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Halacha, d. i. das Gangbare, zusammen. Es sind das die Aufsäße der Lehrer, über die Jesus klagt. Die halachischen Säße sollten zur Sicherheit der Ueberlieferung mit denselben Worten mitgetheilt werden, wie der Lehrer sie mitgetheilt hatte. Ein festes Gedächtniß war darum das erste Erforderniß eines guten Rabbi. So wird der pharisäische Schriftgelehrte Elieser (aus der Zeit des zweiten Aufstandes) mit der bezeichnenden Wendung gepriesen: er sei eine verpichte Grube, die keinen Tropfen Wassers verliert.1 Eigene Geistesthätigkeit wurde weit weniger verlangt. Neuen Behauptungen gegenüber pflegte der genannte Rabbi einfach zu erwidern, „das habe ich nie gehört“. Damit war für ihn die Sache abgethan. Aber auch schon Josephus rühmt sich in erster Reihe seines Gedächtnisses, um seine Befähigung zum Schriftgelehrten darzuthun;2 war ja doch der große Hillel einzig durch ein glückliches Citat, die große Autorität des Synedriums geworden. „Die Lehrer sagen“, ist daher die stehende Formel der Mischna und auch im Evangelium findet sich davon ein AnElang in der Frage: Was sagen die Lehrer, Elia müsse zuvor kommen?"3 Bei diesem rein mündlichen Verfahren erschien denn selbstverständlich derjenige als der bedeutendste, der im Citiren gewandt und schlagfertig war. Durch ein überraschendes Citat den Gegner zu verblüffen war des Rabbinen höchste Kunst. So ist es den Lehrern als eine bewundernswerthe Antwort erschienen, daß ein pharisäischer Rabbi auf die sadducäische Frage, warum die Schrift gerade auf Pergament von reinen Thieren geschrieben sein müsse, erwiderte, weil geschrieben steht: „Dein Wort soll immerdar in meinem Munde sein",4 oder wenn ein Anderer auf die Frage, wann man die Kinder griechisch lehren solle, erwiderte, „in der Zeit, die nicht Tag und nicht Nacht ist, denn es steht ge= schrieben, das Gesetz sollst Du Tag und Nacht studiren." Aehn= liche Scenen bietet wohl auch das Evangelium. Die Sadducäer wollen durch eine fingirte Geschichte Jesu Lehre von der Auferstehung der Todten verspotten, er aber erwidert ihnen: „Steht nicht geschrieben: Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs? Gott aber ist nicht ein Gott der Todten, sondern der Lebendigen",

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1 Pirke Aboth 2, 8. 2 Vita 2. 3 Mr. 9, 11. Auch das: „Ihr habt Alten gesagt ist". Mth. 5, 21. 33. 4 Herzfeld, 3, 386. Grätz, 5 Mth. 22, 32.

gehört, daß den

3. 79. 455 ff.

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und seht sie durch diese unerwartete Anwendung des Schriftworts außer Fassung. Auch Paulus verbesserte seine Heftigkeit gegen den Hohenpriester im Synedrium mit dem schlagfertigen Citat: „Den Fürsten Deines Volkes sollst Du nicht lästern“. (2 Moj. 22, 28.) So war in allen Lebenslagen Recurs auf die Schrift der Trost und die Zuflucht eines schulgelehrten jüdischen Mannes.

Diese Sitte, mit Citaten oder kurzen Schlagworten Beweise zu führen, und die Bestimmung der Rede nicht für schriftliche Verbreitung, sondern für mündliche Fortpflanzung gab derselben dann auch den bekannten sentenziösen Charakter. In der mündlichen Ueberlieferung schliffen sich solche epigrammatische Vorträge noch mehr zu faßlichen, scharf geformten Sinnsprüchen zu, so daß die Pirke Aboth, gerade wie die Bergpredigt, von den Reden der Lehrer nur die „Logia“ weitergeben, das heißt einen Regen von sprüchwörtlichen Sentenzen, wie sie in dieser Fülle doch nie über eine Versammlung ausgegossen wurden, obgleich die Lehrer allerdings die gnomische Form liebten. Auch die Vorliebe für die Parabel entspricht dieser rein mündlichen Lehrweise, weil sie das schwerer zu fassende Interesse des Hörers spannt und mit der leicht sich einprägenden Erzählung auch die Lehre zum Eigenthum des Hörers macht. Diese Lehrweise war von jeher in Israel verbreitet ge= wesen und schon Jotham, der Sohn Jerubbaals, hatte den Siche= miten gegenüber die Erhebung seines Bruders Abimelech im Gleichniß von der Königswahl der Bäume, aus der der Dornbusch hervorgeht, verspottet. Aehnlich hatte Jesaja vom Weinberg Gottes, Ezechiel vom Hausbau geredet. Die Eheparabel der Sadducäer ist ein Beweis wie geläufig und beliebt diese Lehrform auch jezt noch war. Schlagende Beispiele parabolischer Lehrweise, die erhalten sind, scheinen allerdings nach den Evangelien geformt und stammen aus einer späteren Zeit.2 Wem war Moses, unser Lehrer, gleich", frägt das Midrasch Kohelet? 3 „Er war gleich dem Sohne der gefangenen Frau, welche im Gefängniß einen Sohn gebar, ihn erzog und starb. Einmal ging der König an

