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Wenn der sumero-akkadische Bericht noch einige Lichtstrahlen der Wahrheit enthält, so ist in dem viel spätern babylonischen Märchen keine Spur sittlicher Regung oder eines religiösen Gedankens oder einer Entschei dung über Gut und Böse mehr zu finden; und aus solch einer trüben Quelle kann unmöglich der biblische Bericht geflossen sein, so wenig als der klare Jordan aus dem toten Meer entspringt.

Aber ein babylonischer Siegelcylinder zeigt doch, so sagt man, einen Baum mit herabhängenden Früchten, und rechts unter dem Baum sitt ein Mann mit Hörnern, dem Zeichen der Kraft; links aber streckt ein Weib ihre Hände nach den Früchten aus, und hinter dem Weibe windet sich eine Schlange in die Höhe. Und wenn es aus andern Tafeln erwiesen ist, daß die Schlange aib ilani, d. i. Feind der Götter, heißt, warum soll das kleine Bild von einem Baum, Mann, Frau und Schlange nicht an den Sündenfall der ersten Menschen erinnern? Dann hätten doch die Hebräer in Babel eine Quelle ihrer Erzählung gefunden! Über dieses Mal ist die Wissenschaft selbst grausam und zerschlägt schonungslos die schöne Entdeckung und stellt sie als leere Einbildung dar. Sie sagt: Der angebliche Mann ist kein Mensch, sondern ein Gott; denn nur ein Gott trägt Hörner; und das angebliche Weib ist kein Weib, sondern ein bekleideter Mann, ein Gott oder Priester eines Gottes 1). Demnach wird das Bildchen gedeutet: Izdubar-Gilgamis und Eabani sizen am Baum des Lebens. Aber wo bleibt die Schlange? Diesen gekrümmten Strich erklärt der eine Gelehrte für einen leeren Zierrat, der andre aber bleibt dabei, es sei eine Schlange, doch gesteht er zu, diese Schlange befinde sich nicht an dem Ort, wo die Erzählung der Bibel ihre Leser sie suchen läßt.

Häufig wird auf babylonisch-assyrischen Denkmälern, auch auf Särgen, der heilige Baum abgebildet gefunden. Bald wird er von ge flügelten Cheruben angebetet, bald hält unter ihm ein Priester das Opfertier am Horn fest und in der andern Hand sieht man das Opfermesser bereit zum tödlichen Schnitt. Aber dieses Bild hat nichts zu tun mit irgend einem Baum des Paradieses; dagegen sieht man auf meh reren dieser Bilder das häßliche Zeichen der Unzucht oder des Istar Ustarte-Dienstes.

6. Babylonische Sintflutsagen.

Berosus, ein Priester des Gottes Bel zur Zeit Alexanders des Großen, den wir schon öfter hören durften, erzählt nach den Tempelurkunden, Chronos sei dem Xisuthros 2) erschienen und habe ihm an

1) So noch Dillmann, U. d. W. 1882, S. 432.

2) Lucian nennt ihn Sifythes.

gekündigt, es werde am fünfzehnten Tag des Monats Daesius die ganze Menschheit durch eine große Flut umkommen. Sodann befiehlt er ihm, den Anfang, die Mitte und das Ende alles Geschriebenen zu nehmen und in der Sonnenstadt Sippara zu begraben, weil sie, wie ein deutscher Gelehrter weiß, der Sonnengott in der ihm heiligen Stadt in seinen persönlichen Schuß nehmen wollte.

Wichtig ist, daß nach Berosus die ganze Menschheit untergehen sollte, und daß nach ihm die Schreibekunst schon vor der großen Flut erfunden und gebraucht worden ist, worüber die hebräische Ueberlieferung schweigt.

Auch gab Chronos dem Xisuthros den Rat, ein Schiff zu bauen und mit seiner Familie und seinen liebsten Freunden hineinzugehn, auch Vorräte von Lebensmitteln mitzunehmen und die Tiere, vierfüßige und Vögel, hineingehn zu lassen und zuletzt alles zum Segeln vorzubereiten.

