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über dessen Ende die Dichtung vom troischen Kriege und den Abenteuern der Heimkehr noch nicht verfügt hatte, konnte eben darum ein späterer Poet nach dem mittlerweile „entdeckten" Lande der Hinkunft entrücken lassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass selbst damals, als die Hadesfahrt des Odysseus gedichtet wurde, diese, für die Entwicklung des griechischen Unsterblichkeitsglaubens später so bedeutend gewordene Phantasie eines verborgenen Aufenthaltes lebendig Entrückter noch gar nicht ausgebildet war. Sie schliesst sich dem in den homerischen Gedichten herrschenden Glauben ohne Zwang an, aber sie wird durch diesen Glauben nicht mit Nothwendigkeit gefordert. Man könnte daher wohl meinen, sie sei von aussen her in den Bereich homerischer Dichtung hineingetragen worden. Und wenn man sich der babylonischen Sage von Hasisadra, der hebräischen von Henoch erinnert, die, ohne den Tod zu schmecken, in ein Reich des ewigen Lebens, in den Himmel oder „an das Ende der Ströme" zu den Göttern entrückt werden1, so könnte man wohl gar, einer gegenwärtig hie und da herrschenden Neigung nachgebend, an Entlehnung dieser

1 Hasisadras Entrückung: s. die Uebersetzung des babylonischen Berichts bei Paul Haupt, Der keilinschriftl. Sintfluthbericht (L. 1881) S. 17. 18. Die Ausdrücke der griechisch schreibenden Berichterstatter sind völlig gleich den bei griechischen Entrückungssagen üblichen: evésθαὶ ἀφανῆ (τὸν Ξίσουθρον) μετὰ τῶν θεῶν οἰκήσοντα Berossus bei Syncell. p. 55, 6. 11. Dind.; θεοί μιν ἐξ ἀνθρώπων ἀφανίζουσιν Abydenus bei Syncell. p. 70, 13. Von Henoch: οὐχ εὑρίσκετο, ὅτι μετέθηκεν αὐτὸν ὁ dó 1. Mos. 5, 24 (μststédy Sirac. 44, 16. Hebr. 11, 5); àvsìýçon àñà Sirac. 49, 14; aveуópηss mpòs to delov, Joseph. antiq. I 3, 4 (von Moses: apavieta: Joseph. antiq. IV 8, 48. Entrückung des Henoch, des Elia; s. auch Schwally, D. Leben nach d. Tode nach d. Vorst. d. a. Israel [1892] p. 140, Entrückung Lebender in die Scheol öfter im A. T.: Schwally p. 62). Auch Henoch ist dem Schicksal nicht entgangen, von der vergleichenden Mythologie als die Sonne gedeutet zu werden. Sei's um Henoch, wenn die Orientalisten nichts dagegen haben; aber dass nur nicht, nach dem beliebten Analogieverfahren, auch die nach griechischer Sage Entrückten von Menelaos bis zu Apollonius von Tyana uns unter den Händen in mythologische Sonnen (oder Morgenröthen, feuchte Wiesen, Gewitterwolken u. dgl.) verzaubert werden!

ältesten griechischen Entrückungssagen aus semitischer Ueberlieferung glauben wollen. Gewonnen wäre mit einer solchen mechanischen Herleitung wenig; es bliebe hier, wie in allen ähnlichen Fällen, die Hauptsache, der Grund, aus welchem der griechische Genius die bestimmte Vorstellung zu einer bestimmten Zeit den Fremden entlehnen mochte, unaufgeklärt. Es spricht aber auch im vorliegenden Falle nichts dafür, dass der Entrückungsglaube von einem Volke dem anderen überliefert und nicht vielmehr bei den verschiedenen Völkern aus gleichem Bedürfniss frei und selbständig entstanden sei. Die Grundvoraussetzungen, auf denen diese, den homerischen Seelenglauben nicht aufhebende, sondern vielmehr voraussetzende und sanft ergänzende neue Vorstellung sich aufbaut, waren, wie wir gesehen haben, in einheimisch griechischem Glauben gegeben. Es bedurfte durchaus keiner Anregung aus der Fremde, damit aus diesen Elementen sich die allerdings neue und eigenthümlich anziehende Vorstellung bilde, von der die Weissagung des Proteus uns die erste Kunde bringt.

3.

