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Jesus ging sofort dem Fremdling entgegen und führte ihn schweigend in ein entlegenes Gebetzimmer. Hier entzündete er eine Lampe und jah nun, daß sein geheimer Freund und Anhänger Nicodemus vor ihm stand, der sogar unter dem Mantel den Ornat des hohen Raths, dessen Mitglied er war, sowie die Abzeichen des pharifäischen Ordens trug. Es war dieser derselbe Nicodemus, der später in den Bund der Essäer übertrat und als solcher in der Leidensgeschichte Jesu eine so wichtige Rolle spielte.

Jesus war, wie sich leicht denken läßt, erstaunt und forschte eifrig nach der Ursache dieses hohen Besuchs.

Nicodemus betrachtete eine Weile schweigend die hohe, Ehrfurcht gebietende Gestalt, wie das würdevolle und doch von Anmuth und Güte strahlende Antliß des hochbegabten Weisen, und erst dann begann er:,,Rabbi! wir und alle, die dich, deine Lehre und dein Thun beobachtet haben, wissen, daß du ein von Gott vorzüglich ausgerüstestes Werkzeug seines Willens, daß du ein vor Tausenden begnadeter Gesandter des Herrn unter unserm Volke bist! Ich bin gekommen dir, meine Ehrfurcht zu bezeigen, doch um der Schwachen willen komme ich bei Nacht." „Und worin“, fragte Jesus, „fandest du die Beweise für meinen hohen Beruf?"

,,Die Ueberzeugung davon drängt sich Jedem auf," erwiderte der Pharisäer, der deine Reden vor dem Volk, deinen Wandel, deine menschenfreundlichen Handlungen und deine erhabenen Pläne ermißt, die uns nicht verborgen sind; und wer vollends dir ins Auge sieht und deine ganze Erscheinung würdigt, der findet den Stempel der Erhabenheit und göttlichen Bevorrechtung unverkennbar in dir ausgeprägt und kann nicht daran zweifeln, daß der Ewige dich zu Besonderem auserlesen und um großer Zwecke willen auf die Erde gesendet hat."

Jesus warf, als Nicodemus geendet, einen langen und bedentsamen Blick auf den seltsamen Gast, als wolle er in seiner Seele lesen, ob Aufrichtigkeit oder Falschheit die Triebfeder dieser Anrede sei? Beide schwiegen lange. Endlich begann der Weise: „Ich weiß, was in deiner Seele vorgeht, Nicodemus, und in welcher Absicht du mich heimsuchst, denn ich kenne eure revolutionären Pläne, zu deren Ausführung ihr mich schon einmal bereden wolltet. Ich sage euch aber zum andern Male, daß ich nichts mit irdischen Dingen gemein habe. Völlig gleich ist es mir, wer das irdische Scepter trägt; das Reich, welches ich auf Erden zu stiften berufen bin, ist das Gottesreich der Sittenreinheit, der Menschenliebe, der Frömmigkeit durch edle Thaten, und Niemand kann daran theilnehmen, der nicht von Neuem geboren wird, das heißt, der nicht den

alten Wahn, die Scheinheiligkeit, die inhaltslose Frömmelei und das lasterhafte Wesen von sich thut. Wie die Kinder müßt ihr werden, die noch nichts wissen von alle dem Jrrsal, das eure Häuser und eure Tempel entweiht; die thörichten Opfer, die albernen Ceremonial-Gesetze, durch deren ängstliche Beobachtung ihr die Gottheit zu bestechen wähnt: diese und tausend andere Dinge müssen schwinden, ehe ihr meine Pläne nur einmal zu würdigen verstehen könnt, und wie dürfte ich hoffen, Trauben von den Dornen zu lesen? Geh, geh, Nicodemus, ich lese es in deinen erstaunten Blicken, daß meine Forderung dich erschreckt; so ziehe du denn deine Straße und laß mich ruhig die meine wandeln.“

Nicodemus versuchte es, dem Freunde die Unmöglichkeit seiner Anforderungen begreiflich zu machen, aber damit reizte er nur den edlen Stolz des gottbegeisterten Rabbi, der auch nicht eines Haares Breite von seinem großen Plane vergab, alle Menschen, alle Nationen zu einem großen heiligen Bunde der Tugend und Gottseligkeit zu verbrüdern und so schon ein Himmelreich, ein Reich der Liebe und des Wohlwollens auf Erden zu stiften. Er nannte dieses das Reich Gottes, und von der tausendfältig ausgesprochenen Idee war er so lebhaft durchdrungen, daß er die Sehnsucht nach dem „Gottesreich" als dritte Bitte in sein später als Norm aufgestelltes Gebet einführte.

