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verzehntet, die in ihre Küche kommen, und ihre heilige Reinheitsangst, die den Wein vor dem Trinken seiht, um auch keine Mücke zu verschlucken. So bis in die kleinen, ein Lächeln weckenden, Eitelkeiten des äußeren Auftretens verfolgte er all diese Abfurditäten des Pharisäismus, daß selbst die Feinheiten einer frommen Kleidung seinem Spotte nicht entgehen. Wenn das Judenthum im Geset las: Du sollst die Gesetzesworte binden zum Zeichen auf deine Hand, und sollen dir ein Denkmal vor deinen Augen sein, und sollst sie über deines Hauses Pforten schreiben, und an die Thore", so hatte die jüdische Frömmigkeit diese bildliche Mahnung wörtlich genommen. Vom dreizehnten Jahre an band man in zwei Kapseln die eine Hälfte der obigen Vorschriften an Lederriemen auf der Stirne fest, während man die andere in vier Abtheilungen auf Pergament an der Innenseite des linken Armes zunächst dem Herzen unterbrachte. So hatte man buchstäblich das Gesetz immer vor Augen und am Herzen. Schon die Sadducäer machten gegen diese vollendete Aeußerlichkeit die Glosse, daß die angeführte Stelle des Deuteronomium so wenig wörtlich zu nehmen jei, als Proverb. 3, 3: Laß Frömmigkeit und Wahrheit niemals von deiner Seite. Hänge sie wie ein Halsgeschmeide um und schreibe sie in die Tafel deines Herzens".2 Aber nur um so größer schnitten darum die Pharisäer ihre Denkzettel, rechte Symbole, wie man das Gesetz äußerlich abzuthun gedachte. So trugen sie auch die Quasten an den Enden des Mantels, die das jüdische Gewand auszeichnen sollten, „damit ihr, wo ihr sie ansehet, ge= denket der Gebote Jehova's", so groß als möglich, um aus der Länge der Zizith auf den Umfang ihrer Frömmigkeit schließen zu lassen. Auch solche kleine Eitelkeiten erläßt ihnen Jesus nicht. Alle ihre Werke, sagt er, thun sie, daß sie von den Leuten ge= sehen werden. Denn sie machen ihre Betriemen breit und die Quasten an ihren Kleidern groß. Sie gehen einher in langen Gewändern und lassen sich gern grüßen auf den Märkten und haben gern die ersten Size in den Schulen und die ersten Plätze bei den Gastmälern; die der Wittwen Häuser fressen und zum Schein lange Gebete halten“. „Wenn ihr betet, ist darum seine

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15 Mos. 6, 6-9. 2 Sepp, 176. 3 4 Mos. 15, 38-41. 4 Luc. 20, 46, 47. Mth. 23, 6, 7. Mr. 12, 38-40.

Weisung an die Jünger, sollt ihr nicht sein, wie die Heuchler, die da gern stehen und beten in den Schulen und an den Straßenecken, auf daß sie den Schein haben vor den Leuten und wenn du Almosen gibst, sollst du nicht vor dir her posaunen wie die Heuchler thun in den Schulen und auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gepriesen werden“.1

Wenn wir nun Jesum in einer Welt, in der es außer den Verirrungen der Gesezesgerechtigkeit doch auch noch viele andere Hindernisse des Gottesreiches wird gegeben haben, mit diesem besonderen Nachdruck und solch unerbittlicher Polemik gerade gegen diese Richtung auftreten sehen, so handelte er darin in Consequenz der zeitgeschichtlichen Situation. Für den Augenblick erkennt er in der Herrschaft der Pharisäer das Haupthinderniß des Gottesreiches. Das Volk war zu sehr in ihren Händen, als daß vor ihrer Demüthigung an einen Erfolg im Großen gedacht werden konnte. Sie sizen auf dem Stuhle Mofis und haben die Schlüffel des Himmelreichs. Dem Volke schließen sie es zu und kommen doch selbst nicht hinein. Sie sind blinde Blindenleiter, die mit den Mißleiteten zusammen der Grube zuwandeln. Wie die Herrn des Volkes sind sie aber zugleich mit ihrem Satungswesen eine wahre Laft desselben. Jesus wirft ihnen vor, daß sie dem Volke schwere unerträgliche Bürden schnüren und auf die Schultern legen, aber keinen Finger rühren, um sie dem Nächsten zu erleichtern.2 Ihre unzähligen Gebote, die kein Mensch auch nur im Gedächtniß behalten kann, und die man darum auf Schritt und Tritt ganz unwissentlich überschreitet, vergleicht er den verdeckten Gräbern, auf die man unversehens tritt und sich verunreinigt, ohne es zu wissen, wie Solches vor Kurzem Antipas beim Bau des benachbarten Tiberias begegnet war. In bewußtem Gegensatz zu dieser Härte betont Jesus mit Nachdruck, daß sein Joch sanft und seine Last leicht sei, und daß er statt neuer Qualen Ruhe gebe den be= fümmerten Seelen.

