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Evangelien vorliegen und sich namentlich durch eine Reihe von Widersprüchen kund thun - das ganze Gemälde der Unzuverlässigkeit und leichtsinnigsten Erfindung uns erst recht ergreifend bei dem Ueberblick der vollständigen Evangeliensammlung entgegentritt und uns mahnt, zur größeren Ehre der gesunden Vernunft nicht ferner an dem fraßenhaft herausgepußten Maskencostüm, an den phantastischen Unmöglichkeiten der wundersüchtigen jüdischen und griechischen Scribenten zu haften, von denen uns Niemand zu sagen weiß, wer die Herren waren, wo und wie sie lebten und wirkten, und welche Berechtigung sie für ihren angemaßten Beruf hatten.

Ehe ich indeß diese Abtheilung schließe, will ich auf einen in Borstehendem enthaltenen Moment aufmerksam machen, der, wie es mich dünkt, einen Fingerzeig darbietet für die oft aufgeworfene Frage: warum hat der weise Rabbi uns durchaus nichts Original - Handschriftliches hinterlassen; warum mußte uns Alles über ihn und seine Lehre nur von fremden unbekannten Autoren überkommen, von denen ihn wahrscheinlich auch nicht ein einziger persönlich gekannt hat? Denn selbst die schwache Möglichkeit, daß unter dem Evangelisten Matthäus der also genannte Jünger gemeint sein könne, schwindet bei dem Gedanken, daß alle die Jünger, die wir als Jeju Begleiter kennen lernen, aus niederen Ständen hervorgingen, bei denen die Kunst der Schrift, die damals noch wenigen Bevorzugten eigen war, nicht vorausgesezt werden konnte; und selbst dieser Matthäus war bekanntlich vor seiner Berufung als Jünger ein Zolleinnehmer, welcher damals verachtete Stand auf einen Schriftkundigen nicht mit Gewißheit schließen läßt. Daß aber der Evangelist Johannes nicht, wie vielfach behauptet worden, mit dem Jünger gleiches Namens identisch ist, darüber sind alle aufgeklärten Theologen einig.

Erinnern wir uns nun, was das Evangelium des Thomas über die verunglückten Unterrichtsversuche des Jesus erzählt, so ist es bei der eigenthümlichen Geistesrichtung desselben nicht unmöglich, daß er die damals so hochgelehrte Rhetorik viel höher geachtet, als die Schriftfunst, und also demnach um es einfach auszudrücken gar nicht schreiben konnte; denn sonst würde uns bei der minutiösen Sorgfalt, mit der man uns sein Thun und Lassen schildert, doch wohl irgend einmal eine Andeutung darüber zugegangen sein. Selbst daß er etwas Geschriebenes gelesen oder vorgelesen, wird uns nirgends auch nur angedeutet. Ueberall und immer ist er nur der hochbegabte Rhetor, der sich allerdings vielfach auf die Schrift bezieht; aber bei seinem fleißigen Besuchen der Schulen von Jugend auf und einem irgend

guten Gedächtniß stehen dem keine Schwierigkeiten entgegen. Wieviel das Christenthum durch solchen Mangel an persönlicher Schriftüber. lieferung verloren hat, bedarf wohl kaum der Erinnerung; deshalb schien uns der oben erwähnte Hinweis von wesentlicher Bedeutung, ohne demselben indeß ein größeres Recht als das der Vermuthung zuzusprechen. Auch bedarf es wohl kaum der Erinnerung, daß die Schreibekunst, ob er im Besize derselben gewesen oder nicht, seinem Werthe kein Jota ab- oder hinzuthun kann.

9.

Weiteres aus den Jugendjahren Jesu.

Wir kehren noch einmal in den Tempel nach Jerusalem zurück und vernehmen hier, daß der Jüngling Jesus, nach beendeter Aufnahmefeier in die Gemeinde, einen Vortrag hielt, und zwar über den Auszug des israelitischen Volks aus Aegypten, indem er namentlich die religiösen Vorschriften zum Gegenstand seiner Abhandlung wählte, die man nach Gesez und Tradition von jenem Ereigniß abzuleiten berechtigt zu sein glaubt; so wie auch von den natürlichen Verpflichtungen, welche aus der unverkennbar göttlichen Gnade für das Volk im Allgemeinen und für jeden Israeliten insbesondere daraus hervorgingen.