Xisuthros gehorchte dem göttlichen Auftrag und erbaute ein Schiff, fünf Furlong lang und zwei Furlong breit, sammelte alles, was ihm vorgeschrieben war, und schiffte sich mit seiner Frau, seinen Kindern und vertrauten Freunden ein. Nachdem die Flut gekommen war und bald wieder abgenommen hatte, ließ Xisuthros einige Vögel frei. Da diese weder Nahrung, noch einen Platz zum ruhen fanden, kehrten sie zum Schiff zurück. Nach einigen Tagen gab Xisuthros ihnen wieder die Freiheit, aber wieder kamen sie zum Schiff zurück und hatten die Füße voll Schlamm. Endlich, nachdem er sie zum dritten Mal in Freiheit gesetzt hatte, kamen sie nicht wieder. Da wußte Xisuthros, daß das Land nicht mehr von Wasser bedeckt sei. Er machte hierauf eine Oeffnung im Dach des Schiffes und sah, daß es auf einem Berge stillgestanden war. Er stieg heraus mit seinem Weibe, einer Tochter und einem Steuermann, betete die Erde an 1), errichtete einen Altar und opferte auf ihm den Göttern. Aber in diesem Augenblick verschwand er mit denen, die ihn begleitet hatten. Die andern schrieen laut, bis eine Stimme ihnen befahl, gottesfürchtig zu sein wie Xisuthros, der wegen seiner Gottesfurcht zu den Göttern erhoben worden sei.

Indem Berosus davon sagt, die ganze Menschheit solle umkommen, und von der Gottesfurcht des aus der flut Geretteten weiß, zeigt er an, daß er neben den uns bekannten Sintflutsagen der Babylonier auch noch andere Quellen benutzt hat. Die vollständigste babylonische Darstellung der großen Flut stammt etwa aus der Zeit Hammurabis und ist, wie schon erwähnt, auf der elften Tafel des Epos Enuma elis aufgezeichnet, wo Atrahasis, der Ueberweise, seinem Gast Gilgamis also erzählt 2):

1) Er kniete auf die Erde nieder, voll Dank und freude, daß er wieder festen Boden unter den füßen hatte.

2) Nach Jensen K. B. VI.

„Etwas verborgenes will ich dir, Gilgamis, eröffnen und ein Geheimnis der Götter will ich dir verkünden. Surripak, eine Stadt, die du kennst, die am Ufer des Euphrat liegt, diese Stadt ist alt. Denn in ihr beschlossen die Götter, die Sturmflut zu machen, Anu ihr Vater und der gewaltige Bel, ihr Berater und Ninib ihr Herold und Ennugi ihr führer. Der Herr der Weisheit Ea ningiazag hatte mit ihnen geredet und erzählte ihre Rede einem Rohrhaus kikkisu (damit er hernach sagen konnte, er habe keinem Menschen etwas vom Rat der Götter verraten): Rohrhaus, Rohrhaus, Wand, Wand! Rohrhaus höre, Wand verstehe! Mensch aus Surripak, Kind des Ubaratutu), zimmere ein Haus, baue ein Schiff, laß fahren Reichtum, suche das Leben. Hasse Besitz und erhalte das Leben. Bringe Lebenssamen aller Art in das Schiff hinein. Das Schiff, das du bauen sollst, seine Maße sollen gemessen sein. Einander entsprechend sei seine Breite und seine Länge. Bei dem Weltmeer leg es hin."

Das verstand ich und sagte zu Ea, meinem Herrn: „Siehe, Herr, was du befohlen, habe ich ehrfurchtsvoll beachtet und werde es tun. Aber was soll ich entgegnen der Stadt, dem Volk und den Aeltesten?" Ea tat seinen Mund auf und sprach zu mir, seinem Knecht: „Du Mensch, so sollst du zu ihnen sprechen: Nachdem Bel mich verflucht hat, will ich nicht mehr in eurer Stadt wohnen und auf den Erdboden Bels mein Antlitz nicht mehr richten, sondern ich_will_zum Weltmeer hinaus fahren und bei Ea, meinem Herrn, wohnen. Er wird Ueberfluß für mich regnen lassen, Vögel und Fische, eine Fülle von Vieh, reichliche Feldfrucht, wenn an einem Abend die Gebieter der Finsternis einen Schmutzregen über euch kommen lassen werden. . . .

