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Erster Abschnitt.

Wiedergeburt.

Die Entwicklung des Charakters, wie er in langsamer

Wandlung aus der Regellosigkeit der Jugend zur klaren Stetigkeit des Mannesalters übergeht, läßt sich dem wachsenden Glanz der Morgenröthe vergleichen, die zuerst allmälig und dann in schweigender Schnelle die Finsterniß der Nacht zurückscheucht und endlich mit einem Fluthstrom von Licht den Himmel ruhig in Besit nimmt. Mit solchem Bilde, sei es gestattet, den Anbruch einer neuen Epoche in Goethe's Leben zu bezeichnen. Er tritt nun in eine Zeit, wo die Ausschreitungen einer erregbaren Natur immer mehr in dem Kreise der Regel sich halten, wo Ziele, unbestimmt bisher, flar werden, wo in den Tiefen seines Geistes vieles, das noch flüssig war, durch den Ernst, der dem Leben eine feste Richtung setzt, sich crystallisirt. Alle gerialen Männer machen diesen Crystallisationsproceß durch; ihre Jugendzeit wird von dem Gewirr der Irrthümer und Leidenschaften getrübt, aber wenn sie diese Irrthümer überleben, so werden sie ihnen zu Gewinn. Wie die Abhänge großer Bergesrücken von Spalten zerklüftet sind, die geschmol

zene Felsmaffen füllen, und wie diese Spalten, nachdem die Lava sich abgekühlt hat, den Dienst colossaler Pfeiler leisten, welche die Gebirgsmassen stüßen, so wirken bei genialen Männern die Leidenschaften: erst zerklüften, dann festigen sie das Leben. Der Diamant, wie man weiß, kann nur mit seinem eigenen Staube geschliffen werden: ist das nicht ein rechtes Bild für die Wahrheit, daß das Genie nur durch seine eigenen Abfälle wahrhaft belehrt werden kann?

„Geniale Menschen, sagt Friedrich von Müller, schweifen leicht über die Grenzen der Wirklichkeit hinaus; im Gefühl, Außerordentliches leisten zu können, verschmähen ste oftmals die eng gezogene Schranke bürgerlicher Ordnung und, einer einseitigen Richtung aufs Ideelle hin= gegeben, das Studium der wirklichen Welt und ihrer An= forderungen. In Goethe dagegen finden wir von früh an zwei oft sich widerstrebende Eigenschaften innig verschwistert: eine überschwänglich produktive Phantasie und einen kindlich reinen Natursinn, dem überall ein Lebendiges begegnet und der überall thätig ins Leben einzugreifen strebt. Diese unvertilgbare Liebe zur Natur und zum praktischen Wirken schlingt sich das ganze Gewebe seines Lebens hindurch, sie schärft sein Auge für jede äußere Erscheinung, leitet die oft unruhige Thätigkeit seines, Geistes zum Realen hin, wird ihm zum Gegengewicht und Heilmittel der Leidenschaften und bewahrt ihn, wie ein schützender Genius, mitten unter gefahrvollen Abwegen vor Verirrung, mitten unter Abenteuern vor abenteuerlicher Richtung."

Goethe trat jest (1779) in sein dreißigstes Jahr. Sein

Leben erhob sich nun aus den träumerischen Nebeln, die es bisher umhüllten; an die Stelle jugendlicher Zerfahrenheit trat der feierliche Mannesernst und gipfelte sein Dasein zu imposanter Einheit. Er faßte den Entschluß,

sich vom Halben zu entwöhnen,

und im Ganzen, Guten, Schönen,
resolut zu leben.

Die Ursache dieser Aenderung wird gewöhnlich in seinem Aufenthalte in Italien gesucht, aber der wahre Grund lag in der nothwendigen Entwicklung seines Geistes. Daß er diesen Fortschritt lange vor seiner italienischen Reise gemacht hatte, das zu beweisen genügt die oberflächlichste Bekanntschaft mit der Zeit, die uns jetzt beschäftigt. Eine Stelle aus seinem Tagebuch, die ungefähr dies Datum trägt, ist dafür besonders bezeichnend. „Zu Hause aufgeräumt, meine Papiere durchgesehen, und alle alte Schalen verbrannt. Andere Zeiten, andere Sorgen! Stiller Rückblick aufs Leben, auf die Verworrenheit, Betriebsamkeit, Wißbegierde der Jugend; wie sie überall herumschweift, um etwas Befriedigendes zu finden. Wie ich besonders in Geheimnissen, dunklen imaginativen Verhältnissen eine Wohllust gefunden habe; wie ich alles Wissenschaftliche nur halb angegriffen und bald wieder habe fahren lassen; wie eine Art von demüthiger Selbstgefälligkeit durch Alles geht, was ich damals schrieb; wie kurzfinnig in menschlichen und göttlichen Dingen ich mich umgedreht habe; wie des Thuns, auch des zweckmäßigen, Denkens und Dichtens so wenig; wie in zeitverderbender Empfindung und Schattenleidenschaft

gar viel Tage verthan; wie wenig mir davon zu Nuße kommen, und da die Hälfte des Lebens nun vorüber ist, wie nun kein Weg zurückgelegt, sondern vielmehr ich nur dastehe, wie einer, der sich aus dem Wasser rettete und den die Sonne anfängt wohlthätig abzutrocknen. Die Zeit, daß ich im Treiben der Welt bin, seit 1775 October, getrau ich noch nicht zu übersehen. Gott helfe weiter und gebe Lichter, daß wir uns nicht selbst soviel im Wege stehen, lasse uns vom Morgen zu Abend das Gehörige thun, und gebe uns klare Begriffe von den Folgen der Dinge, daß man nicht sei wie Menschen, die den ganzen Tag über Kopfweh flagen und gegen Kopfweh brauchen und alle Abend zu viel Wein zu sich nehmen.“

"

Diese Worte haben etwas wahrhaft Feierliches. Denfelben Gedanken sprach er damals in einem Briefe an Lavater aus: Die Begierde, die Pyramide meines Daseins, deren Basis mir angegeben und gegründet ist, so hoch als möglich in die Luft zu spißen, überwiegt alles Andere und läßt kaum augenblickliches Vergessen zu. Ich darf auch nicht säumen; ich bin schon weit in Jahren vor, und vielleicht bricht mich das Schicksal in der Mitte, und der babylonische Thurm bleibt stumpf unvollendet. Wenigstens soll man sagen, er war kühn entworfen, und, wenn ich lebe, sollen, will's Gott, die Kräfte bis hinauf reichen."

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Für seinen damaligen Fortschritt kann kein besserer Zeuge angeführt werden als die Iphigenie auf Tauris, die er zu der Zeit schrieb. Diese wundervolle Dichtung war, seltsam genug, ursprünglich in Prosa geschrieben, und erst in Italien

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