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1. Der Gegensatz der Nationalitäten.

Die eigenthümliche atmosphärische Spannung, die so drückend auf dem Judenthum der neutestamentlichen Zeit lag und mehrere Geschlechter in der Erwartung bevorstehender Weltkatastrophen erhielt, war wesentlich durch das Aufeinandertreffen zweier Volksindividualitäten veranlaßt, die durchaus entgegengesetzten Polen angehörten.

Es gibt in der Geschichte wenig so eigenthümliche Gegensätze wie den zwischen Rom und Jerusalem, der von nun an Jahrhunderte lang die geistige Welt bewegte. Die Rücksichtslosigkeit logischer Consequenz auf der einen und die Gluth religiöser Begeisterung auf der anderen Seite traten in beiden Nationen sich schroff gegenüber, und als zwischen ihnen der Kampf entbrannte, der Anfangs für einen gleichgültigen Grenzkrieg galt, da stellte sich bald heraus, daß zwischen diesen historischen Mächten ein Frieden nicht denkbar sei. Nachdem die Siege des Pompejus auch Palästina dem römischen Adler unterworfen hatten, hatte es Rom versucht, den neugeschaffenen Vasallenstaat sich langsam zu assimiliren. Allein die römische Staatskunst traf hier auf einen Wider= stand, den sie weder an den Ufern des Rheins, noch an den Ge= staden des Nil hatte kennen lernen. Die Geschichte der lezten Jahrhunderte hatte dies Volk dazu erzogen, in seinem väterlichen Brauch sein Ein und Alles zu sehen. Aus den Drangsalen des Erils, aus der Zucht der Propheten, aus den Nöthen der makkabäischen Freiheitskriege war ein Volk hervorgegangen, dessen ganzes Leben in eins gewachsen war mit dem Gesetz; ein Volk, dessen Weiber lieber unerhörte Martyrien erduldeten, ehe fie unreine

Speise genossen, und dessen Männer lieber ihren Nacken den Waffen der Feinde schutzlos preisgaben, als daß sie am Sabbath den Knauf des Schwertes berührt hätten.1 Das ganze öffentliche Leben war hineingegossen in diese religiösen Formen. Nichts war des Einzelnen Willkür überlassen. Vom Jahresanfang bis zum Jahresende waren Feste und Gebräuche, waren die Tage der Arbeit und der Ruhe, waren die Gebete und Lieder, Reinigungen und Lustrationen, waren die Waschungen und selbst die Speisen dem Einzelnen vorgezeichnet Stunde für Stunde.2 In der genauen Erfüllung dieser Gebote besteht für den Einzelnen die religiöse Weihe, die Gerechtigkeit des Gesetzes, die levitische Reinheit, ohne die er keinen Theil hat an den Segnungen der Theokratie. Daher die peinliche Reinheitsangst, die alle Stände beherrscht. Selbst der gemeine Jude meidet die verunreinigenden Wege der Heiden und der Samariter Städte, der Pharisäer meidet die gemeine Menge, der Essäer meidet die ganze Menschheit, und selbst die Genossen des eigenen Bundes sind ihm nicht alle rein.

Durch all diese Bräuche und Nebungen scheint dem Juden über das Land selbst eine heilige Weihe gegossen. Eine religiöse, nicht eine patriotische Empfindung ist es darum, mit der er sein Vaterland anschaut. Der Boden ist ihm ein heiliger Boden durch das Zehnten seines Ertrags, die Städte sind ihm gereinigt durch den Ausschluß alles Unreinen, Jerusalem ist geweiht durch das tägliche Opfer, und über all diesen Stufen von Heiligkeit erhebt sich der Tempelberg mit seinen Höfen und zu oberst das Allerheiligste, wo Gott persönlich wohnt.3 Bei dieser mystischen Vorstellung, die der Jude von dem geweihten Boden Palästinas hatte, war es ihm mehr als ein nationales Unglück, es war eine religiöse Schändung, daß die Füße der Heiden den heiligen Boden von Jerusalem treten sollten und ihre Gräuel in dem geweihten Umkreis der Städte ausüben. Ja es läßt sich leicht ermessen, welche Empfindungen ihn bewegten, wenn er, der selbst im Umgang mit den Volksgenossen eine solche Menge von Reinigungen, Waschungen und Luftrationen nöthig hatte, nun hülflos Tag für Tag der befleckenden Berührung der Heiden preisgegeben war. Denn wie

1 Apion 1, 8; 2, 30. 38. 2 Apion 1, 22 u. 2, 17-25. 3 Chelim I, 6 ff. bei Jost, Gesch. des Judenth. 1, 135.

viele Römer werden es gewesen sein, die mit dem Hauptmann von Kapernaum zu den Lehrern sprachen: „Ich bin nicht würdig, daß Du unter mein Dach gehest und ich habe mich selbst nicht würdig geachtet, Dir nahe zu treten."?1 Und doch war gerade darin das Volk so unendlich empfindlich, so daß keines Weibes Sohn Priester werden konnte, das in Kriegsgefangenschaft der Heiden gerathen war und dadurch den Verdacht der Unreinheit und heidnischen Abstammung auf ihre Kinder vererbte.2 Wie mußte da Entsehen den jüdischen Mann ergreifen, wenn in das Allerheiligste, das selbst der Hohepriester nach tausend und aber tausend Weihen nur ein Mal im Jahr betreten durfte, wenn in diesen furchtbaren Raum ein Pompejus mit seinen römischen Offizieren eindrang, höhnisch die kahlen Wände desselben musterte und italienische Flüche den Gott lästerten, dessen Namen auch nur auszusprechen dem Israeliten verboten war.

