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in noch einigen Abweichungen derselbe Gedanke. Daß auch diese kühne Allegorie, wie jo viele andere, dem jüdischen Pöbel unverdaulich erscheinen mußte, ist begreiflich; können doch selbst unsere studirten Theologen sich nicht darin finden und haben solche, auf den ersten Blick nach Cannibalismus schmeckende Lehre für baare Münze genommen, ja hat doch selbst der große Luther sie dafür gehalten und sich sogar mit Calvin für ewige Zeiten überworfen, weil dieser das unsinnige, „dies ist der Leib und dies ist das Blut", in der Abendmahlsformel nicht anerkennen wollte.

Ich führe dieses, auch durch unzählige andere Stellen zu belegende Beispiel nur aus dem Grunde an, um zu beweisen, daß man sich, wenn Jesus solche Worte wirklich gesprochen (was noch keineswegs erwiesen ist), der geringen Fassungskraft des Volkes gegenüber nicht über das zwiespältige Wesen im Christenthum wundern darf, das ja selbst noch heute wie ein Gespenst unter den Völkern umherschleicht und Menschen zu mystischem Wahnsinn treibt, in welchem sie gelegentlich sich und Andere erwürgen. Uebrigens werde ich bei einer anderen Gelegenheit den allegorischen Kern jener ungeheuerlichen Gleichnisse bloßlegen. Kaum glaublich ist es, daß Jesus alles Das gesprochen haben soll, was die Evangelisten (nicht zu vergessen: fast 200 Jahre nach seinem Tode) der Ueberlieferung entnommen haben wollen, wahrscheinlich aber in ihren Köpfen ausgebrütet haben. Hierin aber liegt der wundeste Fleck des Christenthums, hier ruht der Fluch auf diesem (in ehrenhaftem Sinne gesprochen) Gottmenschen, daß jene jüdischen Rabbinen und griechischen Pfaffen, die sich ein Gewerbe daraus machten, Evangelien zu schreiben, einerseits ihre talmudischen und kabbalistischen Hirngespinnste, anderseits ihre hellenisch-sophistischen Spißfindigkeiten in das schöne, klare und verständliche Lehrsystem Jesu „hineinlogen“ und uns so das erhabene Bild des Weisesten der Weisen entstellten. Als schlagender Beweis sei z. B. die unsinnige Fabel von des Teufels Versuchung angeführt, die viel eher, mit unwesentlicher Veränderung, im Talmud stand, als in der Bibel. Ja die Sprachkenner und Sprachforscher, namentlich die jüdischen Theologen finden in den ver schiedenen Dialecten der bebräischen Literatur Spuren, welche auf eine talmudische Herkunft der evangelischen Fassung unzweideutig hinweisen ; fo z. B. in jener Stelle, wo Jesus dem Simon Petrus die bekannte Auszeichnung verlieh, welcher, in wunderlicher Ideen-Corruption, im Laufe der Zeit die Würde des Papstthums entsproß, indem nämlich Jesus zu ihm gesagt haben solle:,,du sollst der Fels sein, auf dem. ich meine Kirche baue, und darum hinfort Kephas heißen."

Nun kam aber in dem alten klassischen Hebräisch der Ausdruck „Kephas“ für Stein oder Fels gar nicht vor, sondern ist eine erst viel später und nur im Talmud auftretende Bezeichnung von etwas Hartem, das den jüdischen Theologen späterer Zeit, welche die Evangelien verfaßten, geläufig geworden sein mochte. Jesus aber kannte es nicht. Im Hebräischen heißt der Felsen,,Zur"; Petra ist der entsprechende latei= nische Ausdruck, welcher Umstand allein schon Vieles zu denken giebt und auf die Spuren der Herkunft unserer Evangelien führt.

Ein noch viel auffallenderes Merkmal der späten Entstehung der Evangelien und zugleich ein Zeichen, daß wir in ihnen häufiger Erfindungen dritter Personen, als historische Thatsachen aus dem Leben Jesu vor uns haben, liegt in der Sprachweise und in einzelnen Ausdrücken, die man ihm in den Mund legt, da es doch schlechterdings unmöglich ist, daß sich derselbe solcher bedient haben soll. Hierher gehört namentlich die vielfach wiederkehrende bildliche Redensart für Trübsal oder Leiden, daß er stellvertretend in mancherlei Redewendung von Kreuz tragen“, „Kreuz auf sich nehmen“ und dergleichen gesprochen haben soll. 3. B. Matthäus 10 V. 38:,,Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir nach, der ist meiner nicht werth." Matthäus 16 V. 24:,,Will mir Jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“ Ebenso in ähnlicher Weise Marcus 8 Vers 34 und 10 Vers 21; Lucas 9 Vers 23 und 14 Vers 17 u. s. w.

