ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Geistiger Kontakt der Völker im Stierzeitalter.

=

27

Und der Mythus von Rohini (Rohini ist als Morgenstern Aldebaran, dem größten Stern der ebenfalls zum Stier gehörigen Hyaden) nennt Rohini das Weib des Mondes, setzt also ebenfalls eine Zeit voraus, in der Aldebaran wirklich die Reihe der Mondstationen eröffnete. Diese Zeit ist aber das Stierzeitalter (Frühlingspunkt der Sonne im Stier), das rechnerisch ungefähr von 3000 v. Chr. an einsetzte1, und das durch Sargon und durch die Hammurabi Dynastie zur Geltung gebracht wurde (Zeitalter Marduks und Babylons). So können wir also die Zeit bestimmen, in der die Lehre entstanden ist, die z. B. in Arabien, China, Indien noch nach Jahrtausenden dem Kreislaufsystem zugrunde liegt, obwohl sie längst nicht mehr stimmte. Es ist die Lehre von Babylon, die sich um 2800 v. Chr. geltend machte im Gegensatz zu einer älteren euphratensischen Lehre, die mit den Zwillingen als Ausgangspunkt rechnete. Auch diese ältere Lehre wird übrigens einen geistigen Kontakt im Völkerverkehr geschaffen haben. Die Spur davon finden wir z. B. in dem Dioskurenmythus, der die Geschichtsanfänge umrankt❜.

1) Innerhalb ca. 2200 Jahren (alle 72 Jahre einen Grad) rückt der Frühlingstagesgleichenpunkt der Sonne um ein Tierkreisbild weiter nach Osten. Dem Stier gehen die Zwillinge voraus und es folgt ihm der Widder. Jetzt ist er bereits über die Fische hinaus, unser Kalender hat im Widderpunkt die alte Rechnung, mit der der ptolemäische Kanon begann, bekanntlich erhalten. Eine Übersicht über die astronomischen Zeitalter bietet ATAO 2 62 ff.

2) Vielleicht auch im römischen Kalender, der mit seinem Januar (Janus-Mond stellt die Zwillinge dar) als ersten Monat die Jahresuhr um 2 Nummern zurückstellt (e in e Nummer rückwärts würde dem Stierzeitalter entsprechen), obwohl er mit der Bezeichnung Dezember als letzten Monat (Quinctilis-Dezember 7.-12. Monat) zu erkennen gibt, daß der Jahresanfang im 3. Monat liegen müßte (entsprechend dem Widderzeitalter bei Einführung des Kalenders), vgl. Winckler F. II, 370 ff. III, 289, ATAO 2 66. Im neubabylonischen Kalender (Widderzeitalter) nimmt der Monat Siwan, der dem als „Zwillinge" bezeichneten Mondgott heilig ist, die dritte Stelle nach Frühlingsanfang ein; die Weltzeitalteruhr muß also zweimal gerückt sein.

28

Der Alte Orient und die ägyptische Religion.

Der Alte Orient und die ägyptische Religion.

Dem hier folgenden Kapitel liegt die Absicht zugrunde, eine Probe auf das Exempel zu machen. Es soll gezeigt werden, daß die hinter der ägyptischen Religion stehende Ideenwelt nichts anderes ist als einer der Dialekte der Sprache des Geistes, für die der Name Panbabylonismus von uns akzeptiert worden ist.

Wir schließen unsre Betrachtung an das vor zwei Jahren erschienene Buch über die ägyptische Religion von Adolf Erman an1. Vor dem Erscheinen des Ermanschen Buches wäre die folgende Betrachtung nicht gut möglich gewesen. Auf keinem andern Gebiete der Religionsgeschichte ist es für den Nichtfachmann so schwer, selbst unter Zuhilfenahme guter Übersetzungen sich zurecht zu finden, wie auf dem Gebiete der ägyptischen Götterlehre. Das inschriftliche Material ist unübersehbar groß und die Auslegungen und Übersetzungen gehen oft weit auseinander. Ermans Buch zeichnet ein Bild der ägyptischen Religion, wie es sich ihm nach dreißigjähriger Beschäftigung mit den Denkmälern darstellt“. Der Wert des Buches liegt m. E. in der Darbietung des Materials. In der Darstellung der Religion selbst ist der Verfasser, wie er selbst erklärt, gleich seinen Vorgängern nicht über „die erste Orientierung auf einem verworrenen Gebiete" hinausgekommen. Und doch hätte man mit den vorhandenen Mitteln weiter kommen müssen, wenn nicht die führenden Ägyptologen den Schlüssel zur Lösung des Rätsels der Sphinx achtlos beiseite geschoben hätten.

[ocr errors]

Die Ägyptologie entstand als Wissenschaft in der S. 18 charakterisierten Zeit, in der man unter dem Einfluß einseitiger

1) Handbücher der Kgl. Sammlung zu Berlin 1905. Der kleinere Teil der hier wiedergegebenen Ausführungen gibt unter mancherlei Abänderungen und Zusätzen einen Aufsatz wieder, den der Verfasser in der Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung vom 3. August 1906 veröffentlicht hatte.