1 Act. 23, 5. 2 So z. B. das Gleichniß des Rabbi Elieser: „Es gibt keine Buße als vor der Stunde des Todes, wem soll ich dieß vergleichen? Einem Menschen, der eine längere Seereise macht. Nimmt er kein Brod mit u. s. w. Pirke R. Elieser C. 43. Aber dieselben sind z. Th. erst im achten Jahrhundert abgefaßt. 3 VII; 16.

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der Thüre des Gefängnisses vorüber, da fing der Knabe an zu schreien und zu rufen: O Herr! Ich bin hier geboren und erzogen, und weiß nicht, wegen welcher Sünde ich gefangen gehalten werde! Der König antwortete: Wegen der Sünde deiner Mutter!" Das Gleichniß soll darthun, daß Moses Tod nicht Strafe seiner Sünden sei, sondern der Sünde der Ahnen. Auch das beweist, wie geläufig den Rabbinen die Parabel war, daß die rabbinische Auslegung Parabeln in der Schrift fand, wo gar keine zu suchen sind. Der Rabbi, der Hieronymus im Hebräischen unterrichtete, erklärte Kohelet 9, 14. 15 folgendermaßen. „Ich sah, daß eine kleine Stadt war, sagt der Text, und wenig Leute drinnen, und es kam ein großer König und belagerte sie und in ihr war ein weiser Mann, deß Niemand gedachte. Die kleine Stadt ist der Mensch, den ja auch die Philosophen den Mikrokosmus nennen. Der Feind, der die Stadt belagert, ist der Teufel. Der weise Mann, deß Niemand gedenkt, ist das Gewissen“.1

Dieser populäre Lehrton, der hier noch durchklingt, ist ohne Zweifel in der Zeit, in der die Rede der Lehrer dem Volk im Großen galt, noch weit mehr gebräuchlich gewesen, wie ja auch Jesus denselben mit Vorliebe anschlug.

5. Die Schriftgelehrsamkeit.

Neben der hervorragenden Stellung, die die Rabbinen im öffentlichen Leben einnahmen, ist es für das Verständniß unserer Zeit nur noch von nebensächlicher Bedeutung, welches ihre im engeren Sinn gelehrte Thätigkeit gewesen sei. Wir greifen daher aus diesem weitschichtigen Gebiet nur Das heraus, was geeignet ist, die neutestamentliche Literatur von irgend einer Seite her zu erläutern.

Philo's Abhandlungen, die Alterthümer des Josephus und die Jubiläen beweisen, daß in den Schulen sich damals schon die Resultate einer in frühere Jahrhunderte hinaufreichenden Arbeit des Schriftstudiums und der Schrifterklärung forterbten. Manche

1 Hieron. Cohel. 9, 14 f.

Schwierigkeiten und manche Lücken der Erzählung der heiligen Geschichte waren entdeckt und durch künstliche Erklärung oder durch neu erdichtete oder von andern Völkern gelernte Fabeln gelöst und ausgefüllt worden. Manches dogmatisch Anstößige wurde wegerklärt. Es hatte sich bereits eine gewisse Ueberlieferung in der Auslegung und eine Anzahl Sagen über die Vorzeit gebildet, die zum Theil schon eben so willig geglaubt wurden, wie die kanonischen Erzählungen selbst.