Abgesehen davon, daß vernünftiger Weise nicht angenommen werden kann, es habe Jesus schon in der Blüthe seines Lebens und Wirkens gewußt, daß er nächstens den bei den Juden gar nicht gebräuchlichen Kreuzestod sterben würde und daß — gesezt den gar nicht denkbaren Fall, er habe es aus übernatürlichen Ursachen schon vorher gewußt --jede Willensfreiheit und hiermit jedes Verdienst hinfällig werden müßte: so tritt hier noch der wichtige Umstand gegen die historische Treue auf, daß sich Jesus dieser Redeform nicht hat bedienen können, da die Muttersprache Jesu und seiner Jünger, das Hebräische und Chaldäische, durchaus kein dem Kreuz“ analoges Wort besißt und namentlich auch. die davon abgeleitete Todesart keinen Ausdruck in diesen Sprachen fand. Wo davon in den älteren rabbinischen Schriften die Rede ist, gebraucht man das umschreibende Wort Etz, etwa mit Holz oder Baum gleichbedeutend. Spätere jüdische Schriftsteller bedienten sich für den Gegenstand christlicher Verehrung des Wortes „Zelem“, das sowohl Bild im All. gemeinen, als „Gößenbild“ im Besonderen bedeutet, in welcher Bedeutung es auch schon der Prophet Daniel im 3. Capitel anwendet.

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Durch diesen Wortmangel der hebräischen Sprache kam vornehmlich das Ueberseßen des Neuen Testaments ins Hebräische, wie Solches von der englischen Bibelgesellschaft veranstaltet wurde, in die peinlichste Verlegenheit. Die obengenannten Bezeichnungen konnte man unmöglich benußen, denn wie würde es geklungen haben, wenn es in den eben bemerkten Stellen geheißen hätte: Wer mein Holz nicht auf sich nimmt“, oder: „wer nicht meinen Baum trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein" u. s. w. Der Ausdruck,Bild“ oder gar Gößenbild" würde aber geradezu verleßend gewesen sein. Die Engländer haben sich dadurch zu helfen gesucht, daß sie das chaldäische Wort Zeliba" (Galgen) hebräisirten und aus demselben Zelab machten, was bei ihnen wohl oder übel für eine Bezeichnung Dessen gelten muß, was wir Kreuz nennen.

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15.

Fernere Darlegung der Situation. Jesus säubert den Tempel.

Nachdem wir nunmehr den Leser auf den rechten Standpunkt gestellt, von welchem aus die uns bisher geläufigen evangelischen Geschichtsquellen für Jesu Leben und Charakter beurtheilt sein wollen, folgen wir Lesterem wieder auf seinem ferneren verhängnißvollen Lebensgange, der ihn, wie wir gesehen, zuerst nach seiner Heimath Galiläa (Nazareth und Capernaum) und dann nebst seinen Schülern nach Jerusalem zurückführte.

Die bürgerlichen Verhältnisse dieser Weltstadt waren in jener Zeit von der schroffsten Parteiung zerrissen; namentlich standen sich zwei politische Fractionen, die Gauloniten und die Heroditen, kampfgerüstet gegenüber. Jene hatten ihren Parteinamen von einem Bürger zu Gaulon in Ober-Galiläa, Namens Judas Theudos, erhalten, der mit glänzender Beredsamkeit den Aufruhr gegen die römische Zwingherrschaft predigte, indem er der jüdischen Nation noch immer die göttliche Auserwähltheit vor allen Völkern der Erde zueignete und die Behauptung aufstellte, daß sie schon aus diesem Grunde keinen anderen Herrscher als nur den alleinigen Gott über sich anerkennen dürfe; wogegen die Heroditen zu denen auch Jesus gehörte den Revo lutionären gegenüber das Heil der Juden nur in einer geordneten Oberherrschaft der Römer erblickten. Die Zahl der letteren war zwar die größere, aber jene übertrafen sie an Energie und Kühnheit und schreckten vor keinem Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke, wie gefahr

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voll solche auch sein mochten, zurück. Die geheime Rotte war der öffentlichen Wohlfahrt um so gefährlicher, als ihre vornehmsten Häupter der zelotischen Priesterkaste, namentlich den gleißnerischen Pharisäern angehörten, die über die Hefe des Volks Alles vermochten und die Flamme der mordlustigen Rebellion, von ihnen angefacht, jeden Augenblick zum Emporlodern bringen konnten.

Dieser Zustand der Dinge war Niemandem ein Geheimniß, am wenigsten konnte er Jesus verborgen bleiben, der täglich mit dem Volke verkehrte und Augen- und Ohrenzeuge davon war, mit welchem Ingrimm man die Adler-Standarte der Römer von der Burgveste Antonia flattern sah; gegenwärtig war diese mehr als je von römischen Kriegern angefüllt, da man auch drüben auf der Veste die gefahrvolle Stimmung kannte und jeden Augenblick des Ausbruchs eines fanatisches Aufruhrs gewärtig war.

