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seiner geistigen Existenz stellt er dar. Goethe wußte aus eigener Erfahrung, daß die Philosophie eitel sei, hatte schon früh erfahren, welche Verderbniß unter dem glänzenden Schein guter Sitte sich berge, welch' dunkle Irrgänge bie bürgerliche Gesellschaft unterminiren. Halten wir uns für einen Augenblick lediglich an die eine Seite des Gedichts, nehmen wir es nur sofern es ein Problem darstellt, `nicht ein Bild, so kommen wir zu dem Schluß, daß der Faust ein Aufschrei ist der Verzweiflung über die Nichtigkeit des Lebens. Da seine Versuche, das Geheimniß des Lehens zu erschöpfen, mißlungen sind, giebt sich Faust dem Versucher hin, der ihm verspricht, er solle den Genuß des Lebens erschöpfen. Er durchmißt den ganzen Kreis der Lust wie er das Wissen durchmessen, und abermals vergebens. Die rohen Freuden in Auerbach's Keller, die Wüstheiten auf dem Blocksberg können natürlich sein Sehnen nicht stillen. Seine Leidenschaft für Gretchen ist heftig genug, aber fieberhaft, verrauschend; Gretchen hat nicht so viel Gewalt über ihn, daß er zum Augenblicke sagte, „verweile doch, du bist so schön.“ Ruhelos stürmt er weiter; ihm ist kein Maß noch Ziel gesetzt;" er sucht das Absolute, das Höchste, was nie erreicht werden kann. Das ist Menschenloos:

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Es irrt der Mensch so lang' er strebt.

Ein Wort zum Schluß. Man hat es wohl als einen Vorwurf ausgesprochen, das menschheitliche Problem sei im Faust nur hingestellt, nicht gelöst. Nach meiner Meinung besagt der Vorwurf nichts: ein Gedicht ist nicht der rechte

Träger für eine Lösung. Gedichte sind keine Systeme, die Leier ist keine Kanzel, und wenn der Sänger zum Professor wird, so legt er sein eigentliches Amt nieder und pfuscht Andern ins Handwerk. Aber hohe Beachtung verdient es, daß Goethe, der das Problem jo kar hingestellt hat, uns auch sowohl praktisch durch sein Leben, als theoretisch in seinen Schriften möglichst nahe an die Lösung heranführt: er zeigt uns, wie wir das schwere Gewicht dieser großen Last mit Weisheit tragen können. Seine Lehre, daß wir entsagen müssen, die er selbst so vielfach und so fruchtbar angewendet hat, kommt einer Lösung nahe, oder nimmt doch wenigstens dem unlösbaren Geheimniß seine verwirrende und beängstigende Wirkung. Das Geheimniß unserer Exi stenz ist ein furchtbares Problem, aber es ist eben ein Geheimniß und geht über die Grenzen menschlicher Kraft hinaus. Als Geheimniß müssen wir es anerkennen und müssen entsagen! Unser Wissen kann immer nur Stückwerk sein, nie vollkommen; aber selbst dies begrenzte Wissen ist doch noch unendlich und für uns unendlich wichtig; in diesem weiten Kreise arbeite jeder nach seinen Kräften. Auch Glück, ideales, vollkommenes Glück ist für uns unerreichbar: verzichten wir darauf! Der Kreis werkthätiger Pflicht ist weit, ausreichend für unsere Kräfte: fie adelt jeden, der ihr treu dient. In dem sauern Schweiß der Arbeit liegt ein Antrieb, der dem Leben Schwung giebt, und das Bewußtsein, daß unsere Arbeit in der einen oder andern Weise unsern Mitmenschen zu dauerndem Segen gereicht, läßt uns die Flucht der Jahre leichter tragen.

Achter Abschnitt.

Die lyrischen Gedichte.

