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ift auch dies Gedicht nicht weniger durchaus volksthümlich und machte bei seinem ersten Erscheinen einen tiefen Eindruck, wurde auf grobem Papier zu geringen Preisen ganz wie ein Volksbuch nachgedruckt, als es zugleich ein Lieblingsbuch der wahrhaft Gebildeten ist. Zwischen diesen beiden Klassen von Lesern steht aber eine dritte, die zwar auch Bildung, aber nicht gerade tiefe Bildung hat; die findet die Einfachheit des Gedichts kahl; es sind das die Leser, welche eine bilderreiche Sprache verlangen und für die Kunst keinen Sinn haben, die derselben entbehren kann; für fie bedarf es aufregendere Ereignisse und Charaktere, die auf Stelzen gehen. Vorüber an ihnen, vorüber!

Da ich in die Frage, ob das Gedicht ein Epos ist und was für eines, nicht eingehe, so bin ich auch der kleineren Erörterungen über. Vergleichungen, Episoden und was dahin gehört überhoben; nur zwei Punkte sind noch kurz zu berücksichtigen.

Zunächst der Stoff. Da die Geschichte den traurigen Erlebnissen der Gegenwart entnommen war und in Gegenden spielte, die schon unter den verheerenden Wirkungen der französischen Revolution gelitten hatten, so suchte man in dem Gedichte natürlich eine politische Tendenz. Schiller würde es unzweifelhaft zum Träger einer glänzenden Verherrlichung der Freiheit gemacht haben, bei der unser Herz höher schlüge. Das war aber keineswegs Goethe's Absicht. Wie er es gegen Meyer ausdrückte, hatte er „das rein Menschliche der Existenz einer kleinen deutschen Stadt in dem epischen Tiegel von seinen Schlacken abzuscheiden gesucht und zugleich die großen Bewegungen und Ver

änderungen des Welttheaters aus einem kleinen Spiegel zurückzuwerfen getrachtet"; die Politik überließ er andern, und hier wie sonst beschränkte er sich auf das rein menschliche und persönliche Interesse; statt über Freiheit groß zu reden, wollte er die Menschen frei sein lehren, und unter Freiheit verstand er nicht politische Reformen, sondern die vollendete gesunde Entwicklung ihrer eigenen Natur. In einer der Xenien sagt er:

Zur Nation euch zu bilden, ihr hoffet es, Deutsche, vergebens. Bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus. Und in diesem Sinne kann Hermann und Dorothea als ein Lobgedicht auf die Familie gelten, als eine feierliche Berherrlichung der ewigen und ursprünglichen Forderungen, welche die Natur an den Menschen stellt.

In Bezug auf den zweiten Punkt, den Stil nämlich, mag es genügen, das herzliché Lob anzuführen, welches Schiller in einem Briefe an Heinrich Meyer ausspricht. „Auch wir waren indeß nicht unthätig, wie Sie wissen, und am wenigsten unser Freund, der sich in diesen letzten Jahren wirklich selbst übertroffen hat. Sein episches Gedicht haben Sie gelesen, Sie werden gestehen, daß es der Gipfel seiner und unserer ganzen neueren Kunst ist. Ich hab' es entstehen sehen und mich fast eben so sehr über die Art der Entstehung, als über das Werk verwundert. Während wir anderen mühselig sammeln und prüfen müssen, um etwas Leidliches langsam hervorzubringen, darf er nur leis an dem Baume schütteln, um sich die schönsten Früchte reif und schwer zufallen zu lassen. Es ist unglaublich, mit welcher Leichtigkeit er jeßt die Früchte

eines wohlangewandten Lebens und einer anhaltenden Bildung an sich selber einerntet, wie bedeutend und sicher jezt alle seine Schritte sind, wie ihn die Klarheit über sich selbst und über die Gegenstände vor jedem eitlen Streben und Herumtappen bewahrt. Doch Sie haben ihn jezt selbst und können sich von allen dem mit eigenen Augen überzeugen. Sie werden mir aber auch darin beipflichten, daß er auf dem Gipfel, wo er jetzt steht, mehr darauf denken muß, die schöne Form, die er sich gegeben hat, zur Dar= stellung zu bringen als nach neuem Stoffe auszugehen, kurz, daß er jetzt ganz der poetischen Praktik leben muß."