Um schon jezt auf die ersten Spuren seiner freien Geistesrichtung hinzuweisen, verdient hervorgehoben zu werden, wie er im Verfolge seines Vortrags die Bemerkung einfließen ließ, daß, wie löblich es auch sei, eine würdige, festliche Erinnerungsfeier für ein so außerordentliches Ereigniß eingeführt zu haben, er doch eine unnüße Uebertreibung darin finde, indem man sich hiermit nicht habe genügen lassen, sondern besondere tägliche Gebete und sinnliche Erinnerungszeichen eingeführt wurden, um den Nachkommen jener Auswanderer fort und fort, alltäglich, ja allstündlich vor Augen zu bringen, was Gott einstmals für ihre Voreltern gethan. Dahin sind z. B. zu zählen: die Schaufäden in den Ecken der Kleider, die ledernen Denkriemen, an denen bezügliche Citate aus den Gejeßrollen eingekapselt, desgleichen man auch an den Thürpfosten angebracht u. s. w. Er meinte, schon die täglich vor Augen liegende Eristenz der jüdischen Nation in dem ihr von den Propheten verheißenen Lande sei der deutlichste Beweis der göttlichen Huld, und somit könne, abgesehen von der außerordentlichen Festfeier, ohnehin eine lebendige Erinnerung an jenes Ereigniß auch ohne jene Sazungen nimmer in

den Herzen der Israeliten erlöschen, die sinnlichen Erinnerungs-Merkmale seien somit überflüssig.

Eine derartige oppositionelle Bemerkung in dem Munde eines 13jährigen Knaben erregte natürlich ungewöhnliches Aufsehen, und es drängten sich Hörer von allen Seiten heran, um dem kühnen Jüngling ins Auge zu sehen.

Die Rabbiner aber steckten die Köpfe zusammen, und einer der älteren winkte Jesus zu sich heran, lobte zwar seine Beredtsamkeit, beklagte aber die in so jugendlichem Gemüthe aufgestiegenen Zweifel an der Zweckmäßigkeit so heiliger, von Gott selbst angeordneter Gebräuche, und strafte die Kühnheit Jesu mit der Bemerkung, daß nur Aberwiß und Vermessenheit sich anmaßen könnten, daran zu rütteln.

Jesus war über die Heftigkeit des Rabbiners sehr bestürzt und wendete begütigend dagegen ein, daß er seine Gedanken ja doch nur in die bescheidene Form von Fragen oder Meinungen eingekleidet habe, und einige Anwesende bemerkten, daß dem allerdings so sei und dies dem Gebrauche nach vollkommen gestattet wäre.

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,,Aber solche Fragen (Pilpul) müssen in den Grenzen des Anstandes bleiben", erwiderte der Rabbi. Die Formen der Gesetzauslegung darf man besprechen, aber die Grundlage unserer heiligen Gesetzbücher dürfen nicht durch öffentlich ausgesprochene Zweifel in Frage gestellt werden.“

Unter den Rabbinern machte sich eine große Aufregung bemerkbar; sie traten zu einer Gruppe zusammen und dieser nahte sich Jesus, bittend, wenn er etwa durch seine Bemerkungen gegen den Anstand gefehlt und ihren Unwillen erregt habe, man dieses seiner Unkenntniß zu Gute halten und ihm verzeihen möge.

„Nicht an uns ist es, dir zu verzeihen“, erwiderte einer der Angeredeten, „sondern dieses ist Gottes Sache. Flehe zu ihm, daß er Dich den rechten Weg führe und vor Straucheln und Fallen bewahre. Gedenke auch des Propheten Hosea, der da spricht (Cap. 14 V. 10): Gerade sind die Wege des Herrn, darauf die Gerechten wandeln, und nur Sünder straucheln darauf.“

Solche strenge Rede gefiel einem Dritten nicht, und er verwies den Rügenden dieselbe mit den Worten:,,Des Knaben Rede erweist, daß er mit Ernst über unsere heiligen Lehren und Geseze nachgedacht. Ist er im Irrthum, so ziemt es uns, ihn zu belehren, nicht aber zu schelten. Komm her, Knabe!" Jesus trat zu ihm heran, und jener fuhr fort:,,Du scheinst in der Geschichte unseres Volkes wohl bewandert zu sein, ich werde Dich an Verschiedenes erinnern." Und nun eraminirte er

ihn über mancherlei Data, leitete ihn so allmählich auf den berührten Gegenstand seines Zweifels und bewies ihm nach seiner Weise die Nothwendigkeit jener Erinnerungszeichen, worauf er mit der Frage schloß: Erkennst Du nun, wie unbegründet Deine Zweifel waren?" Ich werde mich bestreben, dem Geseze getreu zu wandeln", beendete Jesus ausweichend diese widerwärtige Unterhaltung, der sein Vater mit Furcht und Staunen zugehört hatte, und Beide entfernten sich darauf.

„Ein gescheidter Knabe, aus dem etwas werden kann!" meinte ein Rabbi, der ihm verwundert nachsah.

