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wo er über christliche Wahrheiten nachsinnt, auf sein ganzes Denken wirken läßt? Es wird uns dieß um so weniger verwundern, wenn wir uns erinnern, daß dieser Chinese von der übrigen chriftlichen Gemeinschaft fast völlig abgeschlossen und ausschließlich auf sein eigenes Nachdenken und Sinnen angewiesen ist.

Fassen wir nun aber eben jene heidnisch-chinesischen Anschauungen von Gott und göttlichen Dingen, wie sie auch Hung Siu-tseuen mit der Muttermilch eingesogen, ins Auge, so finden wir, daß die Phantasie des Volkes die obere himmlische Welt mit vergötterten Heroen der Vorzeit bevölkert hat, die einerseits zwar mit übermenschlichen göttlichen Kräften ausgestattet sind, andererseits aber durchaus menschliche Art und Natur an sich haben. Die chinesische Mythologie kennt solcher großen und kleinen Gottmenschen die Fülle, und von ihnen werden nach der herrschenden Volksmeinung die verschiedenen Gebiete des Menschen- und Weltlebens beherrscht. Rechnen wir nun dazu, daß Siu-tseuen, als er bei seiner denkwürdigen Vision (im J. 1837) sich in die obere himmlische Welt verseßt sah, dort menschliche Ge= stalten, Männer und Frauen, obwohl in übermenschlich hoher Würde, zu schauen bekam, daß ihm insbesondere der Alte der Lage" in allerhöchster Würde, und sein Sohn in himmlischer Majestät, beide jedoch in ganz menschlicher Art und Natur erschienen, so begreift man, daß gerade diese menschengleiche Art der Gottheit sich mit seinem Denken unauslöschlich vermengt hat. Es ist dieß der ,,Materialismus", der von den Missionaren dem Lehrsystem des Laipingfürsten zur Last gelegt wird; und man kann nicht läugnen, daß die Vorstellungen dieses Mannes von dem Wesen Gottes tief unter dem stehen, was die heilige Schrift von dem ewigen Gott redet, welcher der Geist ist.*)

*) Daß diese Vorstellungen des Taipingfürsten sich im Lauf der Jahre, und namentlich in neuerer Zeit, noch weiter verschlimmert haben, geht daraus hervor, daß er den tollen Unsinn, welchen einst der östliche und westliche König (vergl. MM. 1861 S. 351 ff.) gelehrt hat, nun auch als geoffenbarte Wahrheit gelten läßt. Darnach sollten auch Frauën in der oberen Welt zur Familie Gottes gehören. „Sie reden,“ schreibt Holmes, „von einer Frau des himmlischen Vaters, die sie 'himmlische Mutter' nennen; von einer Frau Jesu, der sie den Namen 'himmlische Schwägerin' geben; von einer Schwester Jesu, die der westliche König in der jenseitigen Welt geehlicht habe.“ — Es ist diese Verirrung umi so seltsamer, da ja, wie früher erzählt wurde, Hung Sin-theuen den Fanatismus jener beiden „Könige“ selbst verurtheilt und ihren blutigen Untergang veranlaßt hat.

Man könnte sagen, daß die Lehre der Taipings von Gott sich kaum noch in etwas unterscheide von der chinesisch heidnischen Mythologie. Selbst Missionar Roberts, der einstige Lehrer des Siutheuen und nunmehr einer seiner höchsten Minister, glaubt sagen zu sollen: „Ich fand bei meiner Ankunft in Nanking zu meinem Leidwesen nichts von wahrem Christenthum,, sondern nur seinen Namen, angewendet auf ein System der empörendsten Idolatrie; denn was auch ihre Bücher sagen, was sie auch in früheren Zeiten geglaubt haben mögen, ich konnte zu keinem andern Schluß kommen, als daß das System, das sie jezt lehren, mit Recht Idolatrie genannt werden muß. Ihre Vorstellung von Gott ist so verzerrt, daß sie wo möglich noch hinter derjenigen der andern Gößendiener China's zu= rücksteht. Ihre Vorstellung von einem Heiland ist niedrig und sinnlich, und seine Ehre muß er mit einem andern theilen." — Es ist dieß bis auf einen gewissen Grad wahr, doch nicht ganz, wie uns scheint. Als Siu-tseuen bei seiner Vision in den Himmel sich versezt sah, erhielt seine Seele den bedeutungsvollen, unauslöschlichen und von da an sein ganzes Denken und Handeln beherrschenden Eindruck, daß Einer, und nur Einer, der Schöpfer Himmels und der Erde, der Vater aller Menschen, der himmlische Vater" sei, der allein angebetet werden müsse, und dem das Lob und der Dank aller Menschen gebühre. Die Götter, die bis dahin von den Chinesen mit Uebergehung des himmlischen Vaters angebetet wurden, sind „böse Geister" oder Teufel", welche ausgerottet und in die Hölle gejagt werden müssen. Sie haben die Ehre, die allein dem himmlischen Vater gebührt, ihm geraubt, darum kommt das Endgericht über ste. Dieß Alles sah und hörte Siu-tseuen in der oberen Welt, und als er hernach mit der Bibel bekannt ward, so fand er, daß was er selbst geschaut, genau mit dem übereinstimmte, was er in der heiligen Schrift von dem Einen wahren Gott, dem allmächtigen, allwissenden und allgegenwärtigen Schöpfer aller Dinge und dem barmherzigen Vater der Menschen las. Alle diese biblischen Aussprüche trug er in guten Treuen auf den von ihm geschauten „Alten der Lage" über. Dieß ist die lebensvolle Idee, die den Taipingfürsten auch jezt noch so durch und durch erfüllt und beherrscht, daß daraus allein seine ganze Geschichte, wie die Kraft seiner Sache, zu erklären ist; und wir dürfen hinzuseßen: es ist dieß der Punkt, durch welchen seine Lehre hoch über dem altchinesischen Gößendienst steht, so mangelhaft und