Diesen Grundgedanken noch weiter ausführend und von Nicodemus mit steigendem Interesse und immer schwächerem Widerstande angehört, unterhielten sich die Freunde noch eine geraume Weile, und der Pharifäer verhehlte dem kühnen Jüngling nicht, welche Gefahren ihn umringten. Er rieth ihm mit väterlicher Milde zur Selbstbeherrschung und Vorsicht, indem er ihn zugleich an die strengen Gesetze des Judenthums mahnte, die über Denjenigen richteten, der sich gegen die heilige Religion verginge. Aber Jesus versicherte ihn seiner furchtlosen Unerschrockenheit und seines Entschlusses, Alles, ja selbst sein Leben an die Ausführung seines Planes zu sehen, den er keineswegs willkürlich oder aus Nebenabsichten ersonnen, zu welchem ihm vielmehr ein über das menschliche Wollen hinausgehender höherer, ein göttlicher Wille berufen, dem er sich in Demuth füge, und wohl zu bedenken bat er seinen väterlichen Freund: daß, wer das Opfer seines Lebens hinzugeben sich nicht fürchte, darüber hinaus nichts weiter zu befürchten habe. Nicodemus ward tief erschüttert von Dem, was er aus dem Munde des jungen Freundes vernommen, und beide schieden spät in herzlichem Einvernehmen. Auch hat man keinen Grund, diesen Pharisäer für einen falschen Freund zu halten, da sich seine edle Gesinnung bekanntlich bis über das Grab hinaus bewährte.

18.

Die Schüler oder sogenannten Jünger Jesu und deren Botschaft. Erklärung des Begriffs „Gottes Sohn“ und „des Menschen Sohn.“

Da von jezt an das eigentliche Lehramt Jesu recht ernstlich beginnt und der verhängnißvolle Pfad beschritten wurde, dessen Abschüssigkeit mit unaufhaltsamer Hast zu der bekannten Katastrophe führte, die ihm die Dornenkrone des Märtyrerthums auf das schuldlose Haupt drückte, so wollen wir nachdem wir die seines Umganges gewürdigten Frauen in einer Gruppe dargestellt auch einen kurzen Blick auf den oft genannten Jüngerkreis richten, von welchem wir erst einige hervorragende Persönlichkeiten kennen lernten. Die Evangelisten halten die Zahl 12 fest; nur einer spricht von 70, und es ist in der That sehr wahrscheinlich, daß durchaus keine bestimmte Zahl feststand, sondern auch die Zahl 12 wie so viele anderen Momente des Lebens Jesu in der evangelischen Auffassung lediglich der jüdischen Tradition angepaßt wurden: hier z. B. gemäß den 12 Söhnen Jacobs und den daraus entsprossenen 12 Stämmen Israels.

Die meisten Jünger, außer den genannten vier, waren stets nur Figuranten, und unter ihnen machte sich eigentlich nur Matthäus der Zöllner, der einzige und älteste Biograph, später einen rühmlichen Namen, während dem Judas, welcher aus Karioth gebürtig und der einzige Nicht-Galiläer unter ihnen, von den Evangelisten ein berüchtigter Makel (wahrscheinlich mit Unrecht) angeheftet wurde. Wir finden ferner noch genannt: Philippus aus Bethsaïs; Nathaniel aus Cana; Thomas, welcher sich später durch seinen Unglauben einen Namen für alle Zeiten gemacht hat und dem wir nur noch größere und umfassendere Zweifelsucht gewünscht hätten; dann Taddäus ; Simon genannt der Eiferer; endlich noch zwei Vettern, Jacobus und Judas, die ihm durch Maria Kleophas zugeführt wurden.

Ich nenne diese Namen nur der Vollständigkeit wegen, denn gegen ihren Lehrer und Meister verschwinden sie wie Jrrlichter vor dem Tagesgestirn; ihre Wichtigkeit beginnt erst mit dem Augenblick, wo Jesus von dem Schauplaße der Geschichte abtritt und sie den Kern der neu beginnenden Religion bilden, um den sich von da ab die christliche Gemeinde und später die christliche Kirche crystallisirte. Indeß sendete Jesus auch jezt schon seine Schüler zu zweien oder in kleinen Gruppen aus, um seine Lehre zu verbreiten; höchst merkwürdig ist, was er ihnen als Lehre und Richtschnur ihres Verhaltens mit auf

den Weg gab. Wir danken die Fassung derselben dem Theilhaber Matthäus und dürfen wohl annehmen, daß er sich die Worte ziemlich gut gemerkt hat. Jesus sprach zu ihnen etwa Folgendes:

-

,,Meine Lehre ist für Alle, aber eure Wege führen nicht zuerst ‹ zu den Heiden, noch zu den Samaritern, denn es ist den Tauben schlecht predigen; weilet vielmehr vorerst bei den verlorenen Schafen des Hauses Israel und verkündet ihnen, es sei das Himmelreich, d. i. das Reich des Friedens und der Beglückung in Liebe durch den neuen Glauben, nahe herbeigekommen. Heilet die Kranken, wie ich es euch gelehrt, denn Wohlthaten binden die Herzen. Vor Allem erlöset die Aussäßigen von ihrer Trübsal, und die da geistig todt sind, erwecket zu neuem Leben durch die Verkündigung meiner Lehre; und wo die Sünde und das Laster hauset, da treibet diese Teufel aus in meinem Namen, da ihr ihnen den Gott der Liebe als unser Aller Vater verkündet. Nehmt aber keine Geschenke, denn umsonst habt ihr's empfangen, ohne Entgelt sollt ihr es wieder wegthun. Auch rathe ich euch, nicht Gold noch Silber noch Erz bei euch zu tragen; habt auch keine Taschen in euren Kleidern, und wer zwei Röcke hat, lasse den einen daheim; auch sollt ihr keine Schuhe tragen noch Stecken; — ihr werdet aber überall Speise finden und was sonst des Leibes Nothdurft, denn jeder Arbeiter ist seines Lohnes werth. Darum begrüßet auch Niemand auf der Straße etwa um eine Gabe. Wo ihr aber in eine Stadt oder Flecken geht, da erkundet fleißig, wo Einer wohnt, der euer werth ist, und bei demselben bleibet, daß ihr sein Gast seid, bis daß ihr von dannen zieht; so sollt ihr auch nicht von Einem zum Andern gehen. Wo ihr aber merket, daß man euch widerwärtig, da dränget euch nicht auf, sondern schüttelt den Staub von euren Füßen und scheidet in Frieden alsobald. Saget ihnen aber, es wäre das Gottesreich ihnen nahe gewesen und es werde die Zeit kommen, wo fie nach euch rufen möchten, aber euer Gehör werde dann ferne sein; und wahrlich, es wird ein Gerichtstag kommen über dieses Land und über diese Städte, und es wird ihnen schlimmer ergehen als Sodom und Gomorrha, da sie vertilgt wurden von der Erde. Bedenket aber, daß ich euch sende wie die Schafe mitten unter die Wölfe, darum seid flug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Machet euch aber Rechnung auf die Tücke der Menschen, denn sie werden euch geißeln mit ihren Zungen, und die Gerechtigkeit wird ihre Hand auf euch legen auf den Rathhäusern. Ja selbst vor die Fürsten und Gewaltigen wird man euch führen um meinetwillen, zum Zeugniß über sie und über die Heiden, denen zu gleichen man euch anklagen möchte. Sinnet aber

zuvor nicht viel, was ihr alsdann reden werdet, denn die Stunde, da sie gekommen, wird es euch auf die Zunge legen, daß ihr wahrhaftig redet; die Lüge aber sinnet wie sie den Schein gewinne; denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern der Geist der Wahrheit, welcher ist unser aller Vater, der ist es, welcher durch euch redet. Wo aber der Streit ausbricht zwischen Klarheit und Finsterniß, da ist es nicht zu hindern, daß Zwietracht einhergehe unter den Menschen; und also werden sich hassen um meiner Lehre willen Bruder und Bruder, Vater und Sohn, und die Kinder werden sich empören gegen die Eltern bis in den Tod. So wird man auch mich hassen um meiner Lehre willen und alle, die meiner gedenken; wer aber ausharret bis ans Ende, der darf sich glücklich preisen darum, daß er Gott erkennet in seinem Lichte wie er ist. Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so stehet ihnen nicht Rede, sondern weichet vor ihnen als den Verblendeten; wahrlich, Ihr werdet nicht alle Städte in Israel begrüßt haben, bis daß meine Botschaft vollendet ist und das Werk nicht mehr untergehen kann, dazu des Menschen Sohn ist berufen worden von der Ordnung der Dinge aus Gott. Ich weiß es wohl, daß Ihr es nicht allein möget vollbringen, denn der Jünger ist nicht über seinen Meister, noch der Knecht über den Herrn. Aber der Jünger soll seines Meisters Gedanken aufnehmen, und der Knecht seines Herrn Willen. Hat man den Hausvater Beelzebub geheißen, wie sollte man seine Hausgenossen mit Anderem verehren? Fürchtet euch aber nicht vor den Widersachern, denn es sieget das Licht, wenn der Morgen seine Botschaft ausrichtet, und bleibet dann nichts verborgen, und ist keine Heimlichkeit mehr vor der Sonne. Was ich euch aber sage im Dunkeln, das erhellet mit eurem Verständniß und predigt es von den Dächern, und lasset euer Licht leuchten vor allem Volk. Fürchtet euch aber nicht vor denen, die wohl vermögen den Leib zu tödten; aber den Geist, der aus dem Lebendigen geredet und die Welt erleuchtet hat, vermögen sie nicht mehr zu tödten. Fürchtet euch aber vielmehr vor dem Lügengeist, der die Menschen an Leib und Seele verderbet und macht die Erde zur Hölle.

Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Doch fällt derselben keiner auf die Erde ohne des Gesezes Kraft, wie es der Weltgeist geordnet. So auch sind eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht, denn wie viel höher steht ihr als das Gewürm, das auf Erden kreucht, oder das Gewächs, das nichts von sich selber weiß. Wer aber mich, d. i. meine Lehre bekennet, der bekennet sich zu dem alleinigen Gott, dem Vater der Menschen und

Clemens, Jesus I.

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