ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

welcher er so entschieden die Hoffnung der Befriedigung raubt, und die er deßhalb als so vergeblich bezeichnet? Wenn wir es betonen, daß die Jünger einen Tag des Menschensohnes begehren würden, so bietet sich die Auskunft dar, daß sie nach der Rückkehr des Alten, nach der Gemeinschaft, die ihnen bis jest vergönnt gewesen, zurückverlangen dürften. Das drückte gewiß ihre innerste Empfindung aus, wenn der Heiland von ihnen sagte, sie könnten jest nicht Leide tragen, denn der Bräutigam sey bei ihnen; dieser unmittelbare seligmachende Verkehr, diese Sicherheit unter dem Schuße seiner Flügel, diese tägliche. Erfahrung, daß er wahrhaftig Worte des ewigen Lebens habe, sehet da eine köstliche Unselbständigkeit, die in späterer Zeit gar wohl ein Gedächtniß der Wehmuth erwecken konnte. Fürchten wir nicht, die Würde der Apostel zu beeinträchtigen, wenn wir derartige Voraussetzungen von ihnen machen. Ein Paulus spricht freilich, daß ihm die leibliche Erscheinung des Herrn fortan in seinen Sinn nicht komme; aber seine Erinnerungen an die Vergangenheit waren auch gar schmerzlicher Art, fie fielen mit den bittersten Selbstvorwürfen zusammen: also stand es nicht mit den übrigen. Schimmert doch deutlich die Freude hindurch, wenn Petrus davon erzählt, daß er einft mit Jesu auf dem Berge der Verklärung gestanden habe; und mit gleicher Liebe wird er sich in manche andere hervorragende Stunde während jener drei Jahre der Seligkeit zurückverseßt haben. Selig sind deine Knechte, so spricht die Königin von Mittag zu Salomo, und alle deine Leute, darum daß sie allezeit vor dir stehen und hören deine Weisheit: und siehe, hier war mehr als Salomo. Ja selbst die Erinnerung an die Schwachheit, an die Mißverständnisse und Verirrungen jener Tage war nur die Trägerin des fröhlichen Gedächtnisses an Seine Huld und Gnade, an Seine Geduld und Leutseligkeit. Nun in der That, ist dieß die Sehnsucht, welche einst der Jünger Herz betreien follte: ihr mußte nothwendig die Befriedigung versagt werden. Wir reden nicht von äußeren Hindernissen, sondern vorzüglich von

der inneren Unmöglichkeit. Wir mögen uns auch nicht bloß auf das ausdrückliche Wort berufen: es ist euch gut, daß ich hingehe, sondern die Natur der Sache selbst soll die schlagende Ueberführung gewähren. Ihr wisset es Alle, es giebt eine Sehnsucht nach dem Früheren, die sich ungeachtet der klaren Erkenntniß behauptet, daß sie eitel sey und bleibe; man nährt den Wunsch in dem Herzen, die Phantasie malt sich seine Erfüllung aus, wie einleuchtend auch der Verstand den Nachweis führe, daß er nie verwirklicht werden könne. Wir verlangen zurück nach Gemeinschaften, in denen wir standen, nach Beschäftigungen, die wir trieben, nach Genüssen, die uns vegönnet waren, wenngleich wir es wissen, sie kehren nimmer wieder. Aber lasset uns den Fall seßen, daß die Wiederherstellung möglich wäre: wie gar bald würden wir unseres Irrthums gewahr werden! Wie würde sich das Frühere doch in der Gegenwart so ganz anders erweisen, als es unsere Erinnerung bewahrt hat; wie wenig würde es uns das gewähren, was wir uns davon versprechen; wir selbst sind ja anders geworden; unser Herz, unser Auge sind nicht mehr die alten; jezt würde uns kalt laffen, was uns damals begeisterte, jest würde uns lästig und unbequem seyn, was damals die Quelle unserer Freude, ja unseres Entzückens war. Die Täuschung beruht darauf, daß unsere Erinnerung nicht die Gegenstände der früheren Freude festgehalten hat, sondern eben jene Freude selbst; der Eindruck, den wir damals empfingen, ist in unserem Bewußtseyn haften geblieben, ihn allein haben wir bewahrt, und so sind wir außer Stande, das Recht zu prüfen, mit welchem uns der einstige Besit so fröhlich gestimmt hatte. Nein, nie kann uns dasselbe in der Gegenwart erquicken, was die Ursache einer vergangenen Freude war. So stand es um die Jünger. Freilich bei dem Herrn selbst konnte kein Wechsel Statt finden; gestern, heute und in Ewigkeit ist er derselbige; aber ein gewaltiger Umschwung war in ihren eigenen Herzen vorgegangen. Der irdischen Gemeinschaft mit Christo waren sie entwachsen; das war die Schule gewesen, die sie treu benußt

