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lösen zu können, ist bisher immer von neuem gescheitert. Die ältesten bisher bekannt gewordenen Urkunden, die von Lagaš, verrieten immer wieder semitischen Charakter; dem Funde von Nippur wird dasselbe Geschick beschieden sein. Also von der ältesten Geschichte und von den Anfängen der Kultur wissen wir nichts1.

In den Urkunden aber, in denen uns aus dem wallenden Nebel der für uns prähistorischen Zeit die ersten geschichtlichen Nachrichten entgegentreten, zeigt sich, daß nicht die Herrschaft der rohen Gewalt und des Kriegs die Impulse zur Entwickelung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, sondern daß neben den materiellen Bedürfnissen, die eine friedliche Entwickelung voraussetzen, das gesamte Denken und Tun des Volkes von einer einheitlichen geistigen Anschauung beherrscht wird. Nicht Horden kommen zusammen in den ältesten Zeiten, die wir übersehen, sondern wir finden feste Staatenbildungen unter der Herrschaft priesterlichen Geistes. Nicht unter der rohen Macht des Schwertes bilden sich Staaten und entwickelt sich die Kultur, wie in Griechenland und Rom. Es zeigt sich vielmehr eine Entwickelung, die den aus den Erscheinungen der okzidentalischen Welt abgeleiteten Gesetzen der Geschichtswissenschaft und Völkerkunde zu widersprechen scheint. Die

1) Die Unsicherheit in der Frage, wie weit die Babylonier,,Semiten" sind, ist für kultur- und religionsgeschichtliche Untersuchungen nicht von entscheidender Bedeutung. Bei der Mahnung, man müsse das Material aus den Keilschriften mit Vorsicht benutzen, weil das Kulturleben von zwei Rassen stamme (so z. B. Curtiss, Quellen der ursemitischen Religion S. 35 f.), wird Kulturelles und Ethnologisches vermengt.,,Semitisch" ist ein Begriff, der zunächst eine Sprachfamilie charakterisiert. Die Kultur macht nicht Halt an den Sprachgrenzen. Die altbabylonische Kultur, ob sie nun ursprünglich semitisch oder nichtsemitisch ist, ist Gemeingut der gesamten altorientalischen Welt, nur daß sie sich vielgestaltig entwickelt hat. Auf die Unterscheidung Semiten, Hamiten, Japhetiten sollte man bei kulturellen Auseinandersetzungen allmählich verzichten. Mit der Auffassung vom,,Semitentum" (und,,Beduinentum") als Grundlage der orientalischen Religionen (und Kulturen) hat Winckler in Arabisch-SemitischOrientalisch (MVAG 1901; der Titel charakterisiert das Ergebnis für die Kulturbetrachtung) einstweilen aufgeräumt.

2) In den ältesten babylonischen Inschriften (s. Thureau - Dangin, Sumer.-akkad. Königsinschr. VAB I) ist viel von Kanalbauten die Rede. Politische Störungen brachten Verstopfung der Kanäle und damit Ruin des ganzen Landes mit sich. Deshalb mußte im alten Babylonien der Krieg als störende Macht gelten, nicht als Förderungsmittel politischer Entwickelung erscheinen.

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ältesten babylonischen Urkunden sowie das gesamte euphratensische Kulturleben setzen eine wissenschaftliche und zugleich religiöse Theorie voraus, die nicht etwa nur in den Geheimlehren der Tempel ihr Dasein fristet, sondern nach der die staatlichen Organisationen geregelt sind, nach der Recht gesprochen, das Eigentum verwaltet und geschützt wird. Je höher das Altertum ist, in das wir blicken können, um so ausschließlicher herrscht die Theorie. Erst mit dem Verfall der alten euphratensischen Kultur kommen andere Mächte zur Geltung. Jene ruhte, wie es scheint, auf einer reinen Gestirnlehre, während die semitische Wanderung in Lehre und Kultur die vom Gestirnlauf abhängigen irdischen Erscheinungen im Leben und Sterben der Natur betont hat. Dafür sprechen die „,kanaanäischen" Kulte, zu denen auch die Lehre von Babylon stimmt, die Lehre vom Sonnen- und Frühjahrsgott, der nach dem Sieg über die Wintermächte die Welt baut und die Leitung der Weltgeschicke übernimmt.

Die altorientalische Lehre ist durch die ganze Welt gewandert und hat, je nach der Beschaffenheit der Kultur, die von ihr geistig beeinflußßt wurde, verschiedene Ausprägungen gefunden. Ägypten und Alt-Arabien, sodann Elam und Iran, Persien, Indien, China, ebenso die vorgriechische ,,mykenische" Kultur, die etruskische wie die altamerikanische Kultur zeigen. die gleichen Grundlagen des Geisteslebens, auch die prähistorische Welt Europas ist über Nordafrika und Spanien einerseits und von Kreta her andrerseits von diesem Geistesleben beeinflußt worden, ohne daß dadurch die charakteristischen Rassen- und Völkerunterschiede verwischt worden sind2. Wir nennen die

1) Ešmun, Melqart; Baalat von Gobal, Tammuz; Baal, Moloch; Adad, Ašera etc.

2) Man könnte diese Erscheinung ,,Völkergedanke“ nennen. Aber der Ausdruck ist durch Bastian für die entgegengesetzte Hypothese geprägt worden, nach der die Gemeinsamkeit der Ideen auf selbständige Entwickelung von Elementargedanken, die in der Beschaffenheit des menschlichen Geistes begründet seien, zurückgeführt wird. Ed. Stucken und H. Winckler haben gezeigt, daß die altorientalische Gedankenwelt, wie sie sich fertig in allen Teilen der Welt findet, eine unabhängige Entstehung an verschiedenen Punkten vollständig ausschließt durch das Zusammenstimmen einzelner bestimmt ausgeprägter Züge, die nur eine Wanderung als Erklärung zulassen. Für Altarabien vgl. Winckler, Arabisch-Semitisch-Orientalisch MVAG 1901, für Ägypten meinen Aufsatz Der alte Orient und die ägyptische Religion, Wissensch. Beil. der Leipz. Ztg. 1905, 91, vorher Hommel, Gesch. u. Geogr. des A. O. (dazu meine Besprechung in ThLZ 1906), für China, Indien, Persien, Mexiko

Lehre,,babylonisch", weil sie uns in Babylon in verhältnismäßig ältester Zeit und am klarsten entwickelt vorliegt und weil die Astronomie, deren Heimat Babylonien ist, sich als Grundlage der Lehre darstellt. Diese Lehre fragt nach dem Urgrund der Dinge und unfaßt das Werden des Weltalls von den ersten Anfängen aus einem ,,Chaos" bis zur jetzigen Welt und deren Weiterentwickelung in künftigen Äonen bis zur Welterneuerung. Sie ist identisch mit Religion und zwar im Sinne eines latenten Monotheismus. Ihr Charakteristikum ist die Erwartung eines von der Gottheit ausgehenden Erretters, der im Laufe der Äonen die finsteren Mächte überwindet. Es werden sich Anzeichen finden, die darauf hinweisen, daß die Wanderung der Lehre durch die ganze Welt im Stierzeitalter zu suchen ist, das mit der Zeit Sargons I. und Naramsins einsetzt 2.

Im folgenden versuchen wir, die altorientalische Lehre darzustellen und die einzelnen Punkte urkundlich zu belegen. Im weiteren Verlaufe des Buches wird dann vor allem das Verhältnis dieser Lehre zur israelitischen Religion zur Darstellung kommen. Bei dem Bestande der urkundlichen Zeugnisse wird die Lehre von Babylon, d. h. das auf Marduk als summus deus zugeschnittene System, stark hervortreten. Es wird auch nicht immer möglich sein, die ursprüngliche“ reine Astrallehre von der die Erscheinungen des Naturlebens hervorhebenden,,kanaanäischen“ Lehre zu scheiden 3.

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und die Mythen der südamerikanischen Urvölker s. Register unter den Stichworten. Für Gedankenwanderung nach Europa s. Sofus Müller, Urgeschichte Europas 59. 186. S. Müller weist z. B. nach, daß die mythologische Gestalt des Donnergottes und das Symbol des Doppelbeils vom gräkomykenischen Kreta durch Europa bis Skandinavien gewandert ist. Nach unserer Auffassung handelt es sich auch hier um die zu allen Völkern gewanderte Lehre. Vgl. hierzu weiter unter Weltschöpfung und Sintflut, auch S. 79f.

1) Besser altorientalisch; das Kennwort „Panbabylonier“ akzeptierten wir, aber es ist dann babylonisch in Anführungsstrichen zu denken.

2) Es würde dann eine ähnliche Erscheinung zu konstatieren sein, wie wir sie an anderer Stelle (Monotheistische Strömungen 43 ff.) für das sechste vorchristliche Jahrhundert aufweisen konnten, also für den Beginn des Widderzeitalters. Beide Erscheinungen sind weltumfassende schattenhafte Vorläufer der universalistischen Religion des Christentums.

3) Winckler, F. III, 274:,,Ich beanspruche eine Formel aufgestellt zu haben, welche jede Erscheinung der babylonischen Götterlehre erklärt. Eine Formel ist in der Mathematik der allgemeine Ausdruck für das gegenseitige Verhältnis von Einzeltatsachen, nachdem er einmal gefunden,

I. Die Weltentstehung.

Die altorientalische Lehre fragt zunächst nach dem Urgrund der sichtbaren Dinge. Die Menschen, die in den ältesten vorderasiatischen Urkunden zu uns reden, wissen, daß die sinnlich wahrnehmbare Welt von der Gottheit geschaffen wurde und von ihr gelenkt ist. Die vom Ozean und Lufthimmel umgebene Welt ist der Schauplatz der Menschen, die nach dem Bilde der Gottheit geschaffen wurden. Aber diese Erde ist nur ein mikrokosmisches Abbild einer himmlischen Welt, deren „,Erde" der vom Himmel und vom Himmelsozeane umwölbte Tierkreis ist. Aus dem Himmelsozeane ist diese Welt ebenso wie frühere Welten hervorgegangen. Die einander ablösenden Welten entstehen von unten nach oben aus der Urflut1. Auf der untergehenden Welt baut sich die neue auf.

Die leider fragmentarischen Anfangszeilen des babylonischen Epos Enuma eliš, die von der Neuschaffung der Welt durch Marduk reden, enthalten dunkle Angaben über den Weltä on, der unserer Welt vorangegangen ist. Die Darstellungsform der Lehre ist hier die mythologische, d. h. die episch die Begriffe in Göttergestalten personifizierende. Das Urwasser ist verkörpert durch

Apsû und Tiâmat

und deren Sohn Mummu

Damascius sagt, er halte Moymis (Mummu) für den roŋtós zóopos, das geistig vorzustellende Weltall. Damit beweist er glänzend, daß er die Lehre, die hinter der Mythologie sich verbirgt (s. Kap. III), verstand. Der Apsû, das Wasserreich, aus dem die Welt entsteht, bedeutet nach dem ist die betreffende Erscheinung erklärt, die Frage gelöst. Man kann die Richtigkeit der Formel durch zahllose Beispiele erproben, sie sich veranschaulichen und ihre Verwertbarkeit für praktische Fälle nachweisen zu entdecken ist aber nichts mehr, wo das Gesetz gefunden ist." Ich erkenne die Berechtigung dieses Satzes an. Meine Ausführungen erstreben gewissermaßen eine Systematisierung des Systems und Registrierung von urkundlichen Nachweisen oder Bestätigungen aus der Mythologie; sodann weitere Anwendung der von Winckler entdeckten babylonischen Röntgenstrahlen auf Erklärung der biblischen Darstellungs- und Sprech

weise.

1),,Die Erde war tohu wabohu, und der Geist Gottes schwebte über Tehom" I Mos 1, 2. In der altägyptischen Lehre von On-Heliopolis ,,die schon in den ältesten Zeiten großes Ansehen genoß“ (Steindorff) entsteht die Welt aus dem Urwasser Nun. Die babylonische Welt entsteht aus dem Apsû. In einer indischen Kosmogonie entsteht der Unsterblichkeitstrank durch Quirlen des Weltbergs im Weltmeer. Die Welt der nordischen Kosmogonie entsteht aus dem Urwasser usw.

Ideogramm,,Haus der Weisheit". Die babylonische Hochschule heißt nach V R 65, 33a bit mummu (vgl. auch IV R 23, Nr. 1, Rev. 25), das ist ein archaischer Ausdruck, der Nomenklatur der Urwelt entnommen. Mummu ist also die Weisheit" (Sophia, vgl. Spr 8), die im Ozean ihren Sitz hat und aus der Welten hervorgehen.

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Aus der Vermischung von Mutter und Sohn entsteht die erste Welt1. Sie besteht aus zwei Regionen:

Laḥmu und Lahamu entsprechen der himmlischen Welt;
Anšar und Kišar der irdischen Welt.

Diese Urwelt ist der Schauplatz der Theogonie; es entsteht die
Trias Anu, Bel, Ea. Ea repräsentiert das Wasserreich. Aus

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Abb. 1: Himmel und Erde, durch die Luft (Gott Schu) getrennt. Ägyptisches Original im Museum zu Turin.

ihm geht Marduk hervor, durch den dann die jetzige Welt geschaffen wird. Also auch hier ist der Ozean der Urgrund aller Dinge:

') Eine verwandte Vorstellung läßt die neue Welt aus dem Phallus der Gottheit entstehen. So ist in der Lehre von On der Erdgott Keb und die Himmelsgöttin Nut im Urwasser zur Zeugung verschlungen; der Luftgott Schu trennt sie voneinander, indem er die Himmelsgöttin am Leibe emporhebt, s. Abb. 1, und vgl. Steindorff im Jahrbuch des Freien deutschen Hochstifts zu Frankf. a. M. 1904 S. 141. - Eine dritte Vorstellung, die wiederum verwandt ist (Phallus am Tore der Unterwelt in verschiedenen Mythologien, beachte auch, daß dem Reiche Eas die Unterwelt entspricht, S. 14), läßt die Emanationen aus der Unterwelt emporsteigen. Hier liegt die Lösung für die Bedeutung des Mistkäfers (Skarabäus) in der ägyptischen Mythologie als Repräsentanten des neuen Lebens (Mist ist das Element der Unterwelt, s. Monoth. Strömungen S. 16, BNT 96).

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