Hier sind in der Anleitung zur Täuschung seiner Mitbürger, die Ea dem Sohn Marduks gibt, mehrere Zeilen der Tafel unleserlich und verdorben; sonst wüßten wir vielleicht besser, was „Schmutzregen" bedeutet, ein Wort, das andere mit „Verderben" wiedergeben. Aber es ist doch ein fruchtbringender Regen gemeint, also ein andauernder, durchdringender Regen, der das Erdreich aufweicht. Weiter erzählt Atrahasis:

Am fünften Tage zeichnete ich des Schiffes Vorderansicht. Einhundertzwanzig Ellen waren die Wände hoch, einhundertvierzig_Ellen die Schrägung des Daches. Das innere teilte ich in sechs, in sieben, in neun Teile, schüttete sechs Saren Erdpech in den Innenraum, drei Saren Asphalt (brauchte ich zum äußeren Anstrich). Den Bauhandwerkern schlachtete ich viele Rinder und Schafe, Most, Sesamwein *) (?), Vel und Traubenwein gab ich ihnen wie Wasser des Flusses. Dann brachte ich in das Schiff all mein Silber und Gold (entgegen dem Befehl Eas), Lebenssamen aller Art lud ich darauf, meine familie und meine Angehörigen, Vieh des Feldes und alle Handwerkersöhne (andre haben „Kunsthandwerker“).

Den Zeitpunkt der Abfahrt hatte Samas festgesetzt: „Wenn die Ge bieter der Finsternis heute Abend einen Schmutzregen regnen lassen werden, dann besteige das Schiff und schließe sein Tor hinter dir zu.“ Mit Bangen erwartete Utrahasis an diesem Tage den Sonnenuntergang, mit Angst bestieg er sein Schiff, dessen Leitung der Steuermann Buzurkugal übernahm. In der frühe des nächsten Tages wurden die Elemente entfesselt. Es erhob sich am fundament des Himmels dunkles Gewölk, in dessen Mitte Adad den Donner krachen ließ, während Nebo

1) Damit bezeichnet Utrahasis sich als einen Sohn Marduks.

2) Hier ist vermutlich ein Schreibfehler im Text. Es sollte wohl heißen „Sesamöl".

und Marduk vorangingen. Nun reißt Uragal den Anker des Schiffes los. Sechs Tage und sieben Nächte rast der Sturmwind 1), die Herolde *) schreiten über Berg und Tal, der Pestgott Dibbara hat die Wirbelwinde entfesselt, der Gott Adar läßt die Kanäle überströmen, die Götter des unterirdischen Waffers fenden gewaltige fluten herauf, lassen die Erde erzittern, das Licht wird in Finsternis verwandelt. Aber die Ununaki erheben ihre Fackeln und lassen das Land von ihrem Glanze erglühen.

Indessen steigt die Flut immer höher und höher, der Bruder sieht nicht nach dem Bruder, die Menschen kümmern sich nicht mehr umeinander. Alle Menschen gehen zu grund, ihre Leichen bedecken das Wasser wie Baumstämme. Selbst die Götter fürchten sich vor dem Wasser und flüchten in den höheren Himmel, wo sie sich wie Kettenhunde am Himmelsgitter niederkauern; denn die Götter, die von Menschengedanken gemacht sind, müssen sich auch die schlechteste Behandlung gefallen lassen. Das wird hier recht offenbar.

Da schreit die schönstimmige Belitilu oder Unatu, die Göttermutter, wie ein kreisendes Weib und alle Götter mit ihr; denn sie bereuen, die Sintflut beschlossen zu haben: „Wäre der Tag doch zu Lehm3) geworden, da ich in der Versammlung der Götter Böses befahl. Wie be fahl ich den Schlachtensturm zur Vernichtung meiner Menschen, daß wenn ich meine Menschen gebären lasse, sie wie Fischbrut das Meer erfüllen." So klagen und weinen die Götter, indem sie mit den Anunaki auf dem asru) sitzen. Schon dauert die Flut sechs Tage und sieben Nächte, die ganze Menschheit ist zu Erde geworden. Aber am siebten Tage legte sich die Flut, die wie ein gewaltiges Kriegsheer gekämpft hatte. Der Sturm ließ nach, das Meer wich in seine Ufer zurück.