Je wichtiger die neue Schöpfung für die spätere Entwicklung griechischen Glaubens geworden ist, desto nothwendiger ist es, sich klar zu machen, was eigentlich hier neu geschaffen ist. Ist es ein Paradies für Fromme und Gerechte? eine Art griechischer Walhall für die tapfersten Helden? oder soll eine Ausgleichung von Tugend und Glück, wie sie das Leben nicht kennt, in einem Lande der Verheissung der Hoffnung gezeigt werden? Nichts derartiges kündigen jene Verse an. Menelaos, in keiner der Tugenden, die das homerische Zeitalter am höchsten schätzt, sonderlich ausgezeichnet1, soll nur darum in's Elysium entrückt werden, weil er Helena zur Gattin hat und des Zeus Eidam ist: so verkündigt Proteus es ihm. Warum Rhadamanthys an den Ort der Seligkeit gelangt ist, erfahren

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wir nicht, auch nicht durch ein Beiwort, das ihn etwa, wie es bei späteren Dichtern fast üblich ist, als den „Gerechten" bezeichnete. Wir dürfen uns aber erinnern, dass er, als Bruder des Minos, ein Sohn des Zeus ist1. Nicht Tugend und Verdienst geben ein Anrecht auf die znkünftige Seligkeit; von einem Anrecht ist überhaupt keine Spur: wie die Erhaltung der Psyche beim Leibe und damit die Abwendung des Todes nur durch ein Wunder, einen Zauber, also nur in einem Ausnahmefall, geschehen kann, so bleibt die Entrückung in das „Land des Hingangs" ein Privilegium einzelner von der Gottheit besonders Begnadeter, aus dem man durchaus keinen Glaubenssatz von allgemeiner Gültigkeit ableiten darf. Am ersten liesse die, Einzelnen gewährte wunderbare Erhaltung des Lebens im Lande seliger Ruhe sich vergleichen mit der ebenso wunderbaren Erhaltung des Bewusstseins jener drei Götterfeinde im Hades, von denen die Nekyia erzählt. Die Büsser im Erebos, die Seligen im Elysium entsprechen einander; beide stellen Ausnahmen dar, welche die Regel nicht aufheben, den homerischen Glauben im Ganzen nicht beeinträchtigen. Die Allmacht der Götter hat dort wie hier das Gesetz durchbrochen. Die aber, welche besondere Göttergunst dem Tode enthebt und in's Elysium entrückt, sind nahe Verwandte der Götter; hierin allein scheint die Gnade ihren Grund zu haben2. Wenn irgend

1 II. 14, 321. 322.

2 Man könnte sogar den Verdacht hegen, dass Menelaos zu ewigem Leben entrückt werde, nicht nur weil er Helena, des Zeus Tochter zur Gattin hat: ouvex' eyets Elévny, wie ihm Proteus sagt, sondern auch erst in Nachahmung einer in der Sage vorher schon festgestellten Ueberlieferung, welche Helena entrückt und unsterblich gemacht werden liess. Von Helenens Tode berichtet keine Ueberlieferung des Alterthums, ausser den albernen Erfindungen des Ptolemaeus Chennus (Phot. bibl. p. 149a, 37; 42; 149 b, 1 ff.) und der nicht viel besseren aetiologischen Sage bei Pausan. 3, 19, 10. Desto häufiger ist von ihrer Vergötterung, Leben auf der Insel Leuke oder auch der Insel der Seligen die Rede. Die Sage mag das dämonischeste der Weiber früh dem gewöhnlichen Menschenloose entrissen haben, Menelaos wird eher ihr hierin gefolgt sein (wie Isokrates Helen. § 62 geradezu behauptet) als sie ihm.

eine allgemeinere Begründung, über launenhafte Begünstigung Einzelner durch einen Gott hinaus, den Entrückungen zukommt, so könnte es allenfalls der Glaube sein, dass ein naher Zusammenhang mit der Gottheit, d. h. eben der höchste Adel der Abkunft vor dem Versinken in das allgemeine Reich der trostlosen Nichtigkeit nach der Trennung der Psyche vom Leibe schütze. So lässt der Glaube mancher Naturvölker" den gemeinen Mann nach dem Tode, wenn er nicht etwa ganz vernichtet wird, in ein unerfreuliches Todtenreich, die Abkömmlinge der Götter und Könige, d. h. den Adel, in ein Reich ewiger Lust eingehen1. Aber in der Verheissung, die dem Menelaos zu Theil wird, scheint ein ähnlicher Wahn doch höchstens ganz dunkel durch. Von einem allgemeinen Ge setz, aus dem der einzelne Fall abzuleiten wäre, ist nicht die Rede.