Wenn wir nun eben aus dem Vortrage des Knaben Jesus die ersten zarten Knospen des Zweifels sich schüchtern zu Tage drängen sehen, so liegt der Gedanke nahe, ob dieser Zweifel unmittelbar in der Seele des Knaben, aus eigenem Ringen der Vernunft nach Licht und Wahrheit entstanden sei, oder ob das Samenkorn, das hier seine ersten Keime trieb, von außen herbeigeführt worden? Und da ist denn, um zu einem rechten Verständniß des großen tragischen Ereignisses, dessen Folgen in alle Ewigkeit hinaus ragen, zu gelangen, mancherlei zu erwägen nothwendig. Zunächst lenken wir den Blick auf die vielen traurigen Begebenheiten, die das jüdische Volk troß ihrer angeblichen Auserwähltheit zu erdulden hatte. So ist es nicht zu verwundern, daß man in Priesterkreisen die Ursache dem Zorne Gottes über die viel fältige Mißachtung seiner den Juden durch Moses gegebenen Geseße beimaß. In diesem Sinne wurde das Volk fort und fort von dem orthodoxen Priesterthum bearbeitet und damit die todte, ceremonielle Wertheiligkeit zu einer solchen Wichtigkeit erhoben und der Tugend und Frömmigkeit gleich, ja vielfach noch über dieselbe gestellt, daß einem irgend gesunden Geiste wohl ein Ekel vor dergleichen Albernheiten überkommen konnte, namentlich wenn wir in Parallele hiermit den Umstand hervorheben, daß sich die Allgewalt der griechischen Philosophie schon längst nicht hatte abhalten lassen, die starren Abgrenzungen der jüdischen Orthodoxie zu durchdringen. Und wenn wir den talmudischen Notizen Glauben schenken dürfen, so waren nicht nur die aristokratischen Saducäer von den Lehren des Epicur angesteckt, sondern selbst die Pharisäer hatten einzeln aus dem Gedankenschage des Pythagoras genascht, ohne sich indeß gerade zu dessen Lehren zu bekennen, während die Essäer mehr das Gepräge der ernsten Stoiker an sich trugen. Da nun der Charakter der Juden sich ohnehin von Natur aus der Speculation, dem Uebersinnlichen zuneigt, so kann es nicht Wunder nehmen, wenn das meist rein auf materielle Albernheiten hinauslaufende Ceremonialgesetz von bevorzugten Köpfen mehr und mehr einer Kritik der gesunden Ver

nunft unterzogen wurde. So entstanden sogenannte Gelehrtenschulen, in denen die verschiedensten Ansichten vertreten waren und deren öffentliche Disputationen das allgemeinste Interesse erregten. Wie schon erwähnt, traten auch einzelne Gelehrte vor Jesu Zeiten im reformatorischen Sinne auf, und es glänzte unter ihnen vorzüglich der Rabbi Hillel, welcher eine eigene Schule bildete und eben so sehr durch Sanftmuth und Friedfertigkeit, als durch tiefe Gelehrsamkeit berühmt war. Es ist aber mit ziemlicher Sicherheit nachzuweisen, daß Jesus von seinem dreizehnten bis zu seinem neunzehnten Jahre die Schule dieses Weisen benußte und einer seiner fleißigsten und aufmerksamsten Schüler war. Dergleichen Schulen gab es, wie gesagt, mehrere, und ihre Sigungen fanden meist in einem der Nebensäle des Tempels statt.

Die Einrichtung dieser Schulen war folgende: Das Oberhaupt derselben, der Rabbi, saß auf dem Lehrsessel, zu beiden Seiten neben ihm die Unterlehrer, Chaborim genannt, ebenfalls auf Sesseln. Vor ihnen auf der flachen Erde, auf Teppichen, lagerten sich die Schüler oder Jünger. Gegenstand der Unterhaltung war irgend ein Lehrsaß der heiligen Schrift, oder auch ein vorher bedachtes und ausgearbeitetes, eigens gewähltes Thema, das dann nach allen Seiten Erläuterung fand. Der Gelehrten Sache war es, dagegen Einwendungen aus Vernunftgründen oder vermittelst Parallelstellen der Schrift zu machen. Die Schüler hatten nur zu fragen. Schriftliches wurde über diesen Unterricht nicht abgefaßt; es waren eben Verstandesübungen, denen keine weitere Folge gegeben wurde, sondern die nur als Uebung im Denken dienten.

In einer solchen Schule saß nun Jesus auf seinem Teppich im Kreise anderer Jünglinge manche Stunde und manchen Tag, von denen die Evangelien nichts wissen, denn sein Geist konnte sich eben so wenig, wie der irgend eines andern Sterblichen, dem Naturgeseze der allmählichen Entwickelung, des Erblühens und Reifens, des Irrthums und der Belehrung von Andern entziehen.

Um den Leser auf den wichtigen Standpunkt des Vertrauens zu den jest folgenden besonderen Eigenthümlichkeiten zu stellen, möge hier im Voraus bemerkt werden, daß die, für den bisher nicht besprochenen Theil des Lebens Jesu benutten Quellen theils in den nicht zu verachtenden Apokryphen, theils in talmudischen Büchern und Schriften zu suchen sind und mit Dank entgegengenommen werden müssen, da es doch bisher wirklich eine nur zu betrübende Unvollständigkeit in der Lebensgeschichte eines so großen Mannes zu nennen war, daß man aus der rechten Entwickelungszeit des Jünglings, vom 13. bis zum 31. Jahre, also fast achtzehn Jahre lang, nichts erfuhr, so daß man ihn gleichsam

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