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Es ist aber gut und für das sinnende Gemüth ein Bedürfniß, immer wieder und zumal bei einem neuen Wendepunkt der Zeit sich über den Stand der Sache zu orientiren, an der man dient und arbeitet. Die Handelsleute machen beim Jahreswechsel ihr Inventar und ziehen ihre Bilanz: warum sollten wir Missionsleute das nicht auch so halten? Ob unser Soll und Haben gut stehe oder schlecht, ist immer eine beunruhigende Frage; aber nur der Leichtfertige und Untreue hat die Ungewißheit lieber, als die klare, zuverläßige, wenn auch demüthigende und niederschlagende Gewißheit. Treten wir in treuem Ernste zuvörderst der Frage näher: wie steht der große König, dem wir dienen, zu Seiner Sache?

Als im Anfang des vorigen Jahrhunderts (1706) auf Anregung des frommen Königs Friedrich IV. von Dänemark die ersten Missionare von Halle nach Indien auszögen, und als 26 Jahre darauf (1732) aus Herrnhut die vier ersten Sendboten der Brüdergemeinde nach Westindien und Grönland aufbrachen, da lag die Heidenwelt noch fast überall gegen den Eintritt der Zeugen des Evangeliums wie mit ehernen Riegeln verschlossen da. Eine ganze Heerschaar von feindseligen Elementen schien sich um die heidnischen Nationen der Erde hergelagert zu haben und den Einzug der evangelischen Missionare fast unmöglich zu machen. Die Unsicherheit der Meere, über welche der Weg führte, die unentwickelte Schifffahrtskunde, das Klima der Tropen wie der Polarländer, die Sklaverei, die Macht des römischen Pabstthums in den überseeischen Ländern, der Islam, das Kastenwesen, die Abschließungspolitik der großen Handels- Kompagnien, die völlige Verschlossenheit der mächtigen Heidenreiche des asiatischen Ostens, alles dieß lag wie ein unübersteiglicher Gürtel feindlicher Bollwerke um die Heidenwelt her und schien dem Evangelium den Eingang zu verwehren. Dazu kam die Geringfügigkeit der Mittel, die für ein so weitreichendes Werk zu Gebot standen, und die geringe Zahl derer, die zur schweren Arbeit bereit waren. Die Sache stand sehr ernst und bedenklich. Da legte sich die kleine Schaar von Missionsfreunden, die vom Geiste des Herrn zur Arbeit an der Ausbreitung des Reiches Gottes erweckt worden war, aufs Beten. Sie hielt dem großen Könige, dem die Heiden zum Erbe und der Welt Enden zum Eigenthum gegeben sind, seine Verheißungen vor und flehte um seine gnädige und allmächtige Dazwischenkunft. Im Namen Aller stimmte der geistesbrünstige edle Bogazky ums Jahr 1748,

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„zu einer Zeit, da er vom Herrn besonders erweckt war, Arbeiter zu bitten," sein herrliches Gebetslied an:

Odaß dein Feuer bald entbrennte!

O möcht' es doch in alle Lande gehn,
Herr, daß jedes Volk erkennte,

Was zur Erlösung ihm von dir geschehn!

Du Herr der Ernte, siehe doch darein!

Die Ernt' ist groß, die Zahl der Knechte klein.

Dein Sohn hat ja mit klaren Worten

Uns diese Bitte in den Mund gelegt.

O fiehe, wie an allen Orten

Sich deiner Kinder Herz und Sinn bewegt,

Dich herzinbrünstig hierum anzuflehn!

Drum hör', o Herr, und sprich: Es soll geschehn!

um treue

Von da an hörte dieses Flehen und Rufen nimmer auf. Es wurde immer voller und voller zur Wahrheit, daß an allen Orten sich Herz und Sinn der Kinder Gottes bewegte, Ihn herzinbrünstig anzuflehn" um Eröffnung der Heidenwelt und um Arbeiter in die große Ernte. Es war in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, daß diese Missionsgebete wir möchten sagen - eine festere Gestalt annahmen und zu einer regelmäßigen Saché aller lebendigen Christenhäuflein wurden.

