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sich alsdann das große Wort des großen Apostels erfüllen: es ist alles euer, denn ihr seid Christi, und Christus ist Gottes; es ist Alles euer, das Sichtbare und das Unsichtbare, das Vergängliche und das Unvergängliche, das Gegenwärtige und das Zukünftige, das Leben und der Tod, die Welt und das Reich; ihr Herren der Erde, ihr Erben des Himmels, Alles, ja Alles ist euer. Amen.

Sehnsucht und Hoffnung.

Am Gedenktage der Reformation.

Evangel. Luca Cap. 17. V. 22—24.

,,Er aber sprach zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, daß ihr werdet begehren zu sehen einen Tag des Menschen Sohnes, und werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: siehe hier, siehe da. Gehet nicht hin und folget auch nicht. Denn wie der Bliz oben vom Himmel bliget und leuchtet über Alles, das unter dem Himmel ist, also wird des Menschen Sohn an seinem Tage seyn.“

Der Abschnitt gehört allerdings jener umfassenden prophetischen Verkündigung an, in welcher der scheidende Heiland seinen Jüngern die nöthigen Lehren, Tröftungen und Warnungen über die bevorstehende Zukunft ertheilt hat; aber wir empfinden es gleichwohl deutlich, daß er innerhalb dieses allgemeinen Kreises auf eine besondere Auszeichnung Anspruch hat. Die Worte verbreiten sich nemlich nicht über äußere Umstände, die dereinst eintreten und auch die Jünger berühren, ja gefährden könnten, sondern sie sagen eigenthümliche innere Zustände voraus, in welche die Bekenner des Namens Christi zu seiner Zeit gerathen würden. Gestehen wir es uns, daß die geweissagte zukünftige Stimmung auf den ersten Anblick keineswegs als eine so trübe und schmerzliche erscheinen will. Sollte die Zeit kommen, wo die Jünger einen Tag des Menschensohnes begehren würden, so werden sie auf eine herzliche Sehnsucht nach der Vereinigung mit ihm gefaßt gemacht. Der Ausdruck der Sehnsucht

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verseßt uns auf ein Gebiet, auf welchem wir Alle heimisch sind; wir kennen ihre Empfindungen und ihre Wirkungen aus eigenfter Erfahrung. Wenn es sich darum handelte, ein ganz allgemeines Urtheil zu fällen, so würden wir in Verlegenheit seyn, ob wir sie für des Friedens und der Freude beharrlichste Feindin, oder für ihre bereitwillige Genofsin erklären sollen. Es wurde uns manchmal recht innig wohl unter ihrer Herrschaft, und dann doch wieder so gar trübe und schwer; wir empfanden ihre verzehrende und ermattende Kraft, und doch auch wieder ihren anregenden, ermunternden Stachel; wir mochten ste abweisen mit der einen, und doch wieder zurückhalten mit der anderen Hand. Aber nicht von der Sehnsucht im Allgemeinen, sondern von dem lebendigen Verlangen nach dem Herrn ist hier die Rede; und das in der That scheint alles Weh entschieden auszuschließen. Wird uns solch' eine Sehnsucht geweifsagt, nun die ist ja der Liebe selbsteigenes Bedürfniß, und sie kann fkaum eine andere Folge haben, als uns in die Aehnlichkeit mit dem Ersehnten zu verklären; welcher Schmerz könnte sich je der kostbaren Verheißung gegenüber behaupten: wen da dürftet, der komme zu mir und trinke, ja wer da will, der nehme das Waffer des Lebens umsonst! Und doch ist es offenbar, daß Christus nicht ohne eine gewisse Bangigkeit, nicht ohne eine leise Rüge und Mißbilligung den Jüngern ihre künftige Sehnsucht vorausverkündigt, ja daß er sie mit allem Ernst davor gewarnt hat, sich ihr rückhaltslos und unbefangen zu überlassen. Wir werden den rechten Weg betreten, unsere Verwunderung darüber zu bemeistern, wenn wir sofort den Ausdruck betonen, auf welchem ohne Frage der Schwerpunkt ruht. „Einen Tag des Menschensohnes werdet ihr zu sehen begehren." Allerdings läßt sich dieser Tag von der Person des Herrn nicht trennen, denn Er selbst ist die Sonne, welche dem Tage seinen Glanz verleiht und deren Strahlen ihn erhellen; aber eben der Tag wird doch ausdrücklich als der wahre und eigentliche Gegenstand der Sehnsucht hingestellt. Und was gedenkt sie, an diesem Tage

