiedenem Tone sie uns auch entgegenschallen. Ihr alle habt oft des Wortes gedacht, das von dem Kreuz herniederging: stehe, das ist dein Sohn! Wohl eignet es sich nicht zu einer flüchtigen Berührung, wohl befaßt es eine unaussprechliche Fülle; aber Ein Strahl seiner Herrlichkeit steht gewiß in dem Einklang, den die Treue der kindlichen Liebe und die Treue im hohen

Berufe hier gefunden hat, in der wunderbaren Lieblichkeit, mit welcher die rücksichtsloseste Verleugnung und das entschiedenste Bekenntniß sich gegenseitig durchdringen.

Und so gelangen wir in der That von einem und demselben Ausgangspunkte zu einem durchaus verschiedenen Ergebniß. Eben hierin aber sehen wir die Schwierigkeit begründet, dem Vorbild des Herrn in der heutigen Erzählung nachzufolgen. Es ist nicht die der Schwachheit, welche ihr Ziel wohl kennt, und nur der Kräfte zu seiner Erreichung entbehrt; sondern die der Unsicherheit, - wie und wann gefalle ich doch meinem Herrn! Wir könnten uns auf die Auskunft zurückziehen, daß sich hier eine allgemeine Regel nicht ertheilen laffe, daß es auf die gehörige Erwägung jedes einzelnen Falles ankomme, und der Christ sich mithin des Geistes getrösten müsse, welcher in alle Wahrheit führen und auf ebener Straße leiten kann. Aber wer mag sich bei solcher unbestimmten Antwort gern beruhigen! Wir ha= ben versprochen, uns unter einander einen Rath zu geben, der die Ueberwindung der Schwierigkeit erleichtere; lasset uns denn zusehen, ob ein solcher in dem Worte des Herrn zu finden sey.

Auf ein Zwiefaches scheint es uns vorzüglich anzukommen. Es bedarf einerseits eines Grundsaßes, der uns leite, und andererseits eines bestimmten, klar erkennbaren Zieles, das wir verfolgen. Wir sehen Jesum seine Mutter und Brüder verleugnen: was sind es für Fälle, wo uns ein Gleiches wohl ansteht? Welche Regel giebt hier für alle Bedenken die Entscheidung? Versuchen wir die Verständigung auf eine mehr mittelbare Weise. Es steht uns zweifellos fest, daß wir nie und unter keiner Bedingung den Herrn Jesum Christum selbst verleugnen dürfen. Wer mich bekennt, den will ich wieder bekennen, wer mich verleugnet, den werde ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel." Aber wie wird doch nun die einfache Anwendung dieser Wahrheit auf die Frage lauten, um die es sich handelt? Du sollst die Hausgenossen bekennen um

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