Der Baptistenprediger Andrew Fuller, einer der edelsten Männer Gottes in England, war damals (seit Okt. 1782) an einer zahlreichen Gemeinde in Kettering, Grafschaft Cambridge, thätig, und sein Amt war reich mit Früchten der Gerechtigkeit gesegnet. Auch mit benachbarten gleichgesinnten Predigern stand er in inniger Liebes- und Ge= betsverbindung. Sie kamen regelmäßig zusammen, theils um das Wohl ihrer Gemeinden vor dem Herrn zu berathen, theils um die Förderung der Sache Christi im Großen und Ganzen zu einem Gegenstand gemeinschaftlichen Gebets zu machen. Es war um jene Zeit (1784)," heißt es in Fullers Biographie*), „daß eine kleine Schrift des ausgezeichneten Amerikaners Edwards, 'über die Wichtig= keit allgemeiner Vereinigung zum Gebet um das Wiederaufleben wahrer Frömmigkeit und Gottseligkeit', ihren Weg auch in die Hände dieser Männer sand. Sie ließen einen neuen Abdruck davon veran

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*) Christian Biography, containing the lives of Rev. Andrew Fuller etc. etc. Lond. Religious Tract Society.

stalten und seßten das Schriftchen mit angelegentlichem Eifer in weiten Umlauf. Demselben folgte bald ein anderer kleiner Traktat, von Fuller herausgegeben, mit dem Titel: 'Ueberzeugende Beweggründe zu einer außerordentlichen Gebetsvereinigung für die Wiederbelebung wahrer Religiosität.' In Folge davon wurden unter den genannten Predigern bestimmte, regelmäßig wiederkehrende Gebetsversammlungen. verabredet, die ein Jeder in seiner nächsten Umgebung veranstalten sollte, und bald darauf ward bei einem Zusammentritt des Vereins zu Nottingham, sowie hernach auch in andern Distrikten, der Be= schluß gefaßt und angenommen, jedesmal den ersten Montag eines Monats zum Gebet um die Ausbreitung des Evangeliums festzusehen. Es ist nicht zu viel, wenn wir sagen, daß diese Einrichtung, die seitdem fast über die ganze christliche Welt hin sich verbreitet hat, wesentlich zur Weckung, Belebung und Förderung des Missionssinnes allenthalben beitrug. Jedenfalls wurde die Wichtigkeit dieser Gebetsvereinigungen in ihrer Verbindung mit der Missionsfache mehr und mehr erkannt, und diese schöne Uebung ward fast von allen christlichen Kirchenparthieen Englands angenommen, und sie besteht noch überall bis auf den heutigen Tag.“ Wir fügen hinzu, daß ja auch in Deutschland, der Schweiz und fast allerwärts diese gesegnete Sitte besteht, je am ersten Montag (oder Sonntag) des Monats zu Missionsbetstunden sich zu vereinigen und den Herrn der Ernte herzinbrünstig anzuflehn" um das Kommen seines Reiches.

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Mit dem Jahr 1860 hat dieser Gebetsernst noch größere Dimensionen angenommen. Es ist bekannt und zugleich eine lehrreiche Thatsache, daß von einer Missionsstation in Indien (Ludiana) der erste Anstoß ausgieng zu einer allgemeinen Gebetsvereinigung aller evangelischen Christen in der Welt auf die erste Woche des Jahres. Der Aufruf fand eine nicht geahnte, ewig denkwürdige Aufnahme. Die Geschichte der christlichen Kirche in allen Jahrhunderten hat nichts Aehnliches aufzuweisen. Wo ein Häuflein gläubiger Christen sich fand, von Grönland an bis zu den südlichsten Spißen der Kontinente, von den westlichen Gestaden Amerika's an bis hinüber an die Küsten Judiens, China's, Siams und Neuhollands, und über alle Inseln der Südsee hin, überall Gebetsvereine in der ersten Woche des Jahres 1860, überall die Stimme des Flehens um die Ausbreitung des Evangeliums, um neue kräftigere Wirkungen des Geistes Gottes und um das Kommen Seines Reiches. Das darauf

folgende Jahr hat eine ähnliche Bewegung der Geister abermals gesehen, und wenn diese Blätter in die Hände unsrer Leser ausgehen werden, wird zum drittenmal die allgemeine Gebetswoche angebrochen sein.*)

Was ist nun die Antwort des großen Königs auf diese seit anderthalb Jahrhunderten zu Ihm emporsteigenden, immer mächtiger und gewaltiger anschwellenden Gebete seiner Kinder? Wir wollen und können hier nicht die Reihenfolge der Entwicklungen darlegen, wie sie, als Frucht dieser Gebete und als göttliche Antwort auf sie, im Lauf der Zeiten in der Missionswelt eintraten, noch auch die wunderbaren Umstände schildern, unter denen sie, eine nach der andern, erfolgten; wir nehmen einfach die Weltkarte vor uns, um zu sehen, wie weit die Gebiete jeßt reichen, welche Sein mächtiger Arm für den Einzug des Missionars und für die evangelische Botschaft eröffnet hat.

