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um so schärfer gegen das Störende und um so kräftiger im Neubau.

Um aber das Wesen dieser nirgends unterbrochenen Kette der geistigen Welt nicht einseitig aufzufassen, müssen wir zu dem einen Punkte, daß nämlich die geistigen Erzeugnisse jedes Ge= schlechts. auf die folgenden übergehn, noch den andern Punkt hinzufügen, daß die Natur des Menschen durch alle Zeiten unveränderlich dieselbe bleibt. Darum eben vermag jedes Geschlecht das festzuhalten, sich das anzueignen, was die Geschlechter vor ihm geschaffen haben, weil es die Kraft und den Trieb hat, auch selbst ganz dasselbe zu schaffen, wenn dies die Väter nicht schon gethan hätten. Denn abgesehen davon, daß die Natur den Menschen immer wieder in gleicher Weise hervorbringt, ist auch Folgendes wichtig. Nämlich nicht nur der geistige Inhalt, das Erzeugniß, wird von einer Zeit zur andern vererbt, sondern es werden zugleich auch die Kräfte fortgepflanzt, welche das früher Geschaffene hervorbrachten, sowohl die angeborenen wie die erst erworbenen. Denn diese Kräfte wohnen den Gedanken und Einrichtungen inne, welche durch sie hervorgebracht sind, und folglich werden sie mit diesen vom Vater dem Sohne, vom Meister dem Schüler mitgetheilt. Und nur weil es sich so verhält, weil nicht bloß Producte übergeben, sondern zugleich Kräfte in dem Empfangenden geweckt werden, nur dadurch ist Ueberlieferung möglich.

So hängt der Sprachbau, vermittelst dessen die heutige Menschheit ihr Inneres äußert, mit jenen Lauten zusammen, vermittelst deren die Urgeschlechter sich ihre dürftigen Vorstellungen unter einander mittheilten; und auch dieses Innere selbst, unsere höchste Poesie und unsere tiefste Speculation, unser Glaube und unser Aberglaube läßt sich mit nirgends abgerissenen Fäden an die ärmliche Weltanschauung der Urzeiten anknüpfen.

Wir begreifen demnach das Doppelte: einerseits, wie an

ziehend und in vieler Beziehung aufklärend für unsere Culturferm die Erforschung der Zustände und der Gedankenwelt der uralten Menschheit sein müsse; und andrerseits wie es möglich ift, für jene längst verschollenen Zeiten, aus denen kein geschichtlicher Bericht zu uns gelangt ist, Erkenntnißgründe in Umständen zu finden, denen wir heute noch so zu sagen leibhaftig entgegen= treten, die noch in der heutigen Gesellschaft leben.

Es ist nun vorzugsweise die Sprachwissenschaft und die Mrthologie, welche durch umfassende Vergleichung der bloß in ichriftlichen Denkmälern bewahrten, wie der heute noch auf der Erde gesprochenen Sprachen, ferner durch Vergleichung der Dichtungen und Sagen, die aus alter Zeit durch die Wissenschaft überliefert sind oder heute noch im Munde des ungebildeten Velkes leben, wie auch durch Vergleichung der Sitten und Gebräuche und Einrichtungen, des Glaubens und Aberglaubens aller Länder, uns den Einblick in den Geist der ursprünglichen Menschengeschlechter eröffnet haben. Dieser von der Wissenschaft bewirkte Zusammenschluß des Beginnes mit dem endlichen Heute (ie staunenswerth und doch im Allgemeinen so leicht begreiflich) zeigt uns einerseits eine das Gemüth unfehlbar ergreifende, erbebende und erweiternde Einheit des Menschengeschlechts, eine gewisse Bürgschaft der einen Generation für die andere, eine Vervfändung der Völkerschaften für einander, und predigt andererseits so laut eine demüthigende Geringfügigkeit des einzelnen Mannes und Geschlechtes, daß die sittlich reinigende Kraft solder Betrachtung ohne Weiteres klar ist.

Erst von dem Hintergrunde dieser Betrachtung aus tritt Ens nun auch die entgegengesetzte in rechtem Maße entgegen; erit auf dem Grunde der Gleichheit der menschlichen Natur, der Unverlierbarkeit des geistig Gewonnenen und der Einheit der ganzen Gattung erscheint die Ungleichheit der Völker, der Zeiten,

der Individuen, erscheint der Fortschritt in seinem wahren Lichte. Wenn es beim ersten Blicke den Anschein gewinnt, als ob zu dieser und zu jener Zeit eine neue geistige Schöpfung aus dem Nichts hervorbräche, vor welcher die ältere Welt in das Nichts zurückgesunken wäre: so wird allerdings solcher Schein durch eingehende Beobachtung zerstört, und auch in solchen Epochen zeigt sich dem tiefer dringenden, sorgfältiger überblickenden Auge der Zusammenhang des Späteren mit dem Früheren. Und dennoch geschieht es mit vollem Rechte, daß man behauptet, es sei Neues entstanden und Altes geschwunden; denn es ist wirklich vieles, ja alles anders geworden. Die vorhandenen Elemente find nämlich anders combinirt, anders bezogen, und dadurch hat nicht nur das Alte, obwohl es erhalten ist, ein neues Wesen, eine neue Bedeutung erlangt, sondern es sind auch durch die neue Combination wirklich neue Kräfte hervorgetreten, welche manches ermöglichen, wovon früher keine Ahnung da war. Es giebt geniale Menschen, geniale Zeiten, und es giebt Schöpfungen, wenn auch nicht aus dem absoluten Nichts: wie die Vögel und die Säugethiere im Verhältniß zu den Fischen Genies oder Schöpfungen sind. Es ist also festzuhalten, daß auch im Reiche des Geistes einerseits niemals Etwas aus Nichts entsteht, daß aber auch andererseits weit herrschende menschliche Einrichtungen und Vorstellungen sich nicht wie mit einem Schwamme von der Tafel der Wirklichkeit wegwischen lassen, daß indessen das Bestehende einer allmählichen Umgestaltung fähig ist, welche im Laufe längerer Zeit so bedeutsam werden kann, daß der Zusammenhang des Anfangs mit dem Ende sich dem oberflächlichen Blicke völlig entzieht.