zu erreichen? Wie dunkel die Worte auch seyen, so viel tritt uns doch sofort vor die Seele, daß die unmittelbare Nähe des Herrn und seine leibhaftige Erscheinung ihr heiß begehrtes Ziel bezeichne. Wir gedenken der Erwiderung des Heilandes auf die Frage, warum doch seine Jünger nicht fasteten?,,wie können die Hochzeitleute Leide tragen, dieweil der Bräutigam bei ihnen ift? es wird die Zeit kommen, daß er von ihnen wird genommen werden, und dann werden sie fasten." Wir gedenken seiner Weißagung an die Zwölfe: „liebe Kinder, ich bin noch eine kleine Weile bei euch, und wie ich zu den Juden sagte, - ihr werdet mich suchen und nicht finden, denn wo ich hingehe, da könnet ihr nicht hinkommen." Nach der Regel dieser Worte haben wir die Sehnsucht nach seinem Tage zu verstehen. Wir wissen es nicht, zu welcher Zeit und in welcher Weise sich diese Prophezeiung erfüllet habe. Wir möchten sie nicht gern auf die kurzen Stunden beschränken, wo der Hirte geschlagen war und die Schafe der Heerde sich zerstreueten, wo nicht bloß zween Jünger mit Sehnen über Feld nach Emmaus wandelten, sondern auch der Anderen Augen voller Thränen und Aller Herzen voll Verdruß gewesen sind: wir vermuthen mit Recht, daß auch im späteren Leben der Apostel Stunden schlugen, wo die Sehnsucht ste durchging. Aber müssen wir nach dieser Seite hin auf eine genauere Bestimmung verzichten, so wissen wir es um so sicherer, wie oft und wie reichlich sich die Weißagung Jesu innerhalb der erwachsenden und streitenden Kirche bewährt habe. Wenn es da geschah, daß Gottes Wort theuer und der Gläubigen Wenige waren, da vereinigte sich wohl die kleine Schaar zu der gemeinsamen Bitte: ach, reiß', o Herr, den Himmel bald entzwei, und komm' herab zur Hülf' und mach' uns frei. Aber auch in dem Leben der Einzelnen gebricht es nicht an mannichfachen Anklängen. Wie die Kinder der Welt von einer falschen Todessehnsucht ergriffen werden, so der Christ von einer falschen Sehnsucht nach dem Tage des Herrn: ihr zu wehren, fie zu reinigen, das ist die Absicht des Erlösers in dem heutigen

Abschnitt. Wenn wir euch bitten, demselben eure gegenwärtige Andacht zu schenken, so geschieht dieß nicht allein um des Ablaufs des Kirchenjahrs willen, dessen lezte Sonntage die Bestimmung haben, auf den wiederkehrenden Herrn zu weisen; sondern zugleich, weil der heutige Tag zur Gedächtnißfeier der Reformation verordnet ist. Wenn die dankbare Erinnerung an diese Gottesthat mehr und mehr in der Abnahme begriffen ist, so lasset uns diese anscheinende Kälte nicht aus einem Zweifel an ihrer damaligen Nothwendigkeit und ihren reichen Segnungen erklären, sondern vielmehr aus dem Gefühle, daß uns in der Gegenwart eine viel gründlichere und durchgreifendere Reformation Noth thue; man begehrt vielfach ein unmittelbares Eingreifen von Seiten des Herrn, daß er sich einmal Selbst seiner Heerde annehme und sie seine Heimsuchung erfahren lasse; solch ein Tag des Herrn wird auch unter uns sehr allgemein ersehnt. Eben nun von diesem Gesichtspunkte aus lasset uns

das Mißfallen des Herrn an der Sehnsucht nach seinen Tagen

mit einander betrachten. Die Worte weisen auf ein Zwiefaches; sie lehren uns erstens fragen, in welchem Sinne der Herr diese Sehnsucht als eine vergebliche bezeichne; und zweitens, mit welchem Ernste er vor ihren Gefahren warne.

,,Es wird die Zeit kommen", so weifsagt Er den Jüngern, „daß ihr werdet begehren einen Tag des Menschensohnes zu sehen"; und das ist die Versicherung, die er hinzufügt: „ihr werdet ihn nicht sehen." Vermesse sich Niemand, seine Rede der Härte und der Rauhigkeit zu beschuldigen. Einer weichlichen schwachen Liebe mag es natürlich seyn, liebliche Täuschungen, Bilder und Träume bestehen zu lassen und gar zu pflegen, es der Zukunft anheim zu geben, daß sie dieselben thatsächlich zerstöre: der Liebe Deffen, welcher die Herrlichkeit voller Wahrheit geoffenbart hat, sind solche Rücksichten einer falschen Zartheit fremd. Aber was ist es doch für eine Sehnsucht,

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