Es sind im Einzelnen wenig Andeutungen darüber erhalten, welchen Erfolg dieser Kampf gegen den Pharifäismus gehabt hat, aber der Schlußverlauf des Lebens Jesu zeigt deutlich, daß im Ganzen das Volk sich dennoch auf die Seite der Pharisäer stellte.

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1 Mth. 6, 1-8. 2 Mth. 23, 4. 3 Luc. 11, 44. 4 Ant. XVIII; 2, 3.

Zumal in Jerusalem selbst und in Judäa hatte die fanatische Heßerei der Frommen einen günstigen Boden, denn dort war die Menge wenig disponirt, den Sinn eines Gottesreichs zu verstehen, dessen Frömmigkeit nicht in Gefeßeserfüllung bestehe. Aber auch in Galiläa gönnte ihm dieser Kampf gegen eine so rührige Gegnerschaft kaum mehr eine ruhige Stätte. Jesus hatte Grund, Kapernaum zu meiden, und auch sonst am See wechselte er, wie wir sahen, häufig den Aufenthalt.1

12. Jesus und die Messiasidee.

Die lehte Reise, die Jesus vor der kommenden Passahzeit, also gegen Ende des Winters antrat, hält sich durchaus in den Grenzen des soeben in römische Verwaltung übergegangenen Landes des Philippus. Von Bethsaida ausgehend, wendet er sich nach dem Norden. Auf dem Weg nach Cäsarea Philippi, wo über dem schluchtenreichen Oberland die schneeigen Spitzen des Libanon und Hermon schimmern, zieht er mit den Zwölfen von Dorf zu Dorf.2 Je höher die Straße ansteigt, um so herrlicher wird der Anblick der Schneeberge. Im Norden lagert der gewaltige Hermon, deffen Schneefelder in der Sonne glänzen, im Nordwesten starren die dunkeln, riesigen Massen des Libanon.3 Ueber die sumpfige Hochebene des oberen Jordanthales steigt der Weg zur Stadt Cäsarea Philippi empor, dem schönsten Ort des heiligen Landes, der an den geheimnißvollen Quellen des heiligen Stromes gelegen war. Im Nordosten, umgrenzt von tiefen Schluchten, ragt heute noch das Castell von Paneas, „der Thurm vom Libanon, der gen Da= maskus schaut“, dessen Anblick schon der Sänger des hohen Liedes gepriesen. Unter dem Thurme braust der Waldbach, in deffen Strudel ein halbes Jahrtausend zuvor der Dichter des zweiundvierzigsten Psalmes, ein gramerfüllter, gefangener Mann, hinabgeschaut: „Meine Seele ist gebeugt in mir, weil ich dein gedenke aus dem Lande des Jordans und der Hermonberge; Fluth ruft

1 Mr. 8, 10. 13. 22. 2 Mr. 8, 27. 3 Furrer 359.

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der Fluth beim Rauschen deiner Wasserfälle; all deine Wogen, all deine Wellen gehen über mich".1 Südwestlich von der Stadt dacht sich das Plateau langsam ab. Zahlreiche Nischen bezeugen noch jezt die Orte, wo einst die Bildsäulen der Nymphen des Stromes und der Satyre gestanden. Hier hatte Herodes aus weißem Marmor dem Augustus einen Tempel gebaut, und der eben verlebte Philippus hatte es sich zu einer Lieblingsaufgabe seines friedsamen Regiments gemacht, die Stadt mit Altären, Votivbildern und Statuen zu schmücken.2 An der über den Quellen des Jordan sich erhebenden Felswand gähnt eine dunkle Höhle. Man sagte, wenn man der Schlucht in's Innere des Berges folge, so gelange man zu einem verborgenen See; die Quellen am Fuße des Hügels galten für den Abfluß desselben. Alles hier war neu und doch geheimnißvoll, und die Zeitgenossen, die den ganzen Bezirk dem großen Pan geweiht, hatten Wald und Feld mit Sagen heidnischer Mythologie reichlich umkleidet. Wir werden Cäsarea Philippi in dieser Geschichte nochmals begegnen. Nach Eroberung Galiläa's suchen Titus und seine Geliebte Bernike, Agrippa II. und die anderen vornehmen Ueberläufer hier eine Sommerfrische. Da rauscht das Thal von frevler Siegesfreude und durch die stille Nacht klirrt der Becherklang. Im Frühling 35 war es ein Ort stiller Sammlung, verödet durch Philippus Tod, in den Händen der Römer ein sicheres Asyl des flüchtigen Messias. Den heimischen Kämpfen weit entrückt, ward es Jesu lezter Ruhepunkt, wo er in der Stille die rechte Verständigung mit seinen Jüngern zu finden hoffte.