Zu diesen Betrachtungen veranlaßte mich das Thema, über welches ich zu reden die Ehre habe, das Schicksal des Mythos. Denn wann und wo ist er entstanden? In der Urzeit überall

da, wo Menschen lebten, in unvermeidlicher Nothwendigkeit. Er ist seinem Umfange nach alles, was die alten Geschlechter dachten, ihre ganze Gedankenwelt. Und wann endete er? Er lebt heute nech. Sollen wir ihn vernichten? Zuvor wäre die Frage, ob wir es können. Und wenn wir es nicht einmal können, so wenig wie wir ein Sonnenstäubchen wegschaffen können, so begränzt fich die Aufgabe vielmehr dahin: wie weit sollen wir ihn beschränken? in welche Combination ihn versehen? Das ist der Juhalt meines gegenwärtigen Vortrags.

Wie schon soeben bemerkt: unter dem Begriff Mythos befassen wir die gesammte Vorstellungs-Welt der Völker auf ihrer ersten Entwicklungsstufe, welche von den Völkern der Weltgeschichte längst überstiegen ist, auf welcher aber die culturlosen Stämme heute noch verharren, auf welcher die Kinder immer stebn werden. Das Bild, welches sich der Mensch auf der ersten Stufe geistiger Bildung von dem All entwirft, wie er sich die Gestalt und Einrichtung der Welt als eines Ganzen vorstellt, und wie er sich die einzelnen Vorgänge in der Natur und im Menichenleben erklärt, wie er sich den Grund alles natürlichen und geistigen Daseins und der Beschaffenheit aller Wesen begreiflich macht: das alles ist Mythos. Er denkt mythisch; und darum wird jeder Gedanke zum Mythos, jede Anschauung zum Combol.

mythisch denken? Um dies zu

Was heißt das nun aber verstehen, müssen wir versuchen, uns in das Bewußtsein der ältesten Geschlechter zu versehen. Denken wir uns also die Menschheit im Zeitalter ihrer Kindheit. Kind: sie ist noch ohne jede Erkenntniß. denn das Auge ist ja sonnenhaft, und alles Auch die Wärme fühlt man wohlthuend. aber sinkt die Sonne zusehends, schwindet gänzlich und es wird

An Geist ist sie ein Sie liebt das Licht; liebt seines Gleichen.

Es ist Tag. Nun

Nacht, dunkel und kühl. Das Auge sieht nicht mehr klar; auch das Gethier hat sich zurückgezogen, und nur das übelklingende Geschrei von Nachtvögeln und Raubthieren wird in der Stille um so graufiger vernommen. Ein feuchter Wind erkältet den Leib und zerstreut den angezündeten Reiserhaufen, die Flamme ist erloschen. Je weniger Bestimmtes die Sinne' wahrnehmen, um so lebhafter gestaltet der innere Sinn angemessen der unbehaglichen Stimmung in unheimlichen Formen. Man ist müde und fühlt die Schwäche der Lebenskraft; man fühlt sich in Gefahr, angegriffen von unsichtbaren graufigen Mächten, welche schon Licht und Wärme und Leben hingerafft haben. Dann sinkt man in Schlaf, in Erstarrung; das Bewußtsein ist hin. Und darauf erwacht man wieder, und man sieht, wie das Licht wieder da ist und immer mehr wieder kommt, die Sonne steigt und Pflanzen und Thiere leben wieder auf. Man hat einen Tod und eine Auferstehung des Alls und seiner selbst erfahren und bloß erfahren; man war dabei ganz unthätig und fühlte sich ganz ohumächtig, man war dahin. Man hat nichts abwehren können, und man hat nichts dazu gethan, das geschwundene Leben wieder zu erwecken. Mit welchem Gefühl muß dieser Mensch die in majestätischer Pracht aufgehende Sonne begrüßen jetzt, da er sich wieder in frischester Kraft erhebt? Es war Som= mer; nun wird es Winter. Die Mächte der Nacht sind ge= wachsen, sie verdrängen Licht und Wärme immer mehr, sie schei= nen ganz des Tages Herr zu werden, Herr zu sein: das Licht verhüllt von dunklen Wolken, die Pflanzenwelt abgestorben; jezt scheint alles dem sichern Untergange nahe. Und nun kommt der Frühling. Das Licht hat wieder gefiegt und wiederum lebt Alles neu. Und der Frühling kommt in den südlicheren Gegenden, wo jene Menschen wohnten, unter furchtbaren Gewitterstürmen und Regengüssen mit ganz anderer Gewalt und Majestät als bei

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