So hatte man, wie die Jubiläen beweisen, sich die Frage aufgeworfen, wer denn dabei gewesen, als Gott die Welt geschaffen habe, da man jedes Tagwerk aufzuzählen wisse, und getröstete sich ciner Offenbarung, in der der Engel des Angesichts Mose die Schöpfungsgeschichte mitgetheilt habe. Derselbe Verfasser weiß, seit welchem Tage den Thieren der Mund verschlossen worden ist, so daß sie nicht mehr sprechen können, wie die Schlange gesprochen hatte. Er weiß, wie der Teufel sich mit Gott in die Welt getheilt. Er weiß genau, woher die Söhne Adams ihre Weiber haben, mit wessen Hülfe Noah die Thiere in seine Arche brachte, wie der hamitische Stamm der Kanaanäer und der japhetitische der Meder in semitisches Stammgebiet kamen; warum Rebekka eine so große Vorliebe für Jakob hatte, warum Esau, bei einer Hungersnoth, seine Erstgeburt so wohlfeil verkaufte, warum Aunan sich weigerte, die Tamar zu ehelichen, warum das Kind Mose in dem Kästchen erhalten bleiben konnte und was sonst für einen grübelnden Rabbinen wichtige Dinge sind. Auch die Namen der Weiber von Adam bis auf Terach und die Weiber der Söhne Jakobs sind ihm bekannt, und nicht minder das Land, wohin Adam aus dem Paradiese kam, deßgleichen der Name der Spize des Ararat, wo die Arche Noah aufsaß. Auch erzählt er Abrahams Jugendthaten, wie er sich in der zweiten Jahrwoche von seinem Vater absondert, um die Gößen zu meiden, wie er als Kind von 14 Jahren den Rabenschwärmen verbot, sich auf frischbesäten Feldern niederzulassen, wie er den Chaldäern Pflüge und Säemaschinen erfand und gleich Herkules in 10 Versuchungen sich als Held erwies.1 Namentlich romantisch ist der lezte Kampf Esau's

1 Ebenso Targ. Hieros. zu Gen. 22. 1. Vgl. auch die ersten Bücher der Antiquitäten des Josephus.

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gegen Jakob in den Jubiläen ausgemalt und, in Form einer Familiengeschichte, das Vehältniß der Erzväter zu ihren Enkeln und Großvätern, zu ihren Kindern und Schwiegereltern dargelegt, kurz alle Beziehungen derselben vorwärts, rückwärts und zu Gleichzeitigen ausgesponnen. Ein besonders reicher Sagencyklus hat sich nament= lich um das Leben Mose geschlungen, das wir bei Philo und Jojephus ziemlich übereinstimmend erzählt finden. Philo z. B. weiß zu berichten, warum Gott gerade zehn Plagen über die Aegypter verhängt habe, er weiß, welche Jehova durch Aaron. welche er durch Moses vollzogen und welche er sich selbst vorbehalten habe, und auch die Gründe solcher Vertheilung macht er einleuchtend.1 Allen diesen Schriftstellern sind diese interpretirenden Ausschmückungen, die ihren ersten Ursprung der ausmalenden homiletischen Verarbeitung in der Synagoge verdanken, so objectiv geworden, daß sie dieselben ohne weiteres als Theil der heiligen Geschichte berichten. Entschuldigende Irrthümer der Töchter Loth's, Jugendabenteuer des Gesetzgebers, Prophezeiungen auf ihn von ägyp= tischen Weisen, werden mit der gleichen Zuversicht berichtet, wie irgend eine in der Torah selbst enthaltene Erzählung. Und so wurden diese rabbinischen Lehrstücke wohl allgemein in den Schulen behandelt. Auch Paulus zweifelt nicht, daß der Fels, der die dürftenden Israeliten in der Wüste getränkt habe, der Messias gewesen sei, welcher dem wandernden Volke in Gestalt eines Felsen nachfolgte. Ebenso weiß Johannes, daß die Bundeslade sowohl als der Mannatopf, die im Allerheiligsten des alten Tempels gestanden hatten, bei Zerstörung desselben durch die Chaldäer in den Himmel entrückt worden seien, um erst im messianischen Reich wieder zum Vorschein zu kommen, und es ließen sich leicht noch andere Beispiele dafür auffinden, wie die Tradition den Werth wirklicher Schristmäßigkeit mit der Zeit erlangt hatte. Bezeichnet wird dieser Theil der Tradition, der sich nicht sowohl auf das Gesetz bezieht, sondern der praktisch-erbaulichen Auslegung und der Legende angehört, mit dem Namen: Haggada, d. i. Sage, Verkündigung, wie wir oben bereits bemerkt haben.

Neben dieses kühne Spiel der Phantasie stellte sich aber doch

1 Philo, Mos. I, Mang. 96. 4 Apoc. 2, 17. 11, 19.

2 Ant. II. 9, 2.

3 1 Cor. 10, 4.

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