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erklärte. Er schwankte in seinen Entschlüssen hin und her und wurde endlich mit sich einig, ihr unter vier Augen friedlich und freundlich seine Gründe auseinander zu sehen und die Verlobung ohne Zuziehung der beiden geseßlichen Zeugen rückgängig zu machen, auch überhaupt die Ursache der Scheidung geheim zu halten. Was Letteres bezwecken sollte, ist nicht wohl abzusehen, da alle Welt bereits Maria's Zustand kannte und die seltsamsten Gerüchte die Runde unter dem Volke gemacht hatten.

Maria, über Josephs Entschluß ihr zu entsagen, zum Tode erschrocken, erzählte ihm unter heißen Thränen noch einmal den Hergang der Sache, betheuerte, daß sie den Besuch eines Engels gehabt und keines Sterblichen Hand sie berührt habe, und wies zugleich auf Zacharias hin, an dessen Eheweib ein ähnliches Wunder geschehen sei und wie der Mann sich dessen höchlich erfreue. Kurz, Maria erschöpfte sich in allen möglichen Ueberredungskünsten, ihren Verlobten von ihrer Unschuld zu überzeugen und ihn in seinem Entschluß, sich von ihr zu trennen, wankend zu machen.

Joseph, obwohl nicht leichtgläubig genug, der Visionärin in ihrem wundergläubigen Vorgeben beizupflichten, vermochte gleichwohl in Maria keine verschmißte Betrügerin zu erkennen, die als solche seiner Achtung und somit seines Mitleids unwürdig gewesen wäre. Er fühlte ein herzliches Erbarmen mit der Unglücklichen und sann eifrig darüber nach, was zu thun, um des Mädchens, aber auch sogleich seine eigene Ehre vor der Welt zu retten; und in diesem peinlichen Zwiespalt gab es für ihn ersichtlich keinen andern Ausweg, als sich scheinbar dem Glauben an eine übernatürliche Begebenheit anzuschließen und somit seine Verlobte als eine von Gott zu großen Dingen Auserwählte anzuerkennen und von aller Welt ein Gleiches zu verlangen.

Was hätte auch Joseph unter solchen Umständen Klügeres thun können? Die ganze Anschauungsweise der Juden war auf dem Glauben an Wunderthaten, außerordentliche Veranstaltungen Gottes auf Erden, begründet und es würde als strafbare Lästerung angesehen sein, wenn irgend ein Jude an der Möglichkeit wunderthätiger Erscheinungen hätte zweifeln wollen, da ja die ganze Geschichte dieses angeblich bevorzugten Volkes nur eine einzige bunte Reihe von göttlichen Wunderthaten

Daß aber Joseph in seinem Herzen anders dachte und seiner besseren und klareren Einsicht in den Zusammenhang der Begebenheit, wie er sie gleich anfangs aufgefaßt, nicht entsagt hatte, geht schon aus dem Umstande hervor, daß er heimlich bei sich beschloß, die seiner innigsten Ueberzeugung nach von einem andern Manne Entweihte, um

sie vom Verderben zu retten, zwar zum Weibe zu nehmen, aber sich jeden geschlechtlichen Umganges mit ihr zu enthalten. Diesen Ausweg, zum Frieden mit sich selbst zu kommen, wird man um so natürlicher und begreiflicher finden, wenn man erwägt, daß die Orientalen überhaupt von jeher noch bei weitem strengere Begriffe über die Keuschheit des schönen Geschlechts hatten, als wir sie haben.

Es läßt sich nach den damaligen Umständen leicht erachten, daß diese Geschichte in der nächsten Umgebung Maria's und ihrer Eltern (von denen uns die Historie leider wenig aufbewahrt hat) viel von sich reden machte, und da die politische Bedrückung des Volkes der Juden dasselbe in jener Zeit mehr wie je nach einer rettenden Hand ausschauen ließ, auch der Messiasglaube, die Hoffnung auf einen Befreier von der römischen Herrschaft, als letter Rettungsanker ihr ganzes Sein und Wesen erfüllte, so ist es wohl erklärlich, daß jene mysteriöse Geschichte der Maria viele gläubige Seelen fand und man allerdings Ursache zu haben glaubte, der Entbindung der Frau Joseph mit besonderem Interesse entgegen zu sehen, zumal es doch immerhin noch möglich war, daß sie von einem Mädchen entbunden werden könnte, wodurch dann freilich die Illusion frei zu Tage gelegen hätte.

Jeder, der sich veranlaßt fühlt, diese Thatsache zuzugeben, wird sich gestehen müssen, daß die Empfängniß und Geburt Jesu keineswegs gewöhnlich und alltäglich genannt werden darf, wie man sie meist in den Profangeschichten des Lebens Jesu dargestellt findet, wenn auch die phantastische Ausschmückung der Evangelisten mit dieser Wirklichkeit im Entferntesten nichts zu schaffen hat.