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irrthümlich auch seine Anschauung von dem göttlichen Wesen des bimmlischen Vaters sein mag, - ja es ist der Faden, mittelst dessen Siu-tseuen trog aller jener Irrthümer noch mit dem Christenthum enge zusammenhängt, und an welchem Gott ihn weiter führen kann. Aehnlich steht es mit seinen Vorstellungen von Christus, dem Erlöser der Welt. Er ist der Sohn Gottes", und (wie) Klockers sagt), der Kaiser glaubt, daß Jesus da war, ehe der Welt Grund gelegt war... Dieß scheint jedoch so zu verstehen zu sein, daß er glaubt, der Geist (die Seele) Jesu habe von Ewigkeit her eristirt, in der gleichen Weise wie die Chinesen überhaupt glauben, daß jeder menschliche Geist bei Gott ist, ehe er in die Leiblichkeit geboren wird. Nach Allem, was ich gehört und wahrgenommen, bleibt mir darüber kaum ein Zweifel, daß er so die Sache auffaßt." Daraus geht hervor, daß dem Taipingfürsten die Lehre von der wahren Gottheit Christi, wie die Schrift und die ganze Kirche des Herrn sie lehrt, fremd ist. Christus hat, wie jeder andere Mensch, vor seiner Geburt eine Eristenz bei Gott gehabt, und ist dann vor 1800 Jahren freilich auf übernatürliche Weise, - von seiner menschlichen Mutter geboren worden. Er ist aber von dem himmlischen Vater zu einem besonders großen und wichtigen Werke in die Welt gesandt" worden, — zu dem Werke nemlich, die wahre Lehre zu verkündigen und dann für die Sünden der Welt stellvertretend und somit erlösend zu sterben. Nachdem er solches vollendet, ist er wieder in die himmlische Welt gegangen, wo er nun Antheil an dem göttlichen Wesen hat und von oben herab zu dem ferneren Werke der Welterneuerung mitwirkt. Die lehtere besteht in der Aufrichtung des „Himmelreiches" auf Erden.

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Hier begegnet uns aber aufs Neue ein Ausdruck, der in dem Ge= dankenleben eines Chinesen zu seltsamen Begriffsverwirrungen Anlaß geben mußte und gegeben hat. Unter Reich des Himmels" ver= steht der Chinese von Alters her das chinesische Reich, nicht wie es in der Wirklichkeit ist, sondern wie es seiner Idee nach sein soll. Er verbindet mit diesem Ausdruck die Idee des vollkommenen Musterstaats, wo Wahrheit und Gerechtigkeit, Gottesfurcht und Treue, Liebe und Friede, Glückseligkeit und Herrlichkeit, kurz vollkommene Harmonie zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Menschen zur Herrschaft gekommen ist. Das Himmelreich ist das Tai-pingkwoi d. h. das Reich des himmlischen Friedens. Dieses ist von Jesus, da er auf die Erde kam, als „herannahend“ verheißen worden; nun