und durch welche sie für den Uebergang in eine höhere Gemeinschaft reif geworden waren: und nun eine Rückkehr zu dem Alten? über den Wunsch mögen wir uns nicht verwundern; aber es bleibt dabei, die Thorheit hat ihn eingegeben, solch einen Tag werdet ihr nicht sehen, so lautet die entschiedene Weißagung des Herrn.

Aber vorausgeseßt, daß wir den Sinn der Worte nicht ganz verfehlt haben, so kann uns diese Auslegung doch bei weitem feine volle Genüge gewähren. Denn wenn die Jünger wirklich von der Sehnsucht nach jener früheren Zeit ergriffen waren, so mußte ein solcher Rückblick unmittelbar zu einem verlangenden Hinausschauen in die Zukunft umschlagen. Hier konnten sie sich ja auf bestimmte und ausdrückliche Verheißungen berufen. Sie hatten dieselben vielfach aus dem eigenen Munde des Herrn vernommen; und dahin lautete die Weifung des Engels bei der Himmelfahrt: dieser Jesus wird wiederkommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren. Drängt sich denn von hier aus von selbst die Vermuthung auf, daß die Wiederkunft des Erlösers den Gegenstand ihrer künftigen Sehnsucht bilden werde, so empfängt dieselbe ihre vollkommene Bestätigung durch das Schlußwort unseres Abschnitts, des Menschen Sohn werde an seinem Tage einem Blize gleichen, der über den ganzen Erdkreis gehe. Wie aber? Auch diese Sehnsucht erklärt der Herr für eine eitle? auch in diesem Sinne versichert er, ihr werdet umsonst begehren, jenen Tag zu schauen? Da scheint ein Widerspruch vor Augen zu liegen, der für den erwägenden Verstand nicht minder unlösbar ist, wie er das Gemüth aufs Schmerzlichste berühren muß. Von nun an, spricht der Erlöser zu den Hohepriestern, werdet ihr des Menschen Sohn kommen sehen in den Wolken des Himmels; seine Feinde sollten seine Macht erfahren, aber seine Freunde seinen Trost entbehren? Und wie stimmt das mit seiner sonstigen Unterweisung? Will er zurücknehmen und beschränken, was er sonst betheuert hatte? Das war seine Ermunterung: seyd gleich den Knechten, die