Ein Moment dieser erwartungsvollen ersten Zeit des noch ungeborenen, aber von vielen in vollem Ernste erwarteten Messias wurde mit den Besprechungen der bezüglichen Weissagungen ausgefüllt, die sich in den heiligen Schriften, namentlich in den Propheten vorfanden und selbst heute noch unsern christlichen Theologen so überaus geläufig sind. Ein Hauptmoment dieser Weissagung bildet bekanntlich die so auffallend positiv ausgesprochene Bestimmung, daß der Messias in gerader Linie vom weiland König David abstainme. Es war den Gläubigen mithin die Aufgabe nahe gelegt, sich nach dem väterlichen Stammbaum des mit Sicherheit erwarteten Knaben bei Zeiten umzuschauen, und da fand sich denn, daß selbst den Angaben des Talmud nach — die Eltern der Maria, mindestens der Vater (denn die Frauen zählten bei dieser Angelegenheit nicht) allerdings aus dem Geschlechte Davids herstammten, obgleich einige Evangelisten nichts davon erwähnen. Das will aber nicht viel bedeuten, denn diese erst in einer viel späteren

Zeit lebenden und als Erzähler auftretenden wunderbaren Heiligen haben sich gerade bei Aufstellung des Geschlechtsregisters Jesu die heillosesten Blößen gegeben.

Kommt es wirklich darauf an, als Wahrzeichen des echten Messianismus unseres Religionsstifters die direkte väterliche Abkunft vom König David nachzuweisen, so tritt hier natürlich die ungemein heiklige Frage in den Vordergrund: wer ist der eigentliche, wirkliche Vater des Jesus? Joseph, der ausdrücklich erklärt hat, er sei es nicht, schloß sich, um die Ehre und vielleicht das Leben Maria's zu retten, scheinbar derjenigen Partei an, die eine mittelbar durch den Engel Gabriel vollbrachte göttliche Zeugung annahm. Dabei kam aber jene David'sche Geschlechtsdebatte in arge Verlegenheit, denn wie wollte man den Engel Gabriel mit dem David'schen Stammbaum in Einklang bringen? Bei derartigen Wundergeschichten macht man indeß mit Scrupeln, ja sogar mit Unmöglichkeiten kurzen Proceß. Die beiden Evangelisten Matthäus und Lucas, die sich speciell in den Nachweis der David'schen Abstammung eingelassen, haben dadurch später — allen christlichen Theologen zum Aergerniß eine noch größere Verwirrung in diese Angelegenheit gebracht, als schon ohnehin vorhanden war. Sie haben nämlich jeder eine besondere Geschlechtstafel Jesu aufgestellt, die aber leider, troß der hohen Würden und angeblichen göttlichen Autorität der Verfasser, mit einander im auffälligsten Widerspruche stehen; ja Matthäus, der mit seiner Geschlechtstafel schon bei Abraham anhebt, geräth sogar mit dem Alten Testamente in Widerspruch. Sehen wir aber von allen diesen Dingen ab und beginnen mit dem hohen Psalmdichter David, so können wir von den beiden Evangelisten als Chronisten unmöglich einen vortheilhaften Begriff erlangen, da von Seiten des Lucas zwischen David und Jesus 41 Geschlechter gezählt werden, während Matthäus nur deren 26 anzugeben weiß. Was hierbei aber das Schlimmste: daß Beide verschiedene Namentafeln benußen, indem Matthäus von Salomon, Lucas aber von Nathan (beides Söhne Davids) beginnt. Sonderbar genug laufen beide zu dem angeblichen Vater des Jesus, zu Joseph hinaus, dessen Vater nach Matthäus Jacob, nach Lucas aber Eli geheißen haben soll. Eines kann nur richtig sein; wahrscheinlich aber sind beide Aufzählungen falsch, und jedenfalls stimmt keine von beiden, wenn Joseph (wie es wirklich geschehen) die Vaterschaft leugnete.

Die Theologen haben das Menschenmögliche geleistet, um diesen Widerspruch zu lösen, aber ihre Künste sind zu wunderlich, als daß sie in einer wahrhaften Chronik die geringste Beachtung verdienten.

Die Ehrlichsten unter ihnen haben denn auch eingestanden, daß hier keine Harmonie zu finden sei. Wir fügen hinzu, daß jene Geschlechtsregister um so mehr als Phantasiestücke zu betrachten sind, als durch die unglückseligen Schicksale der jüdischen Nation, namentlich der babyLonischen Gefangenschaft, das Familienleben dermaßen zerrissen und die Interessen dermaßen auf andere Gegenstände gelenkt wurden, daß ein unbekannter Jude, wie es der Zimmermann Joseph gewesen, gewiß viel mehr Veranlassung fand, sich für einen Tannen- und Cedernbaum, als für seinen Stammbaum zu interessiren. Die Messias süchtigen sprachen allerdings oft und viel von dem Sohne Davids, wenn von dem Messias die Rede war, was aber sehr natürlich, da es längst eine landläufige Sage war, daß der Messias ein Nachkomme Davids sein solle und müsse, wenn sein Messianismus auf Echtheit Anspruch machen wollte.

