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gleichender Hoffnungen zu fordern scheint, um nur erträglich zu werden. Aber er schweigt von solcher Ausgleichung; er hat keine zu bieten. Wenn nach einer anderen Stelle des Gedichtes von allen Gütern besserer Vergangenheit allein die Hoffnung bei den Menschen zurückgeblieben ist, so erhellt die Hoffnung jedenfalls nicht mehr mit ihrem Strahle das Jenseits. Der Dichter, der doch, von der gemeinen Wirklichkeit des Lebens enger bedrängt, solche Hoffnungen keineswegs so getrost entbehren kann wie der in den Zauberkreis der Dichtung eingeschlossene Sänger der Heldenlieder, sieht Tröstliches nur in dem, was Dichtung oder Cultussage ihm von längst vergangener Zeit berichten. Dass das Wunder der lebendigen Entrückung sich nach der heroischen Zeit, in der nüchternen Gegenwart, wiederholen könne, liegt ihm fern zu glauben; und die Zeit, in der nach einem, jetzt (wie es scheint) ausser Geltung gekommenen Naturgesetz die Seelen der Verstorbenen zu Dämonen auf und unter der Erde erhöhet wurden, liegt weit ab in der Vergangenheit. Ein anderes Gesetz gilt jetzt; wohl verehrt noch die Gegenwart die ewigen Geister des goldenen und silbernen Geschlechts, aber sie selber vermehrt die Schaar dieser verklärten und erhöheten Seelen nicht.

5.

So giebt die hesiodische Erzählung von den fünf Weltaltern uns die bedeutendsten Aufschlüsse über die Entwicklung griechischen Seelenglaubens. Was sie uns von den Geistern. aus dem goldenen und silbernen Geschlecht berichtet, bezeugt, dass aus grauer Vorzeit ein Ahnencult bis in die Gegenwart. des Dichters sich erhalten hatte, der auf dem einst lebendigen Glauben an eine Erhöhung abgeschiedener Seelen, in ihrem Sonderdasein, zu mächtigen, bewusst wirkenden Geistern begründet war. Aber die Schaaren dieser Geister gewinnen keinen Zuwachs mehr aus der Gegenwart. Seit Langem verfallen die Seelen der Todten dem Hades und seinem nichtigen

Schattenreiche. Der Seelen cult stockt, er bezieht sich nur noch auf die vor langer Zeit Verstorbenen, er vermehrt die Gegenstände seiner Verehrung nicht. Das macht, der Glaube hat sich verändert: es herrscht die in den homerischen Gedichten ausgeprägte, durch sie bestätigte und gleichsam sanctionirte Vorstellung, dass der einmal vom Leibe getrennten Psyche Kraft und Bewusstsein entschwinde, ein fernes Höhlenreich die machtlosen Schatten aufnehme, denen keine Wirksamkeit, kein Hinüberwirken in das Reich der Lebenden möglich ist, und darum auch kein Cultus gewidmet werden kann. Nur am äussersten Horizont schimmern die Inseln der Seligen, aber der Kreis der dorthin, nach dichterisch phantastischer Vision, lebendig Entrückten ist abgeschlossen, wie der Kreis der Heldendichtung abgeschlossen ist. Die Gegenwart sieht solche Wunder nicht mehr.

Es ist nichts, was dem aus den homerischen Gedichten von uns Erschlossenen widerspräche in dieser, aus der hesiodischen Darstellung deutlicher abzunehmenden Entwicklungsreihe. Nur dieses Eine ist neu und vor Allem bedeutsam: dass eine Erinnerung davon, wie einst doch die Seelen verstorbener Geschlechter der Menschen höheres, ewiges Leben erlangt haben, sich erhalten hat. Im Praesens redet Hesiod von ihrem Dasein und Wirken, und von der Ehre, die ihnen folge: glaubt man sie unsterblich, so wird man sie natürlich auch fortwährend weiter verehren. Und umgekehrt: dauerte die Verehrung nicht noch in der Gegenwart fort, so würde man sie nicht für unvergänglich und ewig wirksam halten.

Wir sind im alten, im festländischen Griechenland, im. Lande der böotischen Bauern und Ackerbürger, in abgeschlossenen Lebenskreisen, die von der Seefahrt, die in die Fremde lockt und Fremdes heranbringt, wenig wissen und wissen wollen. Hier im Binnenlande hatten sich Reste von Brauch und Glauben erhalten, die in den Seestädten der neuen Griechenländer an Asiens Küsten vergessen waren. Soweit hat doch

die neue Aufklärung auch hier eingewirkt, dass die Gebilde des alten Glaubens, in die Vergangenheit zurückgeschoben, nur noch wie eine halb verklungene Sage, mit Phantasieen über die Uranfänge der Menschheit verflochten, im Gedächtniss weiter leben. Aber der Seelencult ist doch noch nicht ganz todt; die Möglichkeit besteht, dass er sich erneuere und sich fortsetze, wenn einmal der Zauber homerischer Weltvorstellung gebrochen sein sollte.

Höhlengötter. Bergentrückung.

Die Geschichte der griechischen Cultur und Religion kennt keinen Sprung, keinen Bruch in ihrem Fortgange. Weder hat das Griechenthum jemals aus sich selbst eine Bewegung erregt, die es zu gewaltsamer Umkehr auf dem eingeschlagenen Wege zwang, noch ist es zu irgend einer Zeit durch ein mit Uebermacht hereinbrechendes Fremdes aus der natürlichen Bahn seiner Entwicklung geworfen worden. Wohl hat dies gedankenreichste der Völker aus eigenem Sinn und Sinnen die wichtigsten der Gedanken hervorgebracht, von denen die Jahrhunderte zehren; sie haben der ganzen Menschheit vorgedacht; die tiefsten und kühnsten, die frömmsten und die frechsten Gedanken über Götter, Welt und Menschenwesen haben ihren Ursprung in Griechenland. Aber in dieser überschwänglichen Mannichfaltigkeit hielten die sich gegenseitig einschränkenden oder aufhebenden Einzelerscheinungen einander im Gleichgewicht; die gewaltsamen Stösse und plötzlichen Umschwünge im Culturleben gehen von den Völkern aus, die nur Einen Gedanken festhalten und in der Beschränktheit des Fanatismus alles Andere über den Haufen rennen.

Wohl stand das Griechenthum der Einwirkung fremder Cultur und selbst Uncultur weit offen. Ununterbrochen drangen namentlich von Osten her in sanfter Einströmung und Ueberströmung breite Wellen fremden Wesens über Griechenland;

an Einer Stelle wenigstens brach auch (in dem Aufregungscult der thrakischen Dionysosdiener) in dunkler Vorzeit eine heftige Springfluth durch alle Deiche. Viele fremde Elemente mögen leicht wieder ausgeschieden worden sein aus griechischem Wesen; manches gewann eine dauernde Stelle und tiefe Wirkung in griechischer Cultur. Aber nirgends hat das Fremde in Griechenland eine Uebermacht gewonnen, vergleichbar etwa der umstürzenden und neubildenden Gewalt, die der Buddhismus, das Christenthum, der Islam unter den Völkern ausgeübt haben, die sie vordringend ergriffen. Inmitten aller fremden Einwirkungen behauptete das griechische Wesen, gleich zäh wie geschmeidig, in aller Gelassenheit seine eigene Natur, seine geniale Naivetät. Fremdes und in eigener Bewegung erzeugtes Neues wird aufgenommen und angepasst, aber das Alte tritt darum nicht ab; langsam verschmilzt es mit dem Neuen, viel wird neu gelernt, nichts ganz vergessen. In gelindem Weiterströmen bleibt es immer derselbe Fluss. Nec manet ut fuerat nec formas servat easdem: sed tamen ipse idem est

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So kennt denn die griechische Culturgeschichte keine schroff abgesetzten Zeiträume, keine scharf niederfahrenden Epochenjahre, mit denen ein Altes völlig abgethan wäre, ein ganz Neues begönne. Zwar die tiefsten Umwälzungen griechischer Geschichte, Cultur und Religion liegen ohne Frage vor der Zeit des homerischen Epos, und in dieser Urzeit mögen heftigere und stossweis eintretende Erschütterungen das griechische Volk zu dem gemacht haben, als was wir es kennen. Uns beginnt das Griechenthum wirklich kenntlich zu werden, erst mit Homer. Die einheitliche Geschlossenheit, die das in den homerischen Gedichten abgespiegelte Griechenthum erlangt zu haben scheint, löst sich freilich in der fortschreitenden Bewegung der folgenden Zeiten auf. Neue Triebe drängen empor, unter der sich zersetzenden Decke der epischen, breit alles überziehenden Vorstellungsart tritt manches Alte wieder an's Licht heraus; aus Aeltestem und Neuem bilden sich Erscheinungen, von denen das Epos noch nichts ahnen liess. Aber es findet nirgends

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