Der Fauft und die lyrischen Gedichte sichern Goethe den ersten Platz vor allen neueren Dichtern, Shakespeare ausgenommer, und wären sie die einzigen Schöpfungen seines Genius, so würde ihm nie jemand diesen Rang bestritten haben. Aber noch viele andere Werke hat er geschaffen, und das heißt so viel als: er hat den Angriffen auf seinen Ruhm noch manchen Zugang eröffnet. Sein Reichthum thut seinem Ruhme Eintrag; daß er so viel gethan, hat den Glauben an seine Kraft vermindert; denn wie man die Kraft eines Lichtstrahls an seiner schwächsten Stelle mißt, so schäßt man, ungerecht genug, die Dichter, nach ihren schnächsten Werken, außer wenn die Wogen des Enthufiasmus der Kritik mit ihren Bedenken über dem Kopfe zusammenschlagen. Die griechische Literatur steht für uns hauptsächlich darum so groß da, weil sie ein Bruchstück von Bruchstücken ist; ihre Meisterwerke sind erhalten, die schlechten sind untergegangen. Umgekehrt erscheint die Li

teratur unserer eigenen Zeit uns so armselig, nicht weil keine guten Bücher erschienen, sondern weil die Zahl der schlechten so massenhaft ist, daß jene ganz darin verschwin= den. Goethe hat vierzig Bände voll des verschiedenartigsten Inhalts geschrieben. Er hat mit einer Vollendung ge= schrieben, die vor ihm kein Deutscher erreicht hat, und wiederum so dürftig, daß es höchst erfreulich wäre, dürfte man hoffen, daß kein Deutscher nach ihm es so versuchte. Aber die schwächsten Stellen sind in Prosa geschrieben. In seinen Versen ist er immer Poet; selbst seine dürftigsten Gedichte haben etwas von jener Grazie, die uns in den schönsten bezaubert.

Ihm schenkte des Gesanges Gabe,

Der Lieder süßen Mund Apoll

und diese Gabe des Gesanges, die wahre Dichterweihe, welche kein anderes Talent ersetzen kann, macht seine Kleinig feiten gefällig, seine besten Lieder unvergleichlich.

Goethe's lyrische Gedichte sind von allen seinen Werken die bekanntesten, und durch ihren Zauber haben sie selbst die Bewunderung seiner Gegner gewonnen. Wohl hört man über ihn und seine Werke die seltsamsten und verschiedensten Urtheile, aber über die kleineren Gedichte hört man nur einstimmiges Lob. Sie sind gesättigt mit einem Leben und einer Schönheit, gegen die kein Vorurtheil Stand Hält; sie geben Gefühlen, die zugleich höchst mannigfaltig und wahr sind, musikalischen Ausdruck; sie sind heiter, graziös, tokett, spielend, zärtlich, leidenschaftlich, traurig, gedankenvoll und malerisch, bald einfach wie eine schlichte Weise,

die uns in müßigen Stunden im Kopfe fummt, bald schwer von mächtigen Gedanken, bald spiegeln sie mit himmlischer Anmuth den leichten Flug eines launigen Einfalls wieder, bald strömen sie Klageseufzer aus, in denen ein gepreßtes Herz sich Luft macht. Diese Lieder (sagt Heine, selbst ein Meister des Gesanges) umspielt ein unaussprechlicher Zauber. Die harmonischen Verse umschlingen dein Herz wie eine zärtliche Geliebte; das Wort umarmt dich, während der Gedanke dich küßt."

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Zum Theil liegt dieser Zauber in der schlichten Einfalt der Sprache. Nicht wie bei den meisten Dichtern bewegt sie sich zwischen epigrammatischen Pointen und poetischen Effekten, blendet uns nicht mit künstlichen Bildern, die bei aller Schönheit doch selten den wirklichen Sinn wiedergeben, zu dessen Schmuck sie bestimmt sind; wie eine Blume sich erschließt, so anspruchslos anmuthig ist sie, und sie wechselt so mannigfaltig, wie die Natur des Gegenstandes es erfor= bert. Sie entbehrt alles Beiwerks von Zierrath. Ihre Schönheiten sind „organisch", sind eng verflochten in das dichterische Gewebe selbst, nicht blos zum Schmuck angeheftet. Nehmen wir z. B. die Ballade vom Fischer. Wie einfach und gradezu sind da die Bilder, und doch wie wunderbar malerisch! „Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, ein Fischer saß daran“ mit weniger Worten kann eine Situation nicht gezeichnet werden.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?

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