7.

Die Geburt Jesu.

Während der ganzen Zeit, in welcher Maria ihre Frucht trug, steckte man in Nazareth, wo das Ereigniß der angeblich übernatürlichen Empfängniß unvergessen war, die Köpfe zusammen; und als sie, die unterdessen mit Joseph getraut worden, einstmals mit ihrer Freundin, der schon erwähnten Frau des Zacharias, zusammentraf und beide als Heimsuchungs-Colleginnen den mysteriösen Besuch des Jünglings im weißen Mantel besprachen, meinten die Frauen das Hüpfen der noch ungeborenen beiden Knaben, wie solches noch jeden Tag vorkommt, als eine besondere Begrüßung der beiden kleinen Vettern auslegen zu dürfen. Die Chronisten haben nicht versäumt, auf diesen Umstand einen ganz besonderen Werth zu legen, zumal ja der Sohn des Zacharias als Johannes der Täufer eine besonders interessante Rolle in Jesu Leben zu spielen vom Geschick berufen war.

Endlich kam die Stunde der Entscheidung heran, wo sich die Erwartung im ersten Grade entweder bestätigen, oder eine Täuschung herausstellen mußte. Der unglückliche Umstand der Doppel-Erzählung zweier Chronisten oder sogenannten Evangelisten bringt auch hier wieder, gleich wie bei dem Geschlechts - Register, die heilloseste Verwirrung hervor, indem jeder die begleitenden Umstände anders erzählt.

Die Sache ist aber wirklich zu komisch, als daß wir nicht einige Augenblicke bei derselben verweilen sollten. Eine alte Sage, gestüßt auf

eine noch viel ältere Prophezeiung, giebt nämlich als Geburtsort des Messias Bethlehem, einen Flecken unweit Jerusalem, an. Wie die sogenannten Propheten ihrer Zeit darauf gekommen, ist nicht bekannt; auch darf man wohl behaupten, daß man in Nazareth an jene Prophezeiung gar nicht gedacht hat, da nichts gewisser ist, als daß Maria, die Gattin des fleißigen und gutmüthigen Joseph, ihr Wochenbett ruhig in ihrem eigenen Häuschen abgehalten. Man war seelenvergnügt, daß es doch wenigstens ein Knabe war, den sie geboren; das Weitere mußte sich ja finden. Vorläufig aber war der kleine Messias ein kleiner Schreihals wie alle andern Neugeborenen, und von seiner Messiaswürde war jedenfalls zu dieser Zeit noch nichts wahrzunehmen.

Damit war indeß den Evangelisten, die so viele Jahre später nach Jesu Tode es übernahmen, sein Leben und Wirken zu illustriren, nicht gedient; jeder von ihnen legte sich die näheren Umstände nach dem Grade seiner Phantasie zurecht, um die Reclame möglichst effektreich zu machen. Zunächst mußte ihr Held und Messias das Licht der Welt in Bethlehem erblicken; darüber war man einverstanden, weil es die Propheten so gewollt hatten. Matthäus giebt sich keine Mühe, diesen Umstand zu erklären, wie und warum die Frau aus Nazareth in Bethlehem Wochenbett gehalten habe. Lucas aber ist gewissenhafter; er sucht die Sache nach seiner Weise glaubwürdig zu machen, verwickelt sich aber troß seiner göttlichen Inspiration in die heillosesten Widersprüche mit der Geschichte.

Er läßt nämlich die Juden sämmtlich zu einer Schäßung nach Jerusalem einladen, und auf dieser Reise, bei welcher die Galiläer Bethlehem zu passiren hatten, soll die Entbindung stattgefunden haben. Ich habe schon früher erwähnt, daß zur Zeit der Geburt Jesu historisch nachweisbar gar keine Schäßung stattgefunden hat; indeß bemerkt der Evangelist noch, scheinbar recht genau und sicher: zur Zeit als Augustus römischer Kaiser und Quirinus Statthalter in Syrien war. Nun ist es aber geschichtlich erwiesen, daß namentlich unter Augustus nie eine Schäßung stattgefunden hat; ja noch mehr: Judäa war zu jener Zeit noch gar nicht unter absoluter römischer Herrschaft, denn selbst nach Lucas' eigener Angabe herrschte damals noch Herodes als König über das jüdische Volk, das zwar den Römern zinsbar war, aber eine Schäßung ist niemals unter der königlichen Regierung verlangt oder ausgeführt worden. Auch gab es damals keinen Statthalter Quirinus in Syrien; dieser wurde vielmehr eingefeßt, als Jesus ein Knabe von ungefähr zehn Jahren sein mochte. Alle diese ungeschichtlichen Angaben und Widersprüche bezeugen es nur zu deutlich,

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