Wir fassen zuerst dasjenige nichtchristliche Gebiet ins Auge, das zunächst und unmittelbar an die Länder der Christenheit angränzt, — die Türkei. Ist hier nicht das Unerhörte, das Unglaubliche, in unsern Tagen geschehen? Die muhamedanische Bevölkerung des türkischen Reichs ist dem Evangelium mehr geöffnet, als das römisch-katholische Spanien und das griechisch-katholische Rußland. Ein großherrliches Dekret hat die Verbreitung des Neuen Testaments, das Lesen desselben und die volle Freiheit, zum Christenthum überzutreten, allen Bekennern des Islam gestattet, und zum thatsächlichen Beweis, daß es damit ernstlich gemeint sei, wird nicht nur die heilige Schrift in tausenden von Exemplaren auf den Straßen von Konstantinopel, wie in den

*) Wenn die Kinder dieser Welt und die Spötter, denen alles Heilige zum Ekel ist, ihre Stimme wider diese wunderbare Bewegung erheben würden, so wäre dieß keineswegs unerwartet oder zu verwundern; doch ist uns von dieser Seite her wenig Widerspruch oder Hohn darüber zu Ohren gekommen. Es ist dieß auch ein Zeichen der Zeit. Daß aber von Seiten der Gläubigen selbst sich Stimmen dagegen erheben, und daß diese denkwürdigen Gebetsvereinigungen fast geringschäßig behandelt oder herb abgeurtheilt werden, das begreifen wir nicht. Es wäre höchster Unverstand, erwarten zu wollen, daß alle Einzelnen, welche an diesen Gebetsvereinigungen theilzunehmen sich getrieben fühlen, im Geist und in der Wahrheit beten und mitbeten. Mißverständnisse, selbst Albernheiten und bedenkliche Irrthümer werden sich da, wie bei allen großen geistigen Bewegungen, mit einmischen, und davor brüderlich zu warnen, ist heilsam und Pflicht der Liebe. Aber in vornehmem Ton über das Ganze absprechen, wie dieß da und dort schon geschehen, das können wir schwer begreifen.

Provinzen, öffentlich ausgeboten, von Muhamedanern gekauft und gelesen, sondern es ist auch eine Reihe von Türken förmlich zur christlichen Kirche übergetreten, ja etliche sind in der Hauptstadt selbst als ordinirte Prediger oder als einfache Evangelisten thätig. Die amerikanischen Missionare, sowie die Sendboten der englisch-kirchlichen Missionsgesellschaft und der Gesellschaft für Fortpflanzung des Evangeliums, wirken ungehindert in der Metropole des Reichs, wie in den Provinzen, und streuen mit vollen Händen durch Wort und Schrift den Samen des Evangeliums aus. Selbst den Beduinenstämmen der Wüste darf der Fuß des christlichen Lehrers sich nahen. Es ist wahr, diese junge wunderbare Freiheit, die schnurgerade mit den Grundsäßen des Koran, dieses muhamedanischen Reichsgrundgesezes, im schärfsten Gegensaß steht, muß erst allmählig sich Bahn brechen und Geltung verschaffen in den weiten Gränzen des Reichs, und es ist Thatsache, daß außerhalb der Mauern und nächsten Umgebungen der Hauptstadt durch die Gewalt und Willkühr der untergeordneten Machthaber jenes Religions - Edikt des Sultans zu einem fast werthlosen Buchstaben geworden ist. Ebenso wahr ist, daß die muhamedanische Welt allenthalben, in dem richtigen Gefühl, daß dieses Geseß der freien Religionsübung ihrem ganzen politischen und socialen Bestand den Todesstoß geben müsse, in tiefster Aufregung sich befindet, und daß, wie sie bereits in den lezten Jahren in einer Reihe von jähen blutigen Ausbrüchen ihren alten eingefleischten Haß gegen das Christenthum kundgegeben, sie noch weiter sich zu einem leßten Verzweiflungskampf um ihre eigene Eristenz bereitet. Aber der Keil des Evange= liums ist in den alten spröden Stamm des muhamedanischen Reichs einmal hineingetrieben, und er wird es sprengen. Die Bresche ist durch Gottes Wunderhand in die unüberwindlich scheinende Mauer gebrochen, und sie wird nie mehr geschlossen und vermauert werden können. Das türkische Reich ist für das Evangelium offen, und wenn Konstantinopel, dieses nördliche Thor des Islam, geöffnet ist, so kann das südliche Thor Mekka nicht mehr lange geschlossen bleiben.

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Ueber Egypten, dessen Vicekönig so wenig einer Abschließungspolitik gegen die christliche Mission huldigt, daß er den aus- und inländischen Predigern und Sendboten des Evangeliums auf den Staatseisenbahnen freie Passage und auf seinen Kriegsschiffen unentgeldliche Rundfahrt an den Küsten des rothen Meeres gestattet, wenden wir uns zu dem großen, bis in die neuere Zeit fast hermetisch verschlossenen

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