4.

Die Einzelnen nun, denen in dem elysischen Lande am Ende der Erde ein ewiges Leben geschenkt wird, sind von den Wohnplätzen der Sterblichen viel zu weit abgerückt, als dass man glauben könnte, dass ihnen irgend eine Einwirkung auf die Menschenwelt gestattet wäre. Sie gleichen den Göttern nur in der auch ihnen verliehenen Endlosigkeit bewussten Lebens; aber von göttlicher Macht ist ihnen nichts verliehen 3, ihnen nicht mehr als den Bewohnern des Erebos, deren Loos im Uebrigen von dem ihrigen so verschieden ist. Man darf

1

1 Vgl. Tylor, Primitive Culture 2, 78; J. G. Müller, Gesch. d. amerikan. Urrel. 660 f.; Waitz, Anthropologie V 2, 144; VI 302; 307.

2 Die Erzählung, dass Rhadamanthys einst von den Phäaken nach Euböa geleitet worden sei, εποψόμενος Τιτυόν Γαιηϊον υἱόν (Od. 7, 321 1.) dahin zu ergänzen, dass dies geschehen sei, als Rh. bereits im Elysium wohnte, haben wir keinen Grund und kein Recht. Denn dass die Phäaken als Fährleute des Todes" mit Elysium in irgend einer Verbindung gestanden hätten, ist nichts als eine haltlose Phantasie.

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3 Wer àdavasia hat, besitzt darum noch nicht nothwendig auch δύναμιν ἰσόθεον (Isokrates 10, 61).

Rohde, Psyche I. 2. Aufl.

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daher auch nicht etwa glauben, dass der Grund für die Sagen von Erhöhung einzelner Helden über ihre Genossen durch die Versetzung in ein fernes Wonneland durch einen Cult gegeben worden sei, der diesen Einzelnen an ihren ehemaligen irdischen Wohnplätzen gewidmet worden wäre. Jeder Cult ist die Verehrung eines Wirksamen; die als wirksam verehrten Landesheroen hätte kein Volksglaube, keine Dichterphantasie in unerreichbarer Ferne angesiedelt.

Es ist freie Dichterthätigkeit, die diese letzte Zufluchtsstätte menschlicher Hoffnung auf der elysischen Flur geschaffen und ausgeschmückt hat, und poetische, nicht religiöse Bedürfnisse sind es, denen diese Schöpfung zunächst genügen sollte. Das jüngere der zwei homerischen Epen steht dem heroischen, nur in rastloser Bethätigung lebendiger Kraft sich genügenden Sinne der Ilias schon ferner. Anders mag die Stimmung der Eroberer eines neuen Heimathlandes an der asiatischen Küste gewesen sein, anders die der zu ruhigem Besitze und ungestörtem Genusse des Errungenen Gelangten: es ist, als ob die Odyssee die Sinnesart und die Wünsche der ionischen Stadtbürger dieser späteren Zeit wiederspiegelte. Ein ruheseliger Geist zieht wie in einer Unterströmung durch das ganze Gedicht und hat sich inmitten der bewegten Handlung überall seine Erholungsstätten geschaffen. Wo die Wünsche des Dichters rechte Gestalt gewinnen, da zeigen sie uns Bilder idyllisch sich im Genuss der Gegenwart genügender Zustände, glänzender im Phäakenlande, froh beschränkter auf dem Hofe des Eumäos, Scenen friedsamen Ausruhens nach den nur noch in behaglicher Erinnerung lebenden Kämpfen der vergangenen Zeit, wie in Nestors Hause, im Pallast des Menelaos und der wiedergewonnenen Helena. Oder Schilderung einer freiwillig milden Natur, wie auf der Insel Syrie, der Jugendheimath des Eumäos, auf der in reichem Besitze an Heerden, Wein und Korn ein Volk lebt, frei von Noth und Krankheit bis zum hohen Alter, wo dann Apollo und Artemis mit sanften Geschossen plötzlichen Tod bringen (Od. 15, 403 ff.). Fragst Du freilich,

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