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modernen Europa aufgeführt und von Schauspielern ohne Kothurn und Maske dargestellt worden, so würden die Leidenschaftlichen Strömungen sich aus der Tiefe an die Oberfläche gehoben und entsprechend bewegte Formen hervorgerufen haben. Aber es lagen in seiner Natur Gründe, die das verhinderten. Im griechischen Drama war alles von einem colossalen Maaße, wie es den Bedürfnissen eines Theaterpublikums von vielen Tausenden entsprach; die Massenwirkung überwog die Rücksicht auf das Detail; so nahm das Drama mit Nothwendigkeit etwas von den For= men der Sculptur, von ihrer stattlichen Gruppirung an, und die Rücksicht auf die scenische Wirkung bedingte einen eigenen Bau, bei dem die Harmonie der Theile mit dem Ganzen maßgebend war. Langsamkeit der Bewegung wurde Geseß, weil bei raschem Gange die Wirkung gefehlt hätte. Wer das bezweifelt, der stelle sich auf Stelzen, spreche durch ein Sprachrohr und versuche sich so am Shakespeare; dann wird er eine annähernde Vorstellung von den Hindernissen erhalten, welche die griechische Bühne ihren Spielern auferlegte; auf hohem Kothurn, um ihre Person größer erscheinen zu lassen, und durch eine klangverstärkende Maske redend, die einen einzigen festen Ausdruck hatte, konnten sie nicht spielen, wie wir jest das Wort verstehen, sondern nur recitiren, vermochten sie nicht den Wechsel der Leiden= schaften auszudrücken, und so sah sich auch der Dichter von vorn herein gezwungen, die Leidenschaft nur in großen, festen Massen zur Darstellung zu bringen. Das sind die Gründe,

weßhalb der Gang des griechischen Drama's mit Nothwendigkeit langsam und einfach war.

Dringen wir aber durch die scenischen Nothwendig keiten hindurch und beachten wir nur das dramatische Leben, welches in den griechischen Tragödien pulsirt, was für eine Art Ruhe finden wir da? Ruhe ist ein relativer Begriff. Polyphem, der Felsblöcke schleudert wie Schulknaben mit Kirschkernen spielen, würde gewiß zu unserm Straßenlärm lachen, wie wir zu dem Gesumme von Fliegen, und Moloch, wenn er die unermeßliche Dede in leidenschaftlicher Reue über seinen Fall durchheult, würde uns Menschen um unsere wildeste Verzweiflung beneiden, die für ihn Ruhe wäre. Aber mit menschlichem Maaß gemessen wo ist der, dessen Weh so voll Emphase tönt", daß er sagen dürfe, im Dedipus, im Agamemnon, im Ajax schlage der Puls der Leidenschaft ruhig? Die Labdakidensage ist eins der düstersten Gewebe, das die Parzen je gewebt.

Die Gegenstände, welche die griechischen Tragiker zu ihren Stücken gewählt, sind fast ohne Ausnahme solche, bei denen die tiefsten und dunkelsten Leidenschaften wirken: im Agamemnon Wahnsinn, Ehebruch und Mord, in den Choëphoren Rache, Mord und Muttermord, im Oedipus Blutschande, in der Medea Eifersucht und Kindermord, im Hippolyt blutschänderischer Ehebruch, im Ajax Wahnsinn, und so durch die ganze Reihe hindurch. Und diese Leidenschaften wallen in steter Strömung, und erst mit dem Schlusse des Stücks endet auch der Wechsel von Schrecken und Mitleid. Mit andern Worten: troß der Langsamkeit

der Bewegung ist das griechische Drama grade durch den Mangel der Ruhe ausgezeichnet, die ihm eigenthümlich fein soll.

Damit berühren wir den ersten tiefgehenden Unterschied zwischen Goethe und den griechischen Dramatikern. Die Ruhe, die durch äußere Umstände den Griechen aufgedrun= gen wurde, die für ste eines ihrer Hindernisse war, wie die Härte des Marmors den Bildhauer hemmt, die hat Goethe angenommen, ohne daß äußere Bedingungen ihn nöthigten, und die Ruhe, welche die griechischen Dramatiker nur an der Oberfläche bewahrten, hat Goethe in das innerste Leben seiner Dichtung eindringen lassen. In dem, was nebensächlich, was ein Bedürfniß der Zeit war, hat Goethe die Griechen nachgeahmt, im Wesentlichen, Charakteristi= fchen nicht.

Goethe's Iphigenie müssen wir also aufhören mit griechischem Maaße zu messen. Deutsch ist das Stück. Tiefe fittliche und Seelenkämpfe treten darin an die Stelle der Leidenschaftlichen Kämpfe in den alten Mythen. Es ist nicht griechisch, weder an Gedanken, noch an Empfindungen. Deutsch ist es, und in das mythische Skythien trägt es das Deutschland des achtzehnten Jahrhunderts so gut und mit gleicher Berechtigung hinüber wie Racine den Hof von Versailles in das Lager von Aulis versett hat*). Worin

*) Dieses Vergreifen in den Lokalfarben, wegen dessen man den Racine mit mehr Gelehrsamkeit als Scharfsinn verspottet hat, ist nicht nur durch die Forderungen der Kunst selbst geboten, son

die Iphigenie der griechischen Tragödie gleicht, ist nur zweierlei: einmal der langsame Fortschritt und die Einfachheit der Handlung, wodurch auch der Dialog eine entsprechende Ruhe erhält, und dann die Sättigung mit mythischem Stoff. Alles Uebrige ist durchaus deutsch. Schiller, der Dramatiker, erkannte das klar genug. Nachdem er (1802) die Iphigenie zum Behuf der Aufführung aufs neue mit Aufmerksamkeit gelesen, schreibt er an Körner: „Ich habe mich sehr gewundert, daß sie auf mich den günstigen Eindruck nicht mehr gemacht hat wie sonst, ob es gleich immer ein seelenvolles Produkt bleibt. Sie ist aber so erstaunlich modern und ungriechisch, daß man nicht begreift, wie es möglich war, sie jemals einem griechischen Stück zu vergleichen. Sie ist ganz nur sittlich; aber die sinnliche Kraft, das Leben, die Bewegung und alles was ein Werk zu einem ächten dramatischen specificirt, geht ihr sehr ab. Goethe selbst hat mir schon längst zweideutig davon gesprochen — aber ich hielt es nur für eine Grille, wo nicht gar für Ziererei; bei näherem Ansehen aber hat es sich auch mir io bewährt." Das klingt etwas anders als Herder's Behauptung, das Stück sei so hoch über Euripides, wie Sophokles über Euripides.

dern die Griechen auch haben diesen Irrthum, wenn es ein Irrthum ift, begangen. Euripides hat sich in seiner Iphigenie so grobe Anachronismen zu Schulden kommen lassen, wie nur je dem Racine vorgeworfen find; und mit Recht hat er das gethan: er schrieb für die Mitwelt, nicht für die Vorwelt,

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Schiller fügt indeß hinzu, das Stück werde durch die allgemeinen hohen poetischen Eigenschaften, welche ihm ohne Rücksicht auf seine dramatische Form zukommen, blos als ein poetisches Geisteswerk betrachtet, in allen Zeiten unschäßbar bleiben.“ Das heißt die rechte Saite anschlagen. Ein Drama ist es nicht, aber ein wunderbares dramatisches Gedicht. Der große und feierliche Fortgang seiner Ent-wicklung entspricht den ebenso umfassenden wie einfachen Gedanken, die es ausspricht. Seine Ruhe ist Majestät. In der spiegelhellen Klarheit der Sprache erscheint die geistige Entwicklung der Charaktere so durchsichtig wie die Arbeit der Bienen in einem Bienenkorbe von Glas, und der stete Klang erhabener Musik, die das Gedicht durchtönt, stimmt den Leser zur Andacht, als sei er in einem heiligen Tempel. Und über allen Zauber im Einzelnen geht der eine große Zauber, der sonst griechischen Statuen vor allen andern Schöpfungen von Menschenwitz und Menschenkunst eigenthümlich angehört die vollendete Einheit im Eindruck des Ganzen; da scheint nichts gemacht, sondern alles natürlich zu werden, da ist nichts überflüssig, sondern alles steht in organischer Zusammengehörigkeit, nichts ist zu besonderer Wirkung da, sondern das Ganze ist Wirkung. Das Gedicht nimmt uns die Seele ein, aber so schön die einzelnen Stellen sind, in unserer Bewunderung denken wir selten an Einzelnheiten, wir denken an das zauberische Ganze.

Ich für mein Theil kann meiner Bewunderung für dies Werk, an sich betrachtet, kaum in andern als hyperbolischen Worten Ausdruck geben, aber als Drama stelle ich die Euripi

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