Wie ein furchtbarer Fluch lag das Alles auf dem Herzen des Volks; die Rabbinen klagen, daß, seit der heilige Bann gebrochen sei, die Blumen ihren Duft, die Früchte ihren Geschmack, die Felder ihren Ertrag verloren hätten; 3 die Patrioten aber betrachten mit glühenden Augen die römischen Posten, die neben dem Tempel ihre Standarten aufpflanzen und durch ihre Gräuel Jehova's Zorn über das Land herabziehn. Dazu kam denn, daß die Römer selbst nichts thaten, was der jüdischen Empfindlichkeit ihre Anwesenheit einigermaßen hätte erleichtern können. Denn was das Schlimmste war an diesen Verhältnissen: beide Völker verstanden sich nicht. Die Römer haben es nie begriffen, was diese theokratische Welt mit ihren Seltsamkeiten, mit ihren das

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1 Luc. 7, 6. 2 Apion 1, 7. Ant. XIII: 10, 5. 3 Mischna Sotah 9, 12-5. Auszüge bei Gfrörer, Jahrh. d. Heils, 2, 196. Vgl. namentlich das Wort Rabbi Simeons, des Sohnes Gamaliels: „Von dem Tage, da der Tempel zerstört worden, ist kein Tag ohne Fluch, der Thau des Segens fällt nicht mehr, und der Geschmack der Früchte ist dahin," und die Variationen darüber. Das Motiv stammt aus 1 Mac. 1, 21–28. Vgl. auch Psalt. Salom. 17, 25 ff. Das Gegentheil davon sind die gesegneten Tage der Pharisäerherrschaft unter Salome-Alexandra. Von ihnen heißt es Taanith 23a bei Derenbourg 111: „damals fiel der Regen an den Sabbathvorabenden, so daß die Weizenkörner so groß wurden wie Nieren, die Gerstenkörner wie Olivenkerne und die Linsen wie Groschenstücke (Golddenare). Die Schriftgelehrten sammelten solche Körner und bewahrten Proben davon auf, um fünftigen Geschlechtern zu zeigen, wohin die Sünde führt."

ganze Leben umspannenden Gewohnheiten bedeuten wolle. Ihr eigenes Staatsleben war auf äußere Zweckmäßigkeit und innere Logik, kurz auf rein praktische Rücksichten gebaut und berechnet, das theokratische Staatswesen dagegen war durchaus ideell, Symbol eines Gedankens und nur zu verstehen aus dem Zusammenhang einer ganz bestimmten Weltanschauung. Wer diesen Zusammenhang nicht zu begreifen, diesen Schlüffel nicht zu finden vermochte, dem mochte leicht die ganze Theokratie als eine Ausgeburt rabbinischen Aberwizes, als ein wunderliches Gewebe abenteuerlicher Thorheiten erscheinen, und wenn er auch den besten Willen mitgebracht hätte, er hätte doch beleidigen und verletzen müssen, auch da, wo er es am wenigsten dachte und denken konnte.

Leider war von solchem guten Willen aber überhaupt nichts zu verspüren. Pompejus hatte mit der Schändung des Tempels begonnen, und seine Nachfolger hatten dem Volke keine von allen den Erniedrigungen erspart, die die Knechtschaft mit sich bringt. Sie hatten den Mörder des makkabäischen Königshauses, den Freund der verhaßten Samariter, dem Lande zum König gesetzt. Ihre Procuratoren hatten das Land ausgesogen bis auf's Mark, das Volk gepeinigt bis auf's Blut und auf Schritt und Tritt der nationalen Empfindlichkeit in's Angesicht geschlagen.

Kein Wunder, daß da die Rabbinen in Rom das vierte Thier des Danielbuches erkannten, das Thier mit eisernen Zähnen und ehernen Klauen, das um sich frißt, zermalmt und das heilige Volk unter seine Füße tritt".1 „Du bist die Bestie, läßt einer der lezten Sprecher dieser Zeit, der das Aeußerste und Schwerste erduldet hat, den Messias zum römischen Adler sprechen, welche von den vier Bestien übrig ist, die ich in meiner Welt hatte herrschen lassen, und zu dem Ende, daß durch sie das Ende dieser Zeit komme... Du hast das Land nicht mit Recht gerichtet; denn Du hast die Friedsamen bedrängt, die Ruhigen verlegt, die Verläugner geliebt, die Treuen gehaßt, und die Burgen derer zerstört, die Frucht brachten, und die Mauern derer, die Dich nicht verlegt haben. Und deine Schändlichkeit ist aufgestiegen zum Höchsten und dein lebermuth zu dem Starken... deßwegen sollst Du zu Grund gehen, du Adler, und deine fürchterlichen Flügel

1 Dan. 7, 19.

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