der Ankunft ihres Herrn gewärtig sind, seyd gleich den wachenden Jungfrauen, die mit geschmückter Lampe des Bräutigams harren. Das war sein Trost: hebet eure Häupter in die Höhe, von dannen eure Erlösung kommt. Und diese Fackel, die er selbst entzündet, dieß einzige Licht, welches die trübe Zukunft erhellt, löscht er eigenhändig aus, so daß sich das Recht auf die Seite Derer zu neigen scheint, welche wähnen, es bleibe Alles wie es von der Väter Zeit gewesen sey? Das also nicht das rechte Zwiegespräch, wie es am Schlusse der ganzen Offenbarung zwischen dem Erzhirten und seiner Heerde gehalten wird, der Herr spricht: siehe ich komme bald; und die Gemeinde entgegnet: ja komm, Herr Jesu? Das also ein Mißverständniß, wenn die Apostel immerdar ermuntern, zu wachen und zu beten, und fröhlich zu seyn in der Erwartung des nahenden Herrn? Allerdings, hier steht es ausdrücklich geschrieben: ihr werdet begehren einen Tag des Menschensohnes zu sehen, und werdet ihn nicht sehen. Wir dürfen diesen Widerspruch auf keinen Fall auf sich beruhen lassen; denn hier ist kein Dunkel, kein Geheimniß, das ohne Schaden auch ungelöst verbleiben mag, sondern die Frage hat für unser Heil und unsern Frieden die allerhöchste Bedeutung. Wenden wir uns sofort zu dem Ausdrucke, welcher augenscheinlich den Schlüffel enthält. Jesus spricht von einem Begehren; wir haben es in den verwandten Begriff der Sehnsucht überseßt. Was ist doch Sehnsucht? und auf welchem Gebiete pflegt sie sich zu bewegen? Bleiben wir nicht an einzelnen Aeußerungen und Eigenschaften haften, die sich sey es zufällig oder nothwendig an dieselbe anschließen mögen; ihr innerstes Wesen müssen wir in's Auge faffen. Der Herr ist uns selbst dazu behülflich, indem er von der Sehnsucht nach seinen Tagen spricht. Das ist eine Zeitbestimmung. In der That, die Schnsucht hat es vorzugsweise, ja wir möchten sagen, einzig und allein mit der Zeit zu thun. Was ist sie doch anders, als der Wunsch, daß die Stunden schnell vergehen, die uns von einem erwarteten, ja in

[ocr errors]

sichere Aussicht gestellten Genusse trennen? daß diese Kluft, welche uns zu dem Gegenstande unserer Freude nicht sofort zu gelangen gestattet, eilig möge ausgefüllt werden? Aber wie dünkt euch um folch' einen Wunsch? Die Zeit ist eine Macht, welcher alles in der Zeit Gewordene unterworfen bleibt. Es giebt nur Einen Herrn der Zeit, es ist der Gott, der sie selbst geschaffen, vor dem daher tausend Jahre wie ein Tag, der gestern vergangen, und wie eine Nachtwache sind, der Gott, welcher ist und war und seyn wird. Für alles andere außer ihm ist sie eine unaufhebbare Macht. Sie geht ihren sicheren stetigen Schritt; sie läßt sich nicht aufhalten, sie läßt sich nicht beschleunigen. Eitle Klage über ihre schnelle Flucht, des Menschen Zeit fahre dahin wie ein Schatten, es sey als flögen wir davon; eitle Klage über ihren trägen Verlauf, erhoben insonderheit in den Tagen, die uns nicht gefallen. Es ist die Sache der Weisheit, ihre Macht anzuerkennen, mit ihr ganz eigentlich ein Bündniß einzugehen; - ein Bündniß, nicht in dem Sinne der Welt, die von derselben die Heilung schmerzlicher Wunden, die Tröstung über erlittene Verluste, die Beruhigung über bange Besorgnisse, Rath in verlegenen Fällen erwartet, als könnte die Zeit an sich selbst helfen, lehren, rathen; sondern im Sinne des Apostels: schicket euch in die Zeit; kaufet aus die Zeit; unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige, über alle Maßen wichtige Herrlichkeit. Das ist Weisheit. Aber nicht wahr? als augenscheinliche Thorheit erweist es sich, wider sie zu kämpfen, - ein hoffnungsloser Streit, der ohne Frage mit unserer eigenen Niederlage endigen wird. Zwar wir haben von Solchen gehört, welche die Zeit vertreiben und verscheuchen können, welche die unselige Kunst verstehen, sie selbst zu tödten; lassen wir uns aber durch den Wortlaut nicht täuschen; ist es doch keine eigentliche Feindschaft gegen die Zeit, die sich in solchem Gehaben abdrückt, sondern nur der Wunsch, die tief empfundene Leere des eigenen Herzens auszufüllen. Einen wirklichen Kampf gegen die Zeit beginnt nur die Sehn

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »