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können1, es zeige sich auf irgend einer Stufe der Entwicklung homerischer Dichtung der Glaube, dass mit dem Augenblick des Todes Alles zu Ende sei, nichts den Tod überdaure. Keine Aussage in den beiden homerischen Gedichten (etwa in deren ältesten Theilen, wie man meint), auch nicht einberedtes Stillschweigen berechtigt uns, dem Dichter und seinem Zeitalter eine solche Vorstellung zuzuschreiben. Immer wieder wird ja, wo von eingetretenem Tode berichtet worden ist, erzählt, wie der, noch immer mit seinem Namen bezeichnete Todte, oder wie dessen Psyche" enteile in das Haus des Aïdes, in das Reich des Aïdes und der grausen Persephoneia, in die unterirdische Finsterniss, den Erebos, eingehe, oder, unbestimmter, in die Erde versinke. Ein Nichts ist es jedenfalls nicht, was in die finstre Tiefe eingehen kann, über ein Nichts kann, sollte man denken, das Götterpaar drunten nicht herrschen.

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Aber wie hat man sich diese "Psyche" zu denken, die, bei Leibesleben unbemerkt geblieben, nun erst, wenn sie „gelöst" ist, kenntlich geworden, zu unzähligen ihresgleichen versammelt im dumpfigen Reiche des „Unsichtbaren" (Aïdes) schwebt? Ihr Name bezeichnet sie, wie in den Sprachen vieler andrer Völker die Benennungen der „Seele", als ein Luftartiges, Hauchartiges, im Athem des Lebenden sich Kundgebendes. Sie entweicht aus dem Munde, auch wohl aus der klaffenden Wunde des Sterbenden und nun wird sie, frei geworden, auch wohl genannt „Abbild“ (eïòwλov). Am Rande des Hades sieht Odysseus schweben „die Abbilder derer, die sich (im Leben) gemüht haben“. Diese Abbilder, körperlos, dem Griffe des Lebenden sich entziehend, wie ein Rauch (Il. 23, 100), wie ein Schatten (Od. 11, 207. 10, 495), müssen wohl die Umrisse des einst Lebenden kenntlich wiedergeben: ohne Weiteres erkennt Odysseus in solchen Schattenbildern seine Mutter Antikleia, den jüngst verstorbenen Elpenor, die vorangegangenen Gefährten aus dem troischen Kriege wieder. Die

1 E. Kammer, Die Einheit der Odyssee, S. 510 ff.

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Psyche des Patroklos, dem Achilleus nächtlich erscheinend, gleicht dem Verstorbenen völlig an Grösse und Gestalt und am Blicke der Augen. Die Art dieses schattenhaften Ebenbildes des Menschen, das im Tode sich von diesem ablöst und schwebend enteilt, wird man am ersten verstehen, wenn man sich klar macht, welche Eigenschaften ihm nicht zukommen. Die Psyche nach homerischer Vorstellung ist nichts, was dem irgendwie ähnlich wäre, was wir, im Gegensatz zum Körper, Geist" zu nennen pflegen. Alle Functionen des menschlichen Geistes" im weitesten Sinne, für die es dem Dichter an mannichfachen Benennungen nicht fehlt, sind in Thätigkeit, ja sind möglich, nur so lange der Mensch im Leben steht. Tritt der Tod ein, so ist der volle Mensch nicht länger beisammen: der Leib, d. i. der Leichnam, nun unempfindliche Erde" geworden, zerfällt, die Psyche bleibt unversehrt. Aber sie ist nun nicht etwa Bergerin des „Geistes" und seiner Kräfte, nicht mehr als der Leichnam. Sie heisst besinnungslos, vom Geist und seinen Organen verlassen; alle Kräfte des Wollens, Empfindens, Denkens sind verschwunden mit der Auflösung des Menschen in seine Bestandtheile. Man kann so wenig der Psyche die Eigenschaften des Geistes" zuschreiben, dass man viel eher von einem Gegensatz zwischen Geist und Psyche des Menschen reden könnte. Der Mensch ist lebendig, seiner selbst bewusst, geistig thätig nur so lange die Psyche in ihm verweilt, aber nicht sie ist es, die durch Mittheilung ihrer eigenen Kräfte dem Menschen Leben, Bewusstsein, Willen, Erkenntnissvermögen verleiht, sondern während der Vereinigung des lebendigen Leibes mit seiner Psyche liegen alle Kräfte des Lebens und der Thätigkeit im Bereiche des Leibes, dessen Functionen sie sind. Nicht ohne Anwesenheit der Psyche kann der Leib wahrnehmen, empfinden und wollen, aber er übt diese und alle seine Thätigkeiten nicht aus durch die oder vermittelst der Psyche. Nirgends schreibt Homer der Psyche solche Thätigkeit im lebendigen Menschen zu; sie wird überhaupt erst genannt, wenn ihre Scheidung vom lebendigen Menschen bevor

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steht oder geschehen ist: als sein Schattenbild überdauert sie ihn und alle seine Lebenskräfte.

Fragt man nun (wie es bei unseren homerischen Psychologen üblich ist), welches, bei dieser räthselhaften Vereinigung eines lebendigen Leibes und seines Abbildes, der Psyche, der „eigentliche Mensch" sei, so giebt Homer freilich widerspruchsvolle Antworten. Nicht selten (und gleich in den ersten Versen der Ilias) wird die sichtbare Leiblichkeit des Menschen als „Er selbst der Psyche (welche darnach jedenfalls kein Organ, kein Theil dieser Leiblichkeit sein kann) entgegengesetzt1. Andrerseits wird auch wohl das im Tode zum Reiche des Hades Forteilende mit dem Eigennamen des Lebenden, als „er selbst", bezeichnet, dem Schattenbild der Psyche also denn dieses allein geht doch in den Hades ein Name und Werth der vollen Persönlichkeit, des „Selbst" des Menschen zugestanden. Wenn man aber aus solchen Bezeichnungen geschlossen hat, entweder dass der Leib", oder dass vielmehr die Psyche der „eigentliche Mensch" sei3, so hat man in jedem Falle die eine Hälfte der Aussagen unbeachtet oder unerklärt gelassen. Unbefangen angehört, lehren jene, einander scheinbar widersprechenden Ausdrucksweisen, dass sowohl der sichtbare Mensch (der Leib und die in ihm wirksamen Lebenskräfte) als die diesem innewohnende Psyche als das „Selbst" des Menschen bezeichnet werden können. Der Mensch ist nach homerischer

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1 Beispielsweise I. 1, 3: πολλὰς δ' ἐφθίμους ψυχάς (κεφαλάς, nach Il. 11, 55, vorschnell Apollonius Rhod.) "Aïd пpolayev ýрówν abтobs dè πελώρια τεύχε κύνεσσι. I. 23, 165: παννυχίη γάρ μοι Πατροκληος δειλοίο ψυχὴ ἐφεστήκει, ἔἴκτο δὲ θέσκελον αὐτῷ (vgl. 62).

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* Beispielsweise Il. 11, 262: ἔνθ' Αντήνορος υίες όπ' Ατρείδη βασιλής πότμον αναπλήσαντες ἔουν δόμον Αϊδος εἴσω. Die ψυχή des Elpenor, dann des Tiresias, seiner Mutter, des Agamemnon u. s. w. redet in der Nekyia Odysseus ohne Weiteres an als: Ελπήνορ, Τειρεσίη, μητερ ἐμή u. s. W. Weiter vgl. Wendungen, wie Il. 11, 244: siç ☎ xev aòtòç èɣù *Αϊδι κεύθωμα:, Π. 15, 251 καὶ δὴ ἔγωγ ̓ ἐφάμην νέκυας καὶ δῶμα Αίδαο ἤματι τῷδ ̓ ἕξεσθαι auch Il. 14, 456 f. u. s. w.

3 Die erste Meinung ist diejenige Nägelsbachs, die andere vertritt Grotemeyer.

Auffassung zweimal da, in seiner wahrnehmbaren Erscheinung und in seinem unsichtbaren Abbild, welches frei wird erst im Tode. Dies und nichts anderes ist seine Psyche.

Eine solche Vorstellung, nach der in dem lebendigen, voll beseelten Menschen, wie ein fremder Gast, ein schwächerer Doppelgänger, sein anderes Ich, als seine „Psyche" wohnt, will uns freilich sehr fremdartig erscheinen. Aber genau dieses ist der Glaube der sogenannten „Naturvölker“ der ganzen Erde1, wie ihn mit eindringlicher Schärfe namentlich Herbert Spencer ergründet hat. Es hat nichts Auffallendes, auch die Griechen eine Vorstellungsart theilen zu sehen, die dem Sinne uranfänglicher Menschheit so nahe liegt. Die Beobachtungen, die auf dem Wege einer phantastischen Logik zu der Annahme des Doppellebens im Menschen führten, können der Vorzeit, die den Griechen Homers ihren Glauben überlieferte, nicht ferner gelegen haben als anderen Völkern. Nicht aus den Erscheinungen des Empfindens, Wollens, Wahrnehmens und Denkens im wachen und bewussten Menschen, sondern aus den Erfahrungen eines scheinbaren Doppellebens im Traum, in der Ohnmacht und Ekstase ist der Schluss auf das Dasein eines zwiefachen Lebendigen im Menschen, auf die Existenz eines selbständig ablösbaren „Zweiten Ich" in dem Innern des täglich sichtbaren Ich gewonnen worden. Man höre nur die Worte eines griechischen Zeugen, der, in viel späterer Zeit, klarer als Homer irgendwo, das Wesen der Psyche ausspricht und zugleich die Herkunft des Glaubens an solches Wesen erkennen lässt. Pindar (fr. 131) lehrt: der Leib folgt dem Tode, dem allgewaltigen. Lebendig aber bleibt das Abbild des Lebenden (denn dieses allein stammt von den Göttern": das ist freilich nicht homerischer Glaube), es schläft aber (dieses Eidolon), wenn die Glieder thätig sind, aber dem Schlafenden oft im

1 Auch der civilisirten Völker alter Zeit. Nichts anderes als ein solches, das sichtbare Ich des Menschen wiederholendes who und zweites Ich ist, in seiner ursprünglichen Bedeutung, der genius der Römer, die Fravaschi der Perser, das Ka der Aegypter.

Traume zeigt es Zukünftiges. Deutlicher kann nicht gesagt werden, dass an der Thätigkeit des wachen und vollbewussten Menschen sein Seelenabbild keinen Theil hat. Dessen Reich ist die Traumwelt; wenn das andre Ich, seiner selbst unbewusst, im Schlafe liegt, wacht und wirkt der Doppelgänger. In der That, während der Leib des Schlafenden unbeweglich verharrt, sieht und erlebt Er selbst, im Traume, Vieles und Seltsames Er selbst (daran kann er nicht zweifeln) und doch nicht sein, ihm und Anderen wohlbekanntes sichtbares Ich, denn dieses lag ja wie todt, allen Eindrücken unzugänglich. Es lebt also in ihm ein zweites Ich, das im Traume thätig ist. Dass die Traumerlebnisse thatsächliche Vorgänge sind, nicht leere Einbildungen, steht auch für Homer noch fest. Nie heisst es bei ihm, wie doch oft bei späteren Dichtern, dass der Träumende dies und jenes zu sehen meinte": was er im Traume wahrnimmt, sind wirkliche Gestalten, der Götter selbst oder eines Traumdämons, das sie absenden, oder eines flüchtigen „Abbildes" (Eidolon), das sie für den Augenblick entstehen lassen; wie das Sehen des Träumenden ein realer Vorgang ist, so das, was er sieht, ein realer Gegenstand. So ist es auch ein Wirkliches, was dem Träumenden erscheint als Gestalt eines jüngst Verstorbenen. Kann diese Gestalt dem Träumenden sich zeigen, so muss sie eben auch noch vorhanden sein: sie überdauert also den Tod, aber freilich nur als ein luftartiges Abbild, so wie wir wohl unser eignes Bild im Wasserspiegel1 gesehen haben. Denn greifen und halten, wie einst das sichtbare Ich, lässt sich dieses Luftwesen nicht, darum eben heisst es „Psyche“. Den uralten Schluss auf das Dasein solches Doppelgängers. im Menschen wiederholt, als der todte Freund ihm im Traume. erschienen und wieder entschwunden ist, Achilleus (Il. 23, 103 f.):

1 ὑποτίθεται (scil. Homer) τὰς ψυχὰς τοῖς εἰδώλοις τοῖς ἐν τοῖς κατ όπτροις φαινομένοις ὁμοίας καὶ τοῖς διὰ τῶν ὑδάτων συνισταμένοις, ἃ καθάπαξ ἡμῖν ἐξείκασται καὶ τὰς κινήσεις μιμεῖται, στερεμνώδη δὲ ὑπόστασιν οὐδεμίαν ἔχει εἰς ἀντίληψιν καὶ ἀφήν. Appollodor. π. θεῶν bei Stobaeus, Ecl. I, p. 420 W.

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