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er freut sich, daß es ein Weib ist, die ihr Schicksal in Händen hält

denn ein Mann,

Der beste selbst, gewöhnet seinen Geift

An Grausamkeit und macht sich auch zuletzt
Aus dem was er verabscheut ein Geset.

Er sieht die Priesterin kommen; um eine Unterredung mit ihr allein zu haben, läßt er den Orest sich entfernen; sie nimmt ihm die Ketten ab, und auf den Klang ihrer Sprache bricht er mit geschickter Wendung in die Worte aus:

O füße Stimme! Vielwillkommner Ton

Der Muttersprach' in einem fremden Lande!
Des väterlichen Hafens blaue Berge

Seh' ich Gefangner neu willkommen wieder
Vor meinen Augen.

Dann erzählt er ihr von sich und dem Freunde eine, der Wahrheit ziemlich nahe kommende, Geschichte, wobei er -es ist nicht abzusehen aus welchem Grunde falsche Namen gebraucht. Sie fragt nach Griechenland, nach den Ihrigen, und erfährt nun die Geschichte von der Schuld ihrer Mutter. Ihre Bewegung bemerkend, fragt er, ob sie dem Hause Agamemnons befreundet sei; in finstrer Ruhe antwortet sie mit einer weitern Frage nach dem Morde:

Sag' an, wie ward die schwere That vollbracht. Er erzählt es ihr. Was sie dann erwiebert, sind nur wenige kurze Worte, furchtbar ergreifend; sie verhüllt sich — „Es ist genug! Du wirst mich wiedersehn“

und so, sehr ausweichend, endet der Akt. Der dritte Akt beginnt mit einem Gespräch zwischen Iphigenie und Orestes;

jie bittet ihn die Geschichte zu beenden, die sie von dem andern nur halb gehört, und er thut das ziemlich ausführlich. Die List verschmähend, welche den Pylades ihre wahren Namen zu verheimlichen getrieben, spricht er kühn:

„Ich bin Orest!“

Das ist nun eine Erkennungsscene in aller Form, und die Natur nicht weniger als die dramatische Wirkung verlangt einen Aufschrei des Herzens von der Iphigenie, die in des Bruders Arme stürzen, sich ihm als Schwester zu erkennen geben müßte. Statt dessen läßt sie ihn ruhig weiter reden, sich gar entfernen, und entdeckt sich erst in der folgenden Scene! Das ist eher in der Weise eines angehenden Dramatikers, als was wir von einem großen Dichter erwarten. Bei Iphigeniens Nachricht faßt den Orest wieder ein Anfall seiner Raserei; als er sich erholt, fühlt er sich durch der Schwester Reinheit mit gereinigt von seiner Schuld, und nun drängt Pylades zum Raube des heiligen Bildes und zu gemeinsamer Flucht.

Offenbar ist das tragische Moment in dieser Berwicklung die Opferung eines Bruders von der Hand einer Schwester, die beide ihr geschwisterliches Verhältniß nicht ahnen, während die Zuschauer es genau kennen. Aber weit entfernt, eine so tragische Situation zu entwickeln, hat Goethe fie kaum berührt, nie sorgende Furcht in uns wachgerufen: von Anfang bis zu Ende fühlen wir keine Span= nung, keine Aufregung, nur unsere Neugierde verlangt da- · nach, das Mittel zu sehen, wodurch das schreckliche Schicksal umgangen werde. Bei Euripides dagegen drängt sich

alles zusammen, um die Schrecken dieses Conflikts zu steigern. Iphigenie, früher so sanft, daß sie mit ihren Opfern weinte, rast nun wie eine Löwin, der man ihre Jungen geraubt. Sie hat geträumt, Orest sei todt, und in ihrer Verzweiflung beschließt sie, ihren Schmerz an andern_auszulassen. Ihr Bruder und sein Freund werden vor sie gebracht. Sie fragt nach ihren Namen; Dreft verweigert sie zu nennen. In raschem Austausch von Fragen und Antworten erkundet sie das Schicksal ihres väterlichen Hauses, und erbietet sich nun, einem der beiden Gefangenen das Leben zu retten, wenn der andre für sie einen Brief nach Argos, ihrer Heimath, trage. Ein großmüthiger Wettstreit, wer der Ueberlebende sein solle, schließt endlich zu Gunsten des Pylades. Die gegenseitige Erkennung wird nun so eingeleitet: Pylades schwört, den Brief zu bestellen, aber wie, fragt er, könne er sein Versprechen erfüllen, wenn sein Schiff scheitere, der Brief verloren gehe; für diesen Fall macht ihn Iphigenie mit dem Inhalt des Briefes bekannt, und dabei nennt sie ihren Namen; Orest, wie natürlich, stößt einen Freudenruf aus und schließt sie brüderlich in die Arme. Der dramatische Fortgang in dieser Scene ist bewundernswürdig. Aber von da an erlahmt bei Euripides das Interesse, bei Goethe steigert es sich, vertieft sich; bei jenem ist der Höhepunkt der Leidenschaft erreicht, bei diesem erhebt sich nun erst das sittliche Interesse höher und höher; der tragische Conflikt trifft hier mehr unser sittliches Bewußtsein, als unsere menschlichen Empfindungen, ist

weniger ein Conflikt von Leidenschaften, als der hohe Streit von Pflicht gegen Pflicht.

Im vierten Akt geht Iphigenie mit sich zu Rathe: die beiden Männer, sagt sie,

haben fluges Wort mir in den Mund
Gegeben, mich gelehrt was ich dem König
Antworte, wenn er sendet und das Opfer
Mir dringender gebietet. Ach! ich sehe wohl,
Ich muß mich leiten lassen wie ein Kind.
Ich habe nicht gelernt zu hinterhalten,
Noch jemand etwas abzulisten. Weh!
O weh der Lüge! Sie befreiet nicht,
Wie jedes andre, wahrgesprochne Wort,

Die Brust; sie macht uns nicht getroft, sie ängstet
Den, der sie heimlich schmiedet, und sie kehrt,
Ein losgedrückter Pfeil, von einem Gotte
Gewendet und versagend, sich zurüď

Und trifft den Schützen. Sorg' auf Sorge schwankt
Mir durch die Brust. Es greift die Furie
Vielleicht den Bruder auf dem Boden wieder
Des ungeweihten Ufers grimmig an.

Entdeckt man sie vielleicht? Mich dünkt, ich höre
Gewaffnete sich nahen! Hier! der Bote
Kommt von dem Könige mit schnellem Schritt.
Es schlägt mein Herz, es trübt sich meine Seele,
Da ich des Mannes Angesicht erblicke,

Dem ich mit falschem Wort begegnen soll.

Mehr als ihres Bruders Leben, ihn selbst soll sie von den Furien retten, und nur durch List kann das geschehen, da Gewalt unter den Umständen unmöglich ist. Den Griechen

war das durchaus nach dem Sinne; fie liebten Betrug mehr als Gewalt; aber christliche Gewissen scheuen den Betrug als etwas Feiges und tief Unsittliches. „Die Ehre spricht genug! das ist uns Götterwort“, so faßt Racine in einer Zeile die moderne Auffassung zusammen.*)

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Auch die reine Seele dieser goetheschen Iphigenie des Euripides vollführt den Betrug auf das liftigste - bebt vor der Verstellung zurück, die man ihr aufgezwungen hat, und nur der Erinnerung an die Güte und Achtung, mit der Thoas sie immer behandelt, bedarf es, um sie unschlüssig zu machen: des Bruders und des Freundes Rath nur habe sie gehört; nur sie zu retten drang die Seele vorwärts"; doch jetzt hat der Bote des Königs sie erinnert, daß sie auch in Tauris Menschen verlasse; „dop= pelt wird ihr der Betrug verhaßt." So tritt Phlades zu ihr, drängt von neuem zur Flucht; sie enthüllt ihm ihre Bedenken:

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Pyl.: Der deinen Bruder schlachtet, dem entfliehst du.
Iphig. Ee ist derselbe, der mir Gutes that.

Pyl.: Das ist nicht Undank, was die Noth gebeut.

Iphig. Es bleibt wohl Undank, doch die Noth entschuldigt's. Pl.: Vor Göttern und vor Menschen dich gewiß. Iphig.: Allein mein eigen Herz ist nicht befriedigt. By: Zu ftrenge Fordrung ist verborgner Stolz. Iphig. Ich untersuche nicht, ich fühle nur. Wie modern ist Alles in dieser Subjektivität, dieser zart empfindenden Gefühlsanschauung!

*) „L'honneur parle; il suffit, ce sont là nos oracles."

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