Es war in der Gegend von Cäsarea Philippi zum ersten Mal,3 daß Jesus mit seinen Anhängern über seine messianische Würde redete, sich zugleich aber das Ende Johannes des Täufers in Aussicht stellte. So wird denn auch hier der richtige Ort sein, Jesu Stellung zur Messiasidee in's Auge zu faffen.

Wie es je und je in der Geschichte der Völker gewesen ist, daß die Ideen, die die Vielen lang bewegten, endlich in einem Bewußtsein zur Klarheit, in einem Willen zum Entschluß reifen, so hatte in Jesu der messianische Gedanke persönliches Sein ge

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2 Ant. XV; 10, 3. Bell. I; 21, 3. III; 10, 7. Vita 3 Nach der ganzen Haltung von Mr. 8, 27-34.

wonnen. Zu der Predigt des Reichs war Jesu die Anregung, wie wir sahen, von Johannes gekommen. Er hatte, wie Jener, das Reich verkündet und hatte es, was Johannes nicht vermochte, auch geschaffen. Dieses Reich hatte aber, wie es die Propheten beschrieben und wie es lebte im Glauben Israels, einen persönlichen Mittelpunkt. Das messianische Reich war das Reich des Messias. Johannes hatte den Anspruch nicht erhoben, diesen Mittelpunkt zu bilden; er wußte, daß es anderer Kräfte bedürfe, um dem zum Sein und Wesen zu verhelfen, was er im Glauben an die Hülfe eines Stärkeren begann. Eben so entschieden aber war es eine Thatsache des Bewußtseins Jesu, daß er selbst das Reich Gottes bringe, daß er alle diejenigen Elemente frei gemacht habe, die es bilden, daß es keines kommenden mehr bedürfe, um die Ver= heißungen Israels zu erfüllen. Wie sich in dieser abstracten Fassung eine solche Betrachtungsweise für uns von selbst versteht, mit der gleichen Nothwendigkeit verstand sich innerhalb des concreten, national-jüdischen Lebens von selbst, daß Jesus sich als den verheißenen Messias erkannte. Wie die Vorsehung ihn ausgerüstet, und nach dem Beruf, den sie ihm gesezt, konnte er sich selbst nur als die Antwort Gottes auf die Gebete Israels ansehen. Der Messiasglaube war ein Wunsch, eine Hoffnung, eine Verheißung. So gewiß Jesus sich bewußt war, diesen Wunsch und diese Verheißung ohne Rest zu erfüllen, so gewiß mußte er sich selbst als den Messias erkennen. Der Glaube an das Reich war auch der Glaube an sich. So war seine messianische Stellung nicht eine äußerliche Anbequemung an eine Zeitvorstellung, sondern die vollkommen gesetzmäßige Entfaltung seines Bewußtseins. Ist das Negative selbstverständlich, daß Jesu Sendung einen anderen Charakter angenommen hätte, wenn er statt unter den Palmen von Nazareth unter den Eichen Germaniens aufgewachsen wäre, daß der Unterthan des Arminius oder Marbod ein anderer gewesen sein würde als der des Antipas, der Gegner der Druiden ein Anderer als der der Rabbinen, so ist auch das Positive unbestreitbar, daß für Jesum selbst die Thatsachen seines Bewußtseins in denjenigen Anschauungsformen gegeben waren, in denen das jüdische Denken überhaupt verlief. Nur ein Seitensprung der Phantasie kann unterstellen, daß eine geschichtliche Persönlichkeit sich des Inhalts ihres inneren Lebens auch in anderen Begriffen be

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