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Achter Abschnitt.

Christiane Vulpius.

An einem Herbsttage des Jahres 1788 wurde Goethe auf einem Spaziergange in seinem vielgeliebten Park vor einem frischen, hübschen, jungen Mädchen angesprochen, das ihm mit vielen Verbeugungen ein Gesuch überreichte. Er. sah der Bittstellerin in die glänzenden Augen und ware dann einen freundlichen Blick in ihre Bittschrift, in welcher der große Dichter gebeten wurde, durch seinen Einfluß einem jungen Schriftsteller eine Stelle zu verschaffen, der in Jena von Uebersetzungen aus dem Französischen und Italienischen lebte. Der junge Schriftsteller hieß Vulpius, und seinen Rinaldo Rinaldini wird mancher meiner Leser in jungen Jahren unter Herzklopfen gelesen haben. Seine Räuberromane waren eine Zeitlang sehr populär, aber heut= zutage ist sein Name der Vergessenheit nur dadurch entrissen, daß er der Bruder jener Christiane Vulpius war, welche die Bittschrift für ihn an Goethe überreichte und damit den ersten Schritt that, seine Frau zu werden. Christiane ist in vielen Beziehungen eine interessante Figur für die Goethefreunde, und die Liebe, die sie dem Dichter einflößte,

nicht weniger als die treue Anhänglichkeit, mit der fie ihm achtundzwanzig Jahre diente, sind eines freundlicheren Nachruhms werth, als man ihr gewöhnlich zu Theil werden läßt.

Ihr Vater war einer jener Elenden, deren Trunksucht langsam aber sicher eine ganze Familie ins Unglück bringt; oft versette er eine eignen Kleider, um nur Geld zum Trinken zu haben. Sobald seine Kinder heranwuchsen, suchten sie von ihm wegzukommen und sich selbst zu ernähren: der Sohn durch literarische Thätigkeit, die Töchter durch Anfertigung künstlicher Blumen*), Handarbeiten u. dgl. Man sagt gewöhnlich, Christiane sei äußerst ungebildet gewesen, und böswillige Federn berichten leichtfertig, Goethe habe sein Dienstmädchen geheirathet. Sie ist nie sein Dienstmädchen gewesen, noch auch war sie ungebildet. Allerdings war, wie die vorstehenden Anführungen beweisen, ihre Stellung in der Gesellschaft eine sehr bescheidene; aber daß sie nicht ungebildet war, geht aus den unzweifelhaften Thatsachen, daß Goethe für sie die römischen Elegien und die „Metarmorphose der Pflanzen“ dichtete und in ihrer Gesell= schaft seine optischen und botanischen Forschungen betrieb, deutlich genug hervor. Wie viel sie davon verstand, können wir freilich nicht wissen, aber das läßt sich mit Sicherheit annehmen, daß er solche Unterhaltungen aufgegeben haben würde, wenn sie nicht ein lebendiges Verständniß gezeigt hätte.

*) Diefer wenig beachtete Umstand giebt wohl den Schlüffel zu dem Gedichte der neue Pausias.“

Wird doch nicht immer geküßt, es wird vernünftig gesprochen so heißt's in den Elegien, und das ist entscheidend. In seiner vielseitigen Correspondenz sehen wir ihn durchgängig je nach der Verschiedenheit seiner Freunde mit verschiedenen Gegenständen sich beschäftigen und Fragen behandeln, die nicht blos ihn selbst, sondern auch jene interessirten, und in dem weiten Umkreis der Dinge, die er beherrschte, gab es gar vieles, worüber er sich mit Christiane hätte unterhalten können, wenn er bei ihr Mangel an Verständniß für naturwissenschaftliche Erscheinungen wahrgenommen hätte. In einer der Elegien, der achten, geben uns wenige Zeilen ein klares Bild, von welcher Art ihr Verstand und ihre Schönheit war; ein Verstand nämlich, wie er freilich von Schulmeistern nicht gewürdigt wird, weil er zum regelrechten Lernen nicht befähigt ist, und eine Schönheit, welche der gewöhnliche Geschmack nicht schäßt, weil sie die gewöhnliche Regelmäßigkeit der Züge entbehrt. Die Verse lauten:

Wenn du mir sagest, du habest als Kind, Geliebte, den Menschen

Nicht gefallen und dich habe die Mutter verschmäht,

Bis du größer geworden und still dich entwickelt — ich glaub' es: Gerne denk ich mir dich als ein besonderes Kind.

Fehlet Bildung und Farbe doch auch der Blüthe des Weinstocks, Wenn die Beere, gereift, Menschen und G3tter entzückt.

Und in einer solchen Frage muß doch gewiß des Dichters Zeugniß gelten!

Falle ich indeß, bei der Berichtigung eines allgemeinen Irrthums, nicht in den entgegengesetten Fehler. Christiane hatte ihre Reize, aber sie war nicht hochbegabt, war keine

Frau von Stein, war nicht befähigt, die höchsten Flüge seines Geistes zu theilen. Einen behenden Mutterwit, einen lebhaften Geist, ein liebendes Herz und große Anstelligkeit zu häuslichen Dingen, das alles besaß sie unzweifelhaft; fie war heiter, lustig, vergnügungssüchtig, selbst bis zum Uebermaß, und, wie die Gedichte beweisen, zu denen sie ihn begeisterte, sie war weniger die Geliebte seines Geistes als seiner Neigungen. Den Kopf von einer Fülle heller, goldbrauner Locken umgeben, die Gestalt klein und zierlich von reizender Fülle, mit lachenden Augen, schwellenden Lippen, die Wangen strahlend von rosiger Gesundheit*) -so erschien sie, nach der Mittheilung von Adele Schopenhauer, einer völlig unbefangenen Zeugin, als ein „jugendlicher Dionysos.". Gleich bei der ersten Begegnung war Goethe von ihrer Naivetät und ihrer kindlichen Heiterkeit vollständig bezaubert; er erkannte in ihr eine jener freien, gefunden Naturen, welche die Bildung der Welt nicht verkünstelt hat. Sie war ihm wie ein Kind des sinnlichschönen Italiens, welches er eben mit so tiefem Schmerz verlassen hatte, und in allen Sprachen der Welt giebt es nur wenige Gedichte von so leidenschaftlich bewegtem Ausdruck wie die, in denen er das Glück, das sie ihm gegeben, verewigt hat.

Warum heirathete er sie nicht sofort? Seine Abneigung gegen die Ehe ist uns schon bekannt, und zu dieser allgemeinen Abneigung kam dieses Mal noch die Rücksicht auf

* Diese Schilderung giebt Stahr, Weimar und Jena II, 192.

die große Verschiedenheit ihrer bürgerlichen Stellung. In der That war der Abstand so groß, daß nicht, nur das Verhältniß deshalb zum öffentlichen Aergerniß wurde, sondern auch Christiane selbst den Heirathsantrag ablehnte. Wenigstens erzählt Stahr, daß, wie es noch Lebende aus ihrem eigenen Munde vernommen, die lange Verzögerung der förmlichen Heirath (bis 1806) nur ihre Schuld gewesen sei; ihre große Bescheidenheit und Demuth habe sich, wie diese Zeugen ihn versichert, mit jeder Existenz neben Goethe begnügt." Gewiß ist es, daß er um Weihnachten 1789 nach der Geburt seines ersten Kindes (August von Goethe, bei dem der Herzog zu Gevatter stand) die Geliebte fsammt ihrer Schwester und Tante ganz in sein Haus nahm*) und das Verhältniß immer als eine Ehe ansah. Sie ist immer meine Frau gewesen" sagte er, als er sie endlich wirklich geheirathet hatte. Aber wie er auch die Sache ansehen mochte, die öffentliche Meinung vergab ihm seinen

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*) Auf diese Umsiedlung bezieht sich das zierliche Gedicht „Gefunden“, welches Stahr mit Recht die' anmuthigste Parabel nennt:

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah' ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Aeuglein schön.

Ich wollt' es brechen,
Da sagt' es fein:

Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Ich grub's mit allen
Den Würzlein aus,
Zum Garten trug ich's
Am hübschen Haus.

Und pflanzt' es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.

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