Ägypten im Kulturverkehr des Altertums.

29

philologischer Betrachtungsweise von der Ansicht ausging, die einzelnen Völker hätten eine getrennte, voneinander unabhängige Existenz führen können. Das landläufige Exempel dafür war China, dessen „chinesische Mauer" gleichsam als Symbolum einer geistigen Sonderexistenz der Völker galt. Das Auftauchen des alten Ägyptens mit seiner scheinbar sonderbaren fremdartigen Kultur schien auch nicht dazu angetan, die Voraussetzung umzustoßen; Ägypten erschien als eine gesonderte Enklave der alten Welt. Inzwischen hat man umgelernt, und man hat den Geist dieser scheinbar separierten Kulturwelten begriffen. Insbesondere haben die Monumente gezeigt, daß die großen vorderasiatischen Bildungsvölker in lebendigstem Verkehr miteinander gestanden haben und daß sie eine einheitliche Kultur gehabt haben, ebensogut wie moderne occidentalische durch Sprachen getrennte Völker eine gemeinsame „europäische Kultur" besitzen. Ägypten gehört zum vordern Orient. Die alte Geographie rechnet es übrigens zu Asien, nicht zu Afrika. Die Urkunden bezeugen den lebhaften Geistesaustausch zwischen den Reichen am Nil und am Euphrat. Aber die modernen geistigen Beherrscher Alt-Ägyptens wollen die Konsequenzen nicht ziehen1. Ihre Ägyptologie bildet in der

1) Vgl. die Sätze Benzingers S. 12 Anm. 4. Zu meinem Erstaunen finde ich eine abweichende Meinung bei Hub. Grimme (Das israelitische Pfingstfest und der Plejadenkult, Paderborn 1907), der selbst das Material der altorientalischen Welt in seinen Arbeiten verwendet (vgl. Mohammed in Kirchheims Weltgeschichte in Charakterbilder). Er gibt in der Einleitung die Intensität der altorientalischen Kultur ausdrücklich zu im Sinne H. Wincklers, ist aber unsicher in Beurteilung der Wesenheit der Kultur des Orients. Insbesondere meint er, es sei überkühn, für ihre Entwicklung den gleichen Ausgangspunkt zu nehmen. Ihr Geistesleben lasse weder die Vorstellung einer ursprünglichen Gleichheit noch die einer späteren intimeren Annäherung aufkommen. Hub. Grimme ist wohl inzwischen die erste Auflage dieser Schrift zu Händen gekommen. Vielleicht überzeugt sie ihn davon, daß die allerdings vorhandene „Tendenz gegenseitigen Abstoßens" nicht im Widerspruch zur Einheitlichkeit ihrer Geisteswelt steht, sondern daß diese sich berührenden und einander abstoßenden Gegensätze einem Grundgesetz der altorientalischen Weltanschauung entsprechen. Eine Verständigung ist freilich kaum denkbar, solange H. Grimme an der althergebrachten Vorstellung einer „semitischen Kultur" festhält, die sich zwischen Ägypten und Altbabylonien (in verhältnismäßig später Zeit) eingeschoben haben soll. Wir kennen nur eine semitische Ausprägung altorientalischer Ideenwelt und Kultur.

30

Ägypten im Kulturverkehr des Altertums.

Republik Wissenschaft einen Staat für sich. Seit Jahrzehnten gilt ihre Arbeit fast ausschließlich der philologischen Forschung. Das hat gewiß sein Gutes. Wir „Babylonier" könnten an der entsagungsvollen Arbeitsmethode lernen. Aber diese Betonung der Philologie bringt die Nebenerscheinung mit sich, daß das abgegrenzte Sprachgebiet auch als abgegrenztes Kulturgebiet erscheint. Es ist Zeit, die Tore zu öffnen, die von Ägypten nach Babylon und von Babylon nach Ägypten führen1.

Am Schlusse seiner Einleitung sagt Erman: „Es erscheint mir richtig, den ägyptischen Glauben so zu schildern, wie er einem unbefangenen Beobachter erscheint, der von den Theorien

1) Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben, daß unter älteren Agyptologen bereits einmal eine großzügige Betrachtungsweise zu finden gewesen ist. Vor allem ist hier hinzuweisen auf den genialen H. Brugsch. Auch die Werke von Victor v. Strauß und Torney haben fruchtbare Anregungen gegeben. Mit den Mitteln der modernen Orientkunde ist für eine Gemeinschaft der Anschauungen zwischen ägyptischer und babylonischer Kultur (und zwar in dem Sinne, daß die ägyptische Kultur ein Absenker babylonischer Kultur sei) seit langer Zeit Fritz Hommel in zahlreichen Schriften eingetreten, zuletzt Grundriß der Geographie und Geschichte des Alten Orients, I. Teil, München, Beck 1904 S. 108 ff.; Memnon I, 80 ff. Bereits 1885 suchte er in seiner Geschichte Babyloniens den Nachweis zu führen (s. S. 13), „daß die babylonische Kultur älter ist als die ägyptische, ja daß letztere in ihren wichtigsten Erscheinungen sogar eine gewisse Abhängigkeit von der babylonischen zeigt". Hommel hat in diesem Sinne auf verschiedenen Gebieten der babylonischen und ägyptischen Kulturwelt durchaus richtige Zusammenhänge gesehen. Wir weichen von seiner Betrachtungsweise insofern ab, als wir es für unzulässig halten, aus der Identität der Worte (Namen) die Identität der Begriffe zu erweisen. Unsre Auffassung bezweckt, den Inhalt der Begriffe aus der Vorstellungswelt der betreffenden Völker festzustellen und die gleichen Begriffe und Vorstellungen als gleich anzusetzen ohne Rücksicht auf die Identität der Worte. Auch kommt es uns bei der Gleichsetzung kultureller Vorstellungen und Einrichtungen nicht auf den Nachweis der Entlehnung in irgendwelcher historischen oder prähistorischen Zeit an, sondern auf den Nachweis der gleichen Geisteswelt, die hier wie dort gleiche Kulturwerte schafft. Ob Babylonien das „Ursprungsland" ist, ist dabei zunächst gleichgültig, vgl. S. 33. Uns würde z. B. der von Hommel erbrachte Nachweis von der Identität der Stufenpyramide und des babylonischen Stufenturmes nicht als eine Entlehnung des einen aus dem andern, sondern als eine Ausführung desselben Grundgedankens interessieren. Die Behandlung dieses Problems lag den früheren Forschungen Hommels fern.

[blocks in formation]

der modernen Religionswissenschaft nichts weiß. Der Leser wird daher weder etwas von Animismus noch von Fetischismus, noch von chthonischen Gottheiten, noch gar vom Medizinmann zu hören bekommen; wir wollen diese Dinge nicht in eine Religion hineintragen, die sich auch ohne sie verstehen läßt." Nun sind wir durchaus damit einverstanden, daß man die Religionsgeschichte mit eingetragenen Theorien verschont. Um so mehr ist man dann freilich erstaunt, in der Darstellung selbst solchen Hineintragungen zu begegnen1. So heißt es z. B.: Weil die Urzeit sich den Wassergott als ein Krokodil und den Mondgott als einen Ibis gedacht hatte, werden diese Götter nun auch später oft so dargestellt und gedacht." Hier wäre die in der Einleitung vom Verfasser versprochene Reserve sehr am Platze gewesen. Abgesehen von dem „weil" denn man fragt: "Warum?" wird hier Totemismus hineingetragen und zwar in die „Urzeit", von der wir doch nicht das geringste wissen. Die Theorie von einem „ursprünglichen" (ein sehr gefährliches Wort) Totemismus geht übrigens bei Erman so weit, daß er von der kuhohrigen Hathor behauptet, der ursprüng

[ocr errors]

2

[ocr errors]

1) Einmal (S. 93) scheint Erman sogar Kannibalismus vorauszusetzen bei Behandlung eines Textes, der, wie wir zeigen werden (s. unten S. 41. 64), in bizarrer Poesie eine tiefsinnige Idee zum Ausdruck bringt.

2) Vgl. v. Landau, Beiträge zur Altertumskunde des Orients IV, S. 29 f.: In dem Worte ursprünglich“ ist der ganze Grund der Verschiedenheit der neuen Auffassung gegeben. Es handelt sich aber lediglich um die Verschiebung der Zeitgrenze, um eine andere Auffassung vom Alter der orientalischen Kultur und ihrer Lehre. Das System ist bereits in der ältesten uns bekannten historischen Zeit fertig, und die Aufgabe, die wir haben, ist zunächst, sein Wesen und seine Vorstellungen kennen zu lernen. Erst wenn dies geschehen, kann, wer will, über seine Entstehung spekulieren. Innerhalb der historischen Zeit gibt es kein „ursprünglich“. . . Wenn man glaubt, das Wesen einer Gottheit gefunden zu haben, so stellt sich meist von selbst das Wort „ursprünglich“ ein. Geht man der Sache nach, so wird man stets finden, daß dieses „ursprünglich“ keine Berechtigung innerhalb der historischen Zeit hat, daß das ganze System bereits in der ältesten Zeit besteht. Vgl. hierzu ferner Winckler, Forschungen III, 205: Wir stehen vorläufig noch zu sehr unter dem Einflusse unsrer alten Vorstellungen von Geschichte und Altertum, als daß wir nicht unwillkürlich, wenn wir einen festen Punkt gefunden haben, diesen als Ausgangspunkt der Entwicklung ansehen sollten. Alles, was wir in unsern Quellen finden können, gehört dem längst entwickelten und völlig durchgebildeten System an."

[ocr errors]
« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »