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in Krankheiten brachten dieselbe von Zeit zu Zeit dem Bewußtsein einsichtiger Aerzte näher. Auf diesem Wege geschah es, daß ein englischer Arzt, Carl Bell, zuerst auf den Gedanken kam, daß die meisten Nerven aus Theilen verschiedener Bedeutung zusammengeseßt seien und daß nur gewisse dieser Theile der Bewegung, andere der Empfindung und den Lebensthätigkeiten dienten. In einer im Jahre 1811 veröffentlichten Schrift 7) zeigte er, daß von den zwei Wurzeln, mit welchen die Mehrzahl der Nerven am Rückenmark oder am Gehirn entspringt, nur die vordere der Bewegung diene. Allein erst zehn Jahre später, als er in einer neuen Schrift seine Erfahrung mit weiteren Beweisen belegt hatte, gelang es ihm, die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen, und schon im nächsten Jahre, 1822, fügte ein ausgezeichneter französischer Forscher, Magendie ), die weitere Entdeckung hinzu, daß die hintere Wurzel der Empfindung diene.

Seit der Entdeckung des Blutkreislaufes im 17. Jahrhundert war keine so einschneidende Neuerung in der Phyfiologie versucht worden. Gleichwie damals Harvey für die Thätigkeit des Herzens und die Bewegung des Blutes verständliche und einfache mechanische Lehrsätze aufstellte, so gewann man jetzt wie mit einem Schlage die erste Einsicht in die Mechanik des Nervensystems. Eine kurze Zeit verging noch, ehe der Versuch, durch welchen die verschiedene Natur der Nervenwurzeln dargethan wird, so weit ausgebildet wurde, daß er in jedem Augenblicke mit der Sicherheit eines physikalischen Experimentes wiederholt werden kann. Als jedoch unser großer Phyfiolog, Johannes Müller 9), in dem Frosche das geeignete Versuchsthier gefunden und die Methode des Experimentes vollständig geregelt hatte, da machte er den sogenannten Bell'schen Lehrsatz zur dauernden Grundlage für das, was er jezt kühn als Physik des Nervensystems bezeichnete.

Versuchen wir nun, uns die hauptsächlichen Verhältnisse, soweit es ohne unmittelbare Anschauung geschehen kann, flar

zu machen und damit das Verständniß eines der ruhmvollsten und folgenreichsten Fortschritte in unserem Jahrhunderte zu ge

winnen.

In einem früheren Vortrage 10) habe ich ausgeführt, daß und wie so der Mensch zu den Wirbelthieren gerechnet werden muß. Wenn in dieser Bezeichnung die Wirbel in den Vordergrund geschoben find, so liegt der Grund nicht darin, daß gerade die Wirbel d. h. die Knochen, welche die Wirbelsäule und die Schädelkapsel zusammenseßen, das Wesentliche find, sondern nur darin, daß sie das Feste und auch nach dem Tode am meisten Dauernde sind, vermöge welches noch nach Jahrtausenden, ja bei Versteinerungen noch nach ungemessenen Zeiträumen die Stellung des einstmals lebenden Wesens in dem Thierreiche bestimmt werden kann. Das Wesentliche ist vielmehr das Rückenmark, und die Wirbel haben eben nur deßhalb ihren bestimmenden Werth, weil sie das Rückenmark umschließen und weil aus ihrer Anwesenheit auf die (frühere oder gegenwärtige) Anwesenheit des Rückenmarks sicher geschlossen werden kann. In der niedersten Wirbelthierklasse, derjenigen der Fische, giebt es sogar eine wichtige Abtheilung, welche wiederum die niedersten Fische umfaßt, in der statt der knöchernen Wirbel nur knorpelige, ja zum Theil kaum diese vorhanden sind, und wenn wir die frühesten Entwickelungszeiten auch der höheren Wirbelthiere, selbst des Menschen ins Auge fassen, so zeigt sich, daß auch da noch keine knöchernen Wirbel vorhanden sind, trotzdem daß schon das Rückenmark besteht.

Genau gesprochen, sollten daher die Wirbelthiere eigentlich Rückenmarkthiere oder kurzweg Markthiere (Medullosa) heißen. Damit ist ihr Gegensatz zu den tiefer stehenden Thierklassen scharf ausgedrückt und zugleich ihr innerer Zusammenhang deutlich bezeichnet. Das Gehirn kommt hier erst in zweiter Linie in Betrachtung. Einerseits ist es nur eine höhere Ausbildung einzelner Rückenmarksabschnitte, so daß selbst beim vollkommensten

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Charakter des Rückenmarks (medulla spinalis) oder, wie man kurz sagt, der spinale Charakter nachweisbar ist. Andererseits ist bei den niedersten Fischen so wenig vom Gehirn wahrzunehmen, daß in der That eigentlich nur vom Rückenmark die Rede sein fann.

Gehirn und Rückenmark hängen daher ohne Unterbrechung mit einander zusammen. Das letztere setzt sich in das erstere unmittelbar fort in der Weise, daß wirklich gewisse feinere Bestandtheile von dem einen in das andere übergehen. Beide zusammen erfüllen bei manchen Thieren fortwährend, beim Menschen nur in früheren Zeiten der Entwickelung die ganze Höhle des Schädels und der Wirbelsäule. Beim Menschen wächst das Rückenmark nicht in gleicher Weise mit dem fortschreitenden Alter weiter. Da es oben am Gehirn befestigt ist, so zieht sich sein

unteres Ende bei der fortgehenden Verlängerung der Wirbelsäule aus den unteren Wirbeln zurück und findet sich beim erwach senen Menschen in der Gegend der oberen Lendenwirbel, während die unteren Lenden- und Kreuzwirbel nur noch durch einen feinen Faden ohne wahren Rückenmarksinhalt durchzogen werden.

Von allen Theilen des Rückenmarks, auch den im Schädel enthaltenen und zum Gehirn gerechneten, gehen Nerven aus. Es sind dieß Fäden oder Stränge, welche in der Regel an ihrer Ursprungsstelle nur die Dicke einer Rabenfeder oder gar nur eines Zwirnsfadens besißen, und von mattweißer Farbe find. Jeder dieser Fäden besteht aus einer größeren Zahl feinerer Fädchen oder Fasern (Nervenfasern), welche in kleineren Bündeln zusammenliegen und durch eine gemeinsame Bindemasse (Nervenscheide) zusammengehalten werden. Schneidet man einen solchen Faden quer durch, so sieht man die einzelnen Bündel auf der Schnittfläche in Gestalt weißlicher Vorsprünge hervortreten, und man gewinnt ein Bild, welches im Kleinen Fig. 2.

ganz genau demjenigen entspricht, das im Großen die so viel verbreiteten Abschnitte des submarinen Telegraphen-Kabels darbieten. Gerade wie man aus diesen Abschnitten durch Ablösung der umhüllenden Isolationsschichten die einzelnen Drähte frei machen kann, so kann man auch durch Zerfaserung" aus der Nervenfcheide die eins

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zelnen Bündel von Nervenfasern und bei weiterer Trennung aus diesen Bündeln die einzelnen Nervenfasern auslösen. In der That entsprechen sich diese Verhältnisse vollständig: die Nerven

find Kabeleinrichtungen des thierischen Körpers, wie man die Telegraphen-Kabel Nerven der Menschheit nennen kann.

Denkt man sich das Rückenmark in so viele Abschnitte zerlegt, als es Wirbel giebt, so gewinnt man das Maaß für die Zahl der spinalen oder Rückenmarks - Nerven.

Fig. 3.

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Denn, beiläufig gesagt, nicht alle Nerven entspringen vom Rückenmark im eigentlichen Sinne des Wortes, indeß können wir diese anderen z. B. die reinen Gehirnnerven hier zumeist außer Betrachtung lassen. Von jedem vertebralen (Wirbel-) Abschnitte des Rückenmarkes entspringt ein rechter und ein linker Nerv, und zwar jeder derselben mit zwei Wurzeln: einer vorderen und einer hinteren, von denen übrigens jede einzelne wieder mit einer größeren Zahl kleinerer Bündel, gewissermaßen Wurzelfasern, aus dem Mark hervortritt (Fig. 3). Beide Wurzeln vereinigen sich nach kurzem Verlaufe zu einem gemeinjamen Strange, der durch ein besonderes Loch, das 3wischenwirbelloch, aus dem Wirbelkanal hervortritt. Da nun, wie wir gesehen haben, die

Fig. 4.

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vordere Wurzel bewegende, die hintere empfinden de Eigenschaften hat, so ist jeder so zusammengesetzte Nerv ein gemischter, der sowohl der Bewegung, als der Empfindung dient. Allein innerhalb eines jeden einzelnen Nerven verlaufen Bewegungsfasern und Empfindungsfasern getrennt, ohne mit einander in unmittelbare Verbindung zu treten, so daß die Möglichkeit besteht, daß später jede Art ihren

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