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aber ist es erschienen, es ist da. Zu seiner Gründung und Vollendung ist Hung Siu-tseuēn in unsern Tagen ebenso vom himmlischen Vater in die Welt gesandt“ worden, wie Jesus zu seiner Zeit zur Ankündigung desselben und zur Versöhnung der Welt von ihren Sünden. Beide, Jesus und Siu-tseuen, sind außerordentliche Gesandte Gottes, sie sind „Söhne Gottes“. Jesus ist der ältere, Siu der jüngere Bruder. Was Jesus für seine Zeit und Aufgabe war, das ist Siu-tseuen für die Gegenwart. Von diesem Gesichtspunkt aus ist die Gleichstellung mit Jesu aufzufassen, welche der Laipingfürst für sich in Anspruch nimmt, und worüber er selbst in einem Dokument, das er dem Missionar Roberts eingehändigt hat, sich also ausdrückt: Es ist kein Zweifel, daß Hung Siu-tseuen oder der Lien-wang [d. h. König des himmlischen Reichs] im Himmel gewesen ist, den himmlischen Vater und den älteren Bruder Jesus gesehen hat, und dann wieder herabgekommen ist auf die Erde. Wer vom Himmel kommt, der ist über Alle. Er ist in derselben Weise der Sohn Gottes, wie Jesus, von dem gleichen Vater, obgleich nicht von derselben Mutter. An dieser Thatsache und allem Andern was damit zusammenhängt, zu zweifeln, wäre dieselbe Sünde, wie die Sünde war, welche die Juden begiengen, da sie Mose nicht gehorchten,*) und hätte dieselben Folgen. Er (Siu-tseuen) ist das Wort, das Licht, der Weg, die Wahrheit, das Leben, wie Jesus es war. Jesus war in seiner Weise und für seine Aufgabe, was der Lien-wang für die Gegenwart ist. Das sanftmüthige ruhige Predigen des Evangeliums war unwirksam; nun kommt er (der Tien-wang), mit dem Schwert demselben Gehorsam zu erzwingen. Jezt haben Alle an Jesum als den Heiland und Erlöser, und an ihn (den Liễn-wang) als einen ebensolchen Gesandten Gottes zu glauben, wenn sie gerettet werden wollen; und wer da glaubt, wird nicht verloren gehen." Dann dringt er in Missionar Roberts, diese Lehre zu predigen und ihn, den Taipingfürsten, darin zu unterstüßen.

Aus dieser Darlegung geht hervor, daß er nicht sowohl sich selbst zu Gott macht, wie Jesus Gott ist, sondern daß er Jesum zu der Stellung eines Gesandten Gottes" herabzieht, wie er sich selbst für einen solchen hält, und daß dadurch alle die großen Ausdrücke, die

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*) Somit hält Hung Siu-tseuen auch Mosen in demselben Sinne für einen Gesandten und Sohn Gottes, wie Jesum und sich selbst. Es klärt dieß Vieles auf.

der Herr Jesus von sich braucht (Licht, Wahrheit, Leben wc.) unend lich abgeschwächt und ihres tiefen herrlichen Inhalts entleert werden. „Deshalb," so sagt Kloekers mit Recht, kann man dem Lien-wang nicht im eigentlichen Sinne des Wortes Blasphemie zur Last legen." Denn um ihn der Gotteslästerung zu beschuldigen, bedürfte es auf seiner Seite einer richtigeren Einsicht von dem gottmenschlichen Wesen Christi, als er sie in Wirklichkeit hat.

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Eigenthümlich ist dabei die Aeußerung, die er gegen die Missio-. nare (durch dritte Hand) gethan haben soll, daß die ersten Christen eine richtigere Vorstellung von der Gottheit und Sohnschaft Christi gehabt hätten, als die [abendländischen] Christen der Jeßtzeit besäßen.“ Zugleich wird versichert, daß er mit den Schriften, welche die Missionare geschrieben, nicht unbekannt sei. Es geht daraus hervor, wie fest verrannt dieser merkwürdige Mann in seine einmal gewonnenen Anschauungen ist, und wie schwer es sein wird, ihn selbst von seinen Irrthümern zu überzeugen. Zu dieser Unzugänglichkeit für weitere Belehrung trägt auch wesentlich der Umstand bei, daß er, wie dieß alle Berichte bezeugen, sich von dem Verkehr mit der Außenwelt mehr und mehr absondert, sich fast ausschließlich mit Spekulationen über religiöse und göttliche Dinge beschäftigt und die Leitung der Regierungsgeschäfte seinem vierzehnjährigen Sohne, dem Kronprinzen, überläßt. Er selbst bezeichnet denselben als den „jüngeren Herrn“, und als den „Adoptivsohn Gottes". Das letztere ist er, wie die Missionare sagen, „durch Weihung an Gott" geworden. Dieser Kronprinz scheint, ungeachtet seiner Jugend, ein kräftiger, energischer und bedeutender Charakter zu sein, der ganz in die Ideen seines Vaters eingegangen ist. Es wird ihm deshalb auch Ehre erwiesen, wie seinem kaiserlichen Vater.

Nach alle diesem könnte es scheinen, daß kaum noch eine Spur des wahren Christenthums in dem Lehrsystem des Taipingfürsten sich finde; und doch müssen wir auch hier, wie oben bei der Lehre von Gott dem himmlischen Vater, auf den Punkt hinweisen, durch welchen dasselbe innig und bedeutungsvoll mit unsrem allerheiligsten Glauben zusammenhängt. Es ist die Lehre von dem erlösenden Leiden und Sterben Jesu, und von der sündentilgenden Kraft seines Verdienstes. Hung Siu-tseuen mag von der göttlichen Natur Jesu nichts verstehen, er mag den Zusammenhang, in welchem die wahre Gottheit Jesu mit der erlösenden Wirkung seines Todes steht, gänzlich

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