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OF THE

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Seelenglaube und Seelencult in den homerischen Gedichten.

I.

Der unmittelbaren Empfindung des Menschen scheint nichts so wenig einer Erklärung oder eines Beweises bedürftig, nichts so selbstverständlich wie die Erscheinung des Lebens, die Thatsache seines eigenen Lebens. Dagegen das Aufhören dieses so selbstverständlichen Daseins erregt, wo immer es ihm vor Augen tritt, immer aufs Neue sein Erstaunen. Es giebt Völkerstämme, denen jeder Todesfall als eine willkürliche Verkürzung des Lebens erscheint, wenn nicht durch offene Gewalt, so durch versteckte Zaubermacht herbeigeführt. So unfassbar bleibt ihnen, dass dieser Zustand des Lebens und Selbstbewusstseins von selbst aufhören könne.

Ist einmal das Nachdenken über so bedenkliche Dinge erwacht, so findet es bald das Leben, eben weil es schon an der Schwelle aller Empfindung und Erfahrung steht, nicht weniger räthselhaft als den Tod, bis in dessen Bereich keine Erfahrung führt. Es kann begegnen, dass bei allzu langem Hinblicken Licht und Dunkel ihre Stellen zu tauschen scheinen. Ein griechischer Dichter war es, dem die Frage aufstieg: Wer weiss denn, ob das Leben nicht ein Sterben ist, und, was wir Sterben nennen, drunten Leben heisst? Rohde, Psyche I. 2. Aufl.

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Von solcher müden Weisheit und ihren Zweifeln finden wir das Griechenthum noch weit entfernt da, wo es zuerst, aber schon auf einem der Höhepuncte seiner Entwicklung, zu uns redet: in den homerischen Gedichten. Mit Lebhaftigkeit redet der Dichter, reden seine Helden von den Schmerzen und Sorgen des Lebens in seinen einzelnen Wechselfällen, ja nach seiner gesammten Anlage; denn so haben es ja die Götter beschieden den armen Menschen, in Mühsal und Leid zu leben, sie selber aber sind frei von Kummer. Aber von dem Leben im Ganzen sich abzuwenden, kommt keinem homerischen Menschen in den Sinn. Von dem Glück und der Freudigkeit des Lebens wird nur darum nicht ausdrücklich geredet, weil sich das von selbst versteht bei einem rüstigen, in aufwärts steigender Bewegung begriffenen Volke, in wenig verschlungenen Verhältnissen, in denen die Bedingungen des Glückes in Thätigkeit und Genuss dem Starken leicht zufallen. Und freilich, nur für die Starken, Klugen und Mächtigen ist diese homerische Welt eingerichtet. Leben und Dasein auf dieser Erde ist ihnen so gewiss ein Gut, als es zur Erreichung aller einzelnen Güter unentbehrliche Bedingung ist. Denn der Tod, der Zustand, der nach dem Leben folgen mag, es ist keine Gefahr, dass man ihn mit dem Leben verwechsle. Wolle mir doch den Tod nicht wegreden", so würde, wie Achill im Hades dem Odysseus, der homerische Mensch jenem grübelnden Dichter antworten, wenn er ihm den Zustand nach Ablauf des Erdenlebens als das wahre Leben vorspiegeln wollte. Nichts ist dem Menschen so verhasst wie der Tod und die Thore des Hades. Denn eben das Leben, dieses liebe Leben im Sonnenlichte, ist sicher dahin mit dem Tode, mag nun folgen was will.

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2.

Aber was folgt nun? Was geschieht, wenn das Leben für immer aus dem entseelten Leibe entweicht?

Befremdlich ist es, dass neuerdings hat behauptet werden.

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