Die homerische Form und Versart paßt für diese Art poetischer Erzählung vortrefflich; auch hatte sie Voß durch seine Luise schon populär gemacht. In Bezug auf den Stil möchte ich noch eine Vergleichung mit den letzten Büchern des Wilhelm Meister empfehlen, die um dieselbe Zeit geschrieben sind; es zeigt sich da recht, wie unendlich überlegen Goethe's Poesie gegen seine Prosa ist. Von den Fehlern seiner Prosa ist hier keine Spur. Die Sprache ist so klar und so einfach wie Krystall, das Detail ist ohne alle Ausnahme bedeutsam, nicht eine Zeile könnte ohne Schaden für das Ganze wegbleiben. Man fühlt, daß die kräftige Bergluft von Amenau, wo er das Gedicht im Laufe von sechs Monaten der Hauptsache nach verfaßte, den Dichter aus der matten prosaischen Stimmung erhob und ihm seine ganze sichere Kraft gab.

Zum Schluß dieses Abschnitts mag sich der Leser noch an einer Probe jener scharfsinnigen Kritik ergößen, welche

den einfachsten Thatsachen einen tiefen Sinn unterzulegen liebt. Hegel in seiner Aesthetik und nach ihm Rosenkranz in seinem vortrefflichen Buche „Goethe und seine Werke" haben als etwas Besonderes hervorgehoben, in Hermann und Dorothea sei die deutsche Färbung viel treuer als in der Luise, dem Vorbilde Goethe's. Der Beweis ist in der That spaßhaft. Bei Voß, sagen sie, trinken die Leute viel Kaffee, aber wie weitverbreitet auch die Gewohnheit des Kaffeetrinkens sein mag, doch sind Kaffee und Zucker nicht deutsch, sondern fremdländisch, und ebenso sind die Porzellantassen nicht deutsch, sondern chinesischen Ursprungs; so werden wir in unserer Vorstellung meilenweit von Deutschland weggeführt. Wie ganz anders bei Goethe! Sein Wirth zum goldnen Löwen fetzt den Freunden ein Glas Wein vor, und was für Wein? Rheinwein, den ächten deutschen Wein, der hinter seinem eigenen Hause wächst! Une diesen Rheinwein trinken sie aus grünen Römern, den ächten deutschen Weingläsern, und die Gläser stehen auf einem zinnernen Präsentirbrett, und das ist auch ächt deutsch!

Natürlich ist es die nüchternste englische Prosa, dagegen zu erinnern, daß bei Voß der Pfarrer und seine Gäste Kaffee trinken, weil es in einem Pfarrhause auf dem Lande gewöhnlich Kaffee giebt, während die Bürger in Hermann und Dorothea Wein trinken, weil sie beim Wirth zum goldnen Löwen sind, und Rheinwein trinken, weil sie im Rheinland sind aber diese Prosa ist das einzige, was dem Engländer zur Erwiderung auf die Finessen deutscher. Kritiker übrig bleibt.

II.

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Fünfter Abschnitt.

Goethe als Theaterdirektor.

Wie groß die Leidenschaft des Weimar'schen Hofes für theatralische Darstellungen war und wie eifrig Goethe fie theilte, ist bei der Schilderung seiner ersten Weimar’schen Zeit bereits erwähnt worden. Das Schauspielhaus lag von dem Brande des Jahres vorher in Trümmern. So improvisirte man kleinere Theater im Walde bei Ettersburg und im Thale bei Tiefurt, wo zierliche Höflinge bei Fackelschein und Hörnerklang paradirten. Auch Schauspiele wurden improvisirt, andere wieder mit großer Sorgfalt ausgearbeitet. Das Publikum war wie es in Liebhabertheatern gewöhnlich ist. An diese Verhältnisse, die im sechsten Abschnitte des vierten Buches näher dargelegt sind, erinnern wir hier, um den Gegensaß hervorzuheben, worin diese weimar'sche Bühne zu allen andern deutschen Bühnen stand, und wie sie der wesentlichen Bedingungen entbehrte, welche fie über eine bloße Erholung geistreicher Dilettanten hätten erheben können. Das Drama muß natürlich erwachsen. In Weimar erwuchs es nicht aus einer Richtung des

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