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XXIX.

Am XVIII. Sonntage nach Trinit.

Evangelium: Matth. XXII. v. 34–46.

Gnade sen mit euch und Friede von Gott,

unserm Vater, und dem Herrn Jesu Christo; Amen.

Verehrte Månner, und grosse Wohlchåter unsers Geschlechts haben fast zu allen Zeiten das eigne Schicksal gehabt, M. Z., daß sich nach ih. rem Tode über ihre Person und Geschichte man cherley zum Theil seltsame Meinungen und Gerüchte verbreiteten, und zuweilen heftige Strei tigkeiten veranlaßten. Es hat nie an Leuten ge= fehlt, die folche Männer am dankbarsten zu eh. ren glaubten, wenn sie sie für Wesen einer höhern Art erklärten, die zum Segen für die Menschheit vom Himmel auf die Erde gekommen seyen. Daher hat man so viel aufferordentlichen Menschen einen wunderbaren Ursprung angedichtet, alles, was sie thaten, für übermenschlich angesehen, und fie nach ihrem Tode wohl gar unter die Zahl der Wesen versezt, denen man göttliche Ehre erzeigte. Dagegen waren Andre der Meinung, man außre gegen solche Wohlthäter der Menschen eine weit

vernünftigere Achtung, wenn man ihren menschlichen Ursprung und ihre Schwachheiten einge= stehe, aber desto mehr die Kraft und den Eifer preise, mit welchem sie sich über ihre Mitbrüder emporjuschwingen, und die Lehrer, die Führer, die Beschüßer und Retter derselben zu werden muß ten. Daß zwischen diesen Partheyen, wovon die eine überall etwas Uebermenschliches und Göteliches sah, die andre hingegen alles für natürlich und menschlich hielt, sehr oft Streitigkeiten ent stehen mußten, ist nicht nur an sich klar, son. dern die Geschichte bestätigt es auch durch unzäh Lige Beyspiele.

Verlor sich die Hochachtung der Menschen schon bey solchen Männern, deren Verdienste um die Welt oft sehr zweydeutig waren, auf so entgegengesezte Wege, M. 3., was mußte man nicht erwarten, als endlich wirklich eine Person auf Erden erschien, deren Ursprung ausserordent lich, deren Leben eine Reihe von göttlichen Wuns dern, deren Tod ein Sieg über alles menschliche Elend, deren Abschied von unserm irdischen Wohnplah ein sichtbarer Uebergang in den Him. mel war, die wohlthätige Veränderungen ohne Beyspiel stiftete, und nach und nach auf den Zustand und die Verfassung unsers ganzen Ge schlechts wirkte? Darf man sich wundern, daß sich die Aufmerksamkeit und das Nachdenken der Menschen sehr frühzeitig von den Wohlthaten ablenkte, die wir Christo verdanken, (denn daß. ich von ihm rede, werdet ihr selbst merken), um sich desto mehr, fast möchte ich sagen, desto vorwißiger mit ihm und mit seiner Geschichte zu be schäftigen? Darf man sich wundern, daß über

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Ihn, an welchem alles so ausserordentlich zu seyn schien, unzählige Meinungen zum Vorschein kamen; daß Manche bey seinem menschlichen Ur sprung stehen bleiben, Andre ein höheres Wesen in menschlicher Gestalt in ihm sahen, noch Andre den Erstgebornen aller Creaturen, Gottes erstes und erhabenstes Geschöpf in ihm suchten, der größte Theil seiner Verehrer aber sich berechtigt glaubte, ihn für Gott selbst zu halten? Man mußte die menschliche Natur nicht kennen, man mußte nicht wissen, was Hochachtung, Dankbarfeit, Neugierde und Erstaunen für Wirkungen hervor zu bringen pflegen, wenn man die grosse Ver schiedenheit der Meinungen über die Person Jesu, die zu allen Zeiten in der christlichen Kirche ge herrscht hat, befremdend und unerklärlich finden wollte.