Sobald das Tageslicht gekommen war, erzählt Atrahasis weiter, betete ich, öffnete ein Luftloch, und das Tageslicht fiel auf die „Mauer meiner Nase“. Um andern Tage stieg eine Insel auf, und das Schiff steuerte auf das Land Nisir zu, das am untern Zab liegt. Ein Berg hielt es dort fest. Als das Schiff dort sechs Tage gelegen, ließ Atrahasis eine Taube fliegen. Sie konnte keinen Ruheplatz finden und kam wieder zum Schiff zurück. Danach ließ er eine Schwalbe hinaus, aber auch sie kehrte zum Schiff zurück. Der Rabe aber, der zum dritten Versuch diente, sah das Schwinden des Waffers, krächzte und kam nicht wieder. Nun verläßt Atrahasis, nachdem er allem Getier, das er im Schiff bei sich hatte, die Freiheit gegeben, mit den Seinen das Schiff, errichtet auf dem Berg Nisir einen Altar, schlachtet Schafe zum Opfer nach den vier Winden und sett adagur-Gefäße je sieben und sieben auf und legt unter

1) Wo bleibt da das Schiff?

2) Andre übersetzen Thronträger“.

3) fragliche Uebersetzung.

4) U. Jeremias, U. T. O., S. 36 versteht darunter den Tierkreis.

sie Schilfrohr, Zedernholz und Weihrauch 1). Die Götter riechen aber den angenehmen Duft und sammeln sich wie fliegen um den Opferaltar.

Auch Istar, die hehre Göttin, kommt heran und richtet am Himmel die großen Bogen 2) auf, die ihr Vater Unu geschaffen hatte, und sprach: Seht, ihr Götter, diese hier! So gewiß ich den Edelsteinschmuck meines Halses nicht vergesse, will ich mich dieser Tage erinnern und in ferner Zukunft nicht vergessen. Wenn die Götter an das Schlachtopfer herangehn, soll Bel nicht herankommen, weil er sich nicht besann und die Sturmflut machte und die Menschen zum Strafgericht bestimmte."

Auf Istars Anregung wird hierauf ein zweiter Rat der Götter gehalten, in dem es bald zum gewohnten Streit kommt. Bel ist darüber erzürnt, daß der flut Einhalt geschehen ist; denn sein Wille war, kein Mensch sollte im Strafgericht leben bleiben. Weiter klagt er darüber, daß Ea dem Atrahasis zur Rettung geholfen; Ea aber macht Bel zum Vorwurf, daß er unüberlegt gehandelt und ohne Unterschied alle Menschen vernichtet habe. Er meint: Dem Sünder lege seine Sünde auf, den Missetäter lasse seine Missetat tragen, aber mache ihn los, daß er nicht abgeschnitten werde. Schicke Löwen und Leoparden, Pest oder Hungersnot, aber keine Sturmflut, die alle Menschen vertilgt. Hätte sich doch Uru erhoben und das Land hingeschlachtet! Ich habe kein Geheimnis der Götter verraten. Den überklugen Ütnapistim ließ ich Traumbilder schauen. So vernahm er das Geheimnis der Götter."

Nach dieser Rede raten die Götter Eas Rat, und Bel wendet seinen Sinn. Er geht in das Schiff hinein, ergreift Utrahasis an der Hand und macht einen Bund mit ihm, der mit seinem Weib vor ihm niederkniet. Bel segnet sie und spricht: „Vormals war Utnapistim ein Mensch, nun soll er und sein Weib wie die Götter sein 3)." Da nahmen sie mich und ließzen mich fern an der Mündung der Ströme wohnen." Also ward Atrahasis der Stammvater der alten Babylonier, die das Meerland besiedelten.

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Ein Rückblick auf alle die Göttersagen, die hier in möglichster Vollständigkeit mitgeteilt sind, wird wohl am Plaße sein. Sie verraten uns nicht, wie viel Hamiten und Semiten von der den Menschen von Anfang an vertrauten Wortoffenbarung nach Babylonien mitgebracht haben. Wohl ist die alte Ueberlieferung mit den Kindern der aus der Sintflut geretteten Menschen aus dem Quellgebiet der Flüsse des armenischen Hochlandes, dem Lauf des Wassers folgend, in die Ebene herabgestiegen), sodaß die Abkunft der neuen Menschheit von Norden her

1) Jensen hat hier simgir oder Myrte, nach andern soll es das wohlriechende ondropogon Schönanthus oder Kamelheu sein.

2) Jensen versteht unter nimmis Intaglios d. i. Gemmen.

3) Hier ein deutlicher fingerzeig, woher viele Götter der Babylonier gekommen sind.

4) Vergl. Dillmann, U. d. W. 1882, S. 438.

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