Gleich Anfangs war es aber keine geringe Verlegenheit, die einem Charakter wie Jesus schon durch die unabweisliche Wahl zugeschoben wurde, auf welche Seite er sich stellen, welche Partei er ergreifen folle? Die Tendenz seines Strebens, dem jüdischen Volke ein Refor mator zu werden, trieb ihn, der Natur der Situation nach, zu der besagten revolutionären Volkspartei hinüber. Abgesehen davon, daß ihn, den Hochgebildeten, den moralisch rein und lauter Dastehenden, der rohe fanatische Pöbel anekeln mußte, so wäre er durch ein derartiges Bündniß zugleich gezwungen gewesen, sich mit dem ihm zum Tode verhaßten jüdischen Priesterthum, namentlich den Pharisäern, zu verbinden und einer solchen Kaste Freundschaft zu heucheln. Dazu aber stand der Weiseste und Edelste seines Volkes aber doch zu hoch.

In dieser Verlegenheit wendete er sich auch jest wieder, wie früher bei ähnlichen Veranlassungen, an einen seiner hochgestellten essäischen Freunde, wahrscheinlich an Nicodemus oder Joseph von Arimathias, und ging denselben um Rath in seiner Verlegenheit an. Er fand seinen Freund in auffallend trüber Stimmung, denn Niemand konnte sich die Gefahren der Situation verhehlen, die einestheils in der tiefen Sittenverderbniß des Volkes, anderntheils in den revolutionären Plänen des hohen Raths ihre Begründung fanden und denen zu widerstreben man den höchsten persönlichen Gefahren ausgesetzt war. In dieser Hinsicht hatte Jesus ja bereits persönliche Erfahrungen gemacht.

Der Freund konnte ihm nur die größte Vorsicht empfehlen und warnte ihn namentlich, seiner Lebhaftigkeit dem Volke gegenüber den Zügel schießen zu lassen. Dergleichen ist aber leider leichter gepredigt als gethan.

Eines Morgens, bald nach erfolgter Rückkehr nach Jerusalem, ging Jesus, seiner Gewohnheit nach, mit den Jüngern zum feierlichen Morgenopfer in den Tempel und stieg, freudig empfangen von der Menge des Volks, das bereits gewohnt war, in ihm den echten und bewährten Volksfreund zu verehren, ernst und andachtsvoll die Stufen zur heiligen Moria hinan.

Diese feierliche Stimmung aber wurde schmählich unterbrochen durch ein unter den widerlichsten Formen auftretendes, geräuschvolles Schacherleben, das sich nicht mehr wie in früheren Zeiten auf den äußersten Vorhof des Tempels beschränkte, sondern mit unverschämter Anmaßung selbst bis in die inneren Hallen des Heiligthums vorgedrängt hatte, die ursprünglich nur für den geheiligten Opferdienst und den höheren religiösen Cultus bestimmt gewesen.

Ganze Heerden feister Stiere, um deren An- und Verkauf man feilschte, brüllten hier dem Eintretenden entgegen und bedeckten den schön getäfelten Fußboden mit ihrem Unrath; ihnen zur Seite blökten Rudel gemästeter Opferlämmer, aus denen Käufer und Händler hie und da ein auserwähltes Stück hervorhakten, anpriesen, bedangen und mit demselben von dannen zogen. Unter den Säulenhallen hatten die Geldmäkler ihre Geschäftslocale etablirt, indem sie auf ihren Wechseltischen große Summen heimischer Münzen ausbreiteten, wie man sie ausdrücklich nur dem Tempelschaße darbringen durfte und die man daher mit gutem Gewinn gegen fremde, namentlich römische Münzen den Begehrenden umsezte. Von den abgelegenen Winkeln her vernahm man das vielstimmige Gurren unzähliger Arten von Tauben, die von den weniger vermögenden Frommen zum Opferdienste erstanden zu werden pflegten.

Dieses geräuschvolle, unwürdige Treiben an so geheiligter Stätte hatte sich in der Zeit, da Jesus abwesend war, allmählich zu unerhörter Ausdehnung herausgebildet, und indem ihm die Erinnerung an die Anständigkeit der griechischen und ägyptischen Tempelculte, welche er auf seinen Reisen in jenen Ländern zu beobachten vielfach Gelegenheit hatte, vor die Seele treten mochte, loderte bei dem Anblick eines so unwürdigen Marktbetriebes im Innern des heiligen Gebäudes heftiger Zorn in seiner Seele auf, während er einige Minuten an einen Pfeiler gelehnt, die Scene schweigend überblickte. Es entging ihm nicht, daß ein Theil des hier erzielten wucherischen Gewinns in die Säckel der geldgierigen Priester floß und dieselben nur solchen Gewinnes halber eine derartige Eintheilung des Tempels gestatteten.

War ihm schon der heuchlerische Opferdienst, mit dem man ge

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