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der Wahn seine festesten Wurzeln zu haben pflegt, erreicht werden konnte. Die Frage nach den Entstehungsgründen so freier Ansichten wird man nur sehr vorsichtig berühren dürfen; eine ausreichende Antwort ist ja nicht zu erwarten. Vor Allem man sich vorhalten, dass uns in diesen Dichtungen zunächst und unmittelbar doch eben nur der Dichter und seine Genossen entgegentreten. „Volksdichtung" ist das homerische Epos nur darum zu nennen, weil es so geartet ist, dass das Volk, das gesammte Volk griechischer Zunge es willig aufnahm und in sein Eigenthum verwandeln konnte, nicht, weil in irgend einer mystischen Weise das „Volk" bei seiner Hervorbringung betheiligt gewesen wäre. Viele Hände sind an den beiden Gedichten thätig gewesen, alle aber in der Richtung und dem Sinne, die ihnen angab nicht das „Volk" oder „die Sage", wie man wohl versichern hört, sondern die Gewalt des grössten Dichtergenius der Griechen und wohl der Menschheit, und die Ueberlieferung des festen Verbandes von Meistern und Schülern, der sein Werk bewahrte, verbreitete, fortführte und nachahmte. Wenn nun, bei manchen Abirrungen im Einzelnen, im Ganzen doch Ein Bild von Göttern, Mensch und Welt, Leben und Tod aus beiden Dichtungen uns entgegenscheint, so ist dies das Bild, wie es sich im Geiste Homers gestaltet, in seinem Gedichte ausgeprägt hatte und von den Homeriden festgehalten wurde. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass die Freiheit, fast Freigeistigkeit, mit der in diesen Dichtungen alle Dinge und Verhältnisse der Welt aufgefasst werden, nicht Eigenthum eines ganzen Volkes oder Volksstammes gewesen sein kann. Aber nicht nur der beseelende Geist, auch die äussere Gestaltung der idealen Welt, die das Menschenwesen umschliesst und über ihm waltet, ist, wie sie in den Gedichten sich darstellt, das Werk des Dichters. Keine Priesterlehre hatte ihm seine Theologie" vorgebildet, der Volksglaube, sich selbst überlassen, muss damals, nach Landschaften, Kantonen, Städten, in widerspruchsvolle Einzelvorstellungen sich noch mehr zersplittert haben als später, wo einzelne allgemein hellenische

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Institute Vereinigungspuncte abgaben. Nur des Dichters Werk kann die Ausbildung und consequente Durchführung des Bildes eines geordneten Götterstaates sein, aus einer beschränkten Anzahl scharf charakterisirter Götter gebildet, in fester Gruppirung aufgebaut, um Einen überirdischen Wohnplatz versammelt. Es ist, wenn man nur dem Homer vertrauen wollte, als ob die zahllosen Localculte Griechenlands, mit ihren an einen engen Wohnplatz gebundenen Göttern, kaum existirt hätten: Homer ignorirt sie fast völlig. Seine Götter sind panhellenische, olympische. So hat er die eigentlich dichterische That, die Vereinfachung und Ausgleichung des Verworrenen und Ueberreichen, auf der aller Idealismus der griechischen Kunst beruht, am Bilde der Götterwelt am Grossartigsten durchgeführt. Und in seinem Spiegel scheint Griechenland einig und einheitlich im Götterglauben, wie im Dialekt, in Verfassungszuständen, in Sitte und Sittlichkeit. In Wirklichkeit kann das darf man kühn behaupten - diese Einheit nicht vorhanden gewesen sein; die Grundzüge des panhellenischen Wesens. waren zweifellos vorhanden, aber gesammelt und verschmolzen zu einem nur vorgestellten Ganzen hat sie einzig der Genius. des Dichters. Das Landschaftliche als solches kümmert ihn nicht. Wenn er nun auf dem Gebiet, das unsere Betrachtung in's Auge fasst, nur Ein Reich der Unterwelt von Einem Götterpaar beherrscht, als Sammelplatz aller Seelen, kennt und dieses Reich von den Menschen und ihren Städten so weit abrückt wie nach der anderen Seite die olympischen Wohnungen der Seligen -wer will bestimmen, wie weit er darin naivem. Volksglauben folgt? Dort der Olymp als Versammlungsort aller im Lichte waltenden Götter1, hier das Reich des

1 Selbst die sonst an ihren irdischen Wohnplatz gebundenen Dämonen, die Flussgötter und Nymphen, werden doch zur àropά aller Götter in den Olymp mitberufen: Il. 20, 4 ff. Diese an dem Local ihrer Verehrung haften gebliebenen Gottheiten sind, eben weil sie nicht mit zu der Idealhöhe des Olympos erhoben sind, schwächer als die dort oben wohnenden Götter. Kalypso spricht das resignirt aus, Od. 5, 169 f.: κε θεοί γ' ἐθέλωσι, τοὶ οὐρανὸν εὐρὺν ἔχουσιν, οἱ μου φέρτεροί εἰσι νοηταί τε

Hades, das alle unsichtbaren Geister, die aus dem Leben geschieden sind, umfasst: die Parallele ist zu sichtlich, als dass nicht eine gleiche ordnende und constituirende Thätigkeit hier wie dort angenommen werden sollte.

2.

Man würde gleichwohl die Stellung der homerischen Dichtung zum Volksglauben völlig missverstehen, wenn man sie sich als einen Gegensatz dächte, wenn man auch nur annähme, dass sie der Stellung des Pindar oder der athenischen Tragiker zu den Volksmeinungen ihrer Zeit gleiche. Jene späteren Dichter lassen bewussten Gegensatz ihres geläuterten Denkens zu verbreiteten Vorstellungen oft genug deutlich merken; Homer dagegen zeigt von Polemik so wenig eine Spur wie von Dogmatik. Wie er seine Vorstellungen von Gott, Welt und Schieksal nicht wie sein besonders Eigenthum giebt, so wird man auch glauben dürfen, dass in ihnen sein Publicum die eigenen Ansichten wiedererkannte. Nicht Alles, was das Volk glaubte, hat der Dichter sich angeeignet, aber was er vorbringt, muss auch zum Volksglauben gehört haben: die Auswahl, die Zusammenfügung zum übereinstimmenden Ganzen wird des Dichters Werk sein. Wäre nicht der homerische Glaube so geartet, dass er, in seinen wesentlichen Zügen, Volksglaube seiner Zeit war oder sein konnte, so wäre auch, trotz aller Schulüberlieferung, die Uebereinstimmung der vielen, an den zwei Gedichten thätigen Dichter fast unerklärlich. In diesem eingeschränkten Sinne kann man sagen, dass Homers Gedichte uns den Volksglauben wiedererkennen lassen, wie er zu der Zeit der Gedichte sich gestaltet hatte nicht überall im vielgestaltigen Griechenland, aber doch gewiss in den ionischen

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κρηναί τε. Sie sind zu Gottheiten zweiten Ranges geworden; als unabhängig für sich, frei neben dem Reiche des Zeus und der anderen Olympier, zu dem sie nur einen Anhang bilden, stehend, sind sie nirgends gedacht.

Städten der kleinasiatischen Küste und Inselwelt, in denen Dichter und Dichtung zu Hause sind. Mit ähnlicher Einschränkung darf man in den Bildern der äusseren Culturverhältnisse, wie sie Ilias und Odyssee zeigen, ein Abbild des damaligen griechischen, speciell des ionischen Lebens erkennen. Dieses Leben muss sich in vielen Beziehungen von der „myke- v näischen Cultur" unterschieden haben. Man kann nicht im Zweifel darüber sein, dass die Gründe für diesen Unterschied zu suchen sind in den langanhaltenden Bewegungen der Jahrhunderte, die Homer von jener mykenäischen Periode trennen, insbesondere der griechischen Völkerwanderung, in dem was sie zerstörte und was sie neu schuf. Der gewaltsame Einbruch nordgriechischer Stämme in Mittelgriechenland und den Peloponnes, die Zerstörung der alten Reiche und ihrer Culturbedingungen, die Neubegründung dorischer Staaten auf Grund des Eroberungsrechtes, die grosse Auswanderung nach den asiatischen Küsten und Begründung eines neuen Lebens auf fremdem Boden - diese Umwälzung aller Lebensverhältnisse musste den gesammten Bildungszustand in heftiges Schwanken bringen. Sehen wir nun, dass der Seelencult und ohne Zweifel auch die diesen Cult bestimmenden Vorstellungen vom Schicksal der abgeschiedenen Seelen in den ionischen Ländern, deren Glauben die homerischen Gedichte wiederspiegeln, nicht mehr dieselben geblieben sind, wie einst in der Blüthezeit der „mykenäischen Cultur", so darf man wohl fragen, ob nicht auch zu dieser Veränderung, wie zu den anderen, die Kämpfe und Wanderungen der Zwischenzeit einigen Anlass gegeben haben. Der freie, über die Grenzen des Götterkreises und Göttercultes der Stadt, ja des Stammes weit hinaus dringende Blick des Homer wäre doch schwerlich denkbar ohne die freiere Bewegung ausserhalb der alten Landesgrenzen, die Berührung mit Genossen anderer Stämme, die Erweiterung der Kenntniss fremder Zustände auf allen Gebieten, wie sie die Völkerverschiebungen und Wanderungen mit sich gebracht haben müssen. Haben auch die Jonier Kleinasiens nachweislich man

chen Götterdienst ihrer alten Heimath in das neue Land verpflanzt, so muss doch diese Auswanderung (die ja überhaupt die Bande zwischen dem alten und dem neuen Lande keineswegs so eng bestehen liess, wie Colonieführungen späterer Zeit) viele locale Culte zugleich mit der Preisgebung des Locals, an das sie gebunden waren, abgerissen haben. Ein Localcult, an die Grabstätten der Vorfahren gebunden, war aber vor Allem der Ahnencult. Verpflanzen liess sich wohl das Andenken der Ahnen, aber nicht der religiöse Dienst, der nur an dem Orte ihnen gewidmet werden konnte, der ihre Leiber barg, und den man zurückgelassen hatte im Feindesland. Die Thaten der Vorfahren lebten im Gesange weiter, aber sie selbst verfielen nun eben der Poesie; die Phantasie schmückte ihr irdisches Leben, aber der Verehrung ihrer abgeschiedenen Seelen entwöhnte sich eine Welt, die durch keine regelmässig wiederholten Begehungen mehr an deren Macht erinnert wurde. Und wenn so die gesteigerte Art des Seelencultes, die Ahnenverehrung, abstarb, so wird für die Erhaltung und kräftigere Ausbildung des allgemeinen Seelencultes, des Cultes der Seelen der drüben im neuen Lande gestorbenen und begrabenen Geschlechter, das stärkste Hinderniss in der Gewöhnung an die Verbrennung der Leichen gelegen haben. Wenn wahrscheinlich der Grund der Einführung dieser Art der Bestattung, wie oben ausgeführt ist, in dem Wunsche lag, die Seelen völlig und schnell aus dem Bereiche der Lebenden abzudrängen, so ist ganz zweifellos die Folge dieser Sitte diese gewesen, dass der Glaube an die Nähe der abgeschiedenen Seelen, an die Verpflichtung zu deren religiöser Verehrung keinen Halt mehr fand und abwelkte.

3.

So lässt sich wenigstens ahnend verstehen, wie durch die eigenen Erlebnisse, durch die veränderte Sitte der Bestattung das ionische Volk des homerischen Zeitalters zu derjenigen

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