Uber traurig, traurig ists, M. 3., daß es bey dieser Verschiedenheit nicht blieb, daß die Christen sehr bald anfiengen, sich dieser Meinungen wegen einander anzufeinden und zu verfolgen, daß ihre Streitigkeiten über die Person Chrifti die öffentliche Ruhe störten, und ganze Reiche verwirrten; daß bey diesen Kampfen oft Menschenblut floß, und Gewaltthätigkeiten statt fanden; daß sie Trennungen hervorgebracht haben, die noch immer fortdauern, und nachtheilige Folgen veranlassen. Muß sich bey diesen Umständen nicht jedem denkenden Christen gleichsam von selbst die Frage aufdrin gen: wie soll man also zu einer vesten Ueberzeu gung von der Person Chrifti gelangen, ohne in einen der mannichfaltigen Fehler zu verfallen, die hier begangen worden sind? Auch in dem heuti gen Evangelio ist diese Frage ausgedrückt, M. 3.,

und es ist ihre Beantwortung, es sind Erinnerungen und Rathschläge für alle die, denen fie wichtig ist (und welchem Christen muß sie nicht wichtig seyn?) was uns in biefer Stunde beschaf tigen foll. Er, vor dem sich unser » Geschlecht als vor seinem Retter und eiland beugt, Cr, den selbst die Engel Gottes anbeten, fey mit uns, und laffe uns seine, Herrlichkeit schauen. Wir flehen zu ihm in stiller, Andacht. im edad Evangélium?

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gelium: Matth. XXII. v. 34 — 46. * :: ♪ bil Die Frage: wie punket euch um Chri teuchum sta, weß Sohn ist er? bringt die Pharisaer in dem vergelesenen Evangelio zu einem sehr be schamenden Stillschweigen, M. 3. Jefus, seigt ihnen bey derselben eine Schwierigkeit, a die nicht aufzulösen wußtenie gut wäre es doch gewesen, wenn so mancher unverständige Eiferer, der sich in der Folge an die Beantwortung die fee Frage, wagte, lieber eben fo ftille geschwiegen, als durch feine Behauptungen die Gemeine Je fu verwirrt hatte. Es ist schwer, über diesen misil Gegenstand gehörig nachzudenken: Jesus verhehle dieß im Evangelio felber nicht, und demüthigt eben daher mit demselben feine stolzen Gegner. Indessen ist, es doch uns, le wir so viel eigne Erklärungen Jefu, die mir Apostel, die wir das groffe. Werk vor vor uns haben, welches Christus angefangen und bis auf unfre Zeiten fortgeführt hat, weit leichter gemacht, die ser wichtigen Sache mit besserm Erfolge nachzu forschen. Nur laffet, uns keinen falschen Weg einschlagen, und die Fehler vermeiden lernen, die fo oft hierbey gemacht worden sind. Und so mogen benu Erinnerungen und Rathschlage

cena manterricht feiner

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für die, welche sich die Frage beantwor ten wollen: wie dunket euch um Christo, weß Sohn ist er? unsre Aufmerksamkeit dießmal beschäftigen. Es ist viererley, woran ich solche Wißbegierige erinnern, und was ich ihnen rathen muß: weifet diese Frage, wenn sie sich euch aufdringt, nicht etwa ab; sammelt euch die Entscheidungsgründe mit redlicher Unpartheilichkeit aus der Schrift; vergesset bey der Entscheidung selber eure Beschr å n k che i t und Schwachheit nicht; fucher endlich das, was ihr gefunden habt, nüşlich für das Leb und für eure Befferung zu machen. Es ist wohl der Mühe werth, daß ich mich über diese Erinnerungen und Rächschläge etwas ausführlicher verbreite.

Weiset die Frage: wie dûnket euch um Christo, weß Sohn ist er? nicht etwà ganz ab. Dieß ist das Erste, was ich allen fagen muß, denen sich diese Frage aufdringt. Durch ein solches Abweisen suchen sich alle die zu helfen, die ihrer Umstände wegen das außre Bekenntniß des Christenthums beybehalten, aber im Grunde wider die eignen und unterscheiden. den Lehren desselben eingenommen sind." Menschen dieser Art bleiben nur bey dem stehen, was bey der christlichen Lehre ihren sonstigen Grundsägen gemás und begreiflich ist; aber sie hüten sich sorgfältig, sich auf die eigenthümlichen Theile dersel ben einzulassen, und insonderheit über die Frage zu entscheiden, von der ich heute spreche. Wer Christus gewesen sey, welche Begriffe man sich von seiner Person zu bilden habe, das wollen sie

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