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einmal nicht in dem herkömmlichen Kreise bewegen, und ihm sah man alles nach, aber Goethe war ein Mann von Welt, ein Mann der Form, ein Hofmann und Minister; mit untergeschlagenen Armen und den Hut in den Kopf gedrückt an fürstlichen Personen vorbei zu gehen wäre für ihn eine Rohheit gewesen, die seiner Natur, seiner Erziehung, seiner Stellung und seinem Schicklichkeitsgefühl gleich stark widersprochen hätte.

Dabei mag es immerhin sein, ja, ist wohl bei seiner Erziehung und äußeren Stellung wahrscheinlich, daß sein Gruß etwas außergewöhnlich Höfliches hatte, daß er sich recht tief verbeugte, recht förmlich, recht respektvoll; denn es fällt mir nicht ein zu bestreiten, daß er auf Rang und äußere Formen Gewicht legte. Nicht nur war er von jedem republikanischen Stolze weit entfernt, er legte auf seinen Ordensstern und seine „Excellenz" mehr Werth als seine blinden Verehrer zugeben wollen, und wenn er auch Recht haben mochte zu behaupten, die bloße Fürstlichkeit als solche habe ihm nie imponirt", so hat er doch, namentlich in der letzten Hälfte seines Lebens, fürstlichen Personen gegenüber immer eine gewisse Scheu und Schüchternheit, die hie und da wenn er z. B. sich zur Gnade schäßt, einen Fürsten Reuß in tiefer Unterthänigkeit verehren zu dürfen selbst eines komischen Anstrichs nicht entbehrt. Ist das eine Schwäche gut, so rechnet sie ihm an, aber wäre er auf solche Kindereien auch so eitel wie ein englischer Herzog auf seinen Hofenbandorden oder ein deutscher Geheimerath auf seinen Titel, zu einem ernsten Vorwurf sehe ich

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darin keinen Grund. So selten ist ein Dichter „Excellenz“ gewesen, so wenige Dichter haben Orden getragen, daß es uns an jedem Anhalt fehlt, zu beurtheilen, ob Goethe's Eitelkeit größer oder kleiner war als sich billiger Weise erwarten läßt. Einstweilen will mich bedünken, daß über seinen Titel zu spotten und über seinen Orden zu lachen einer Nation sehr schlecht ansteht, die so oft und so verdient wegen ihrer übertriebenen Titelsucht ausgelacht wird,, und daß auch wir Engländer über Rang und Titel nicht so besonders erhaben sind, um über diese Goethe'sche Schwäche mit Fug zu Gericht zu sitzen.

Dritter Abschnitt.

Die Wahlverwandtschaften.

Zu den Jenaer Freunden, die Goethe immer mit Vergnügen sah, gehörte der Buchhändler Frommann. In seiner Familie lebte als angenommenes Kind jene Minna Herzlieb, die für uns ein eigenes Interesse hat: sie ist die Ottilie in den Wahlverwandtschaften. Als Kind war sie ein rechter Liebling Goethe's gewesen; zur Jungfrau herangewachsen, übte sie auf ihn einen Zauber, gegen den seine Vernunft sich vergebens sträubte. Der Unterschied der Jahre war groß, aber wie oft schenken junge Mädchen die erste Blüthe ihrer Neigung Männern, die ihre Väter sein könnten, und wie oft glühen Männer in vorgeschrittenem Alter noch von der Leidenschaft der Jugend! In den Sonetten, die Goethe an Minna Herzlieb richtete, und in den Wahlverwandtschaften kann man es lesen, wie stark die Gluth seiner Leidenschaft war und wie mächtig er sich dagegen wehrte. Von den Wahlverwandtschaften sagt er in den Tag- und Jahres

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heften: Niemand verkennt an diesem Roman eine tief leidenschaftliche Wunde, die im Heilen sich zu schließen scheut, ein Herz, das zu genesen fürchtet. Der 3. Oktober 1809 [wo der Druck beendet ward] befreite mich von dem Werke, ohne daß die Empfindung des Inhalts sich ganz hätte verlieren können." Wären wir über die äußern Verhältnisse, aus denen die Wahlverwandtschaften erwuchsen, so genau unterrichtet, wie über die Geschichte des Werther, so würden wir die Erlebnisse des Dichters in jenem Roman so gut verkörpert finden, wie in diesem; da aber in solchen Fällen sich auf Vermuthungen einzulassen gefährlich ist, so wage ich mich nicht über die Thatsachen hinaus, von denen ich habe Kenntniß nehmen dürfen, und beschränke mich auf die Bemerkung, daß die beiderseitigen Freunde mit Kummer und Sorge eine Neigung wachsen sahen, die zu keinem guten Ende führen konnte; daß man endlich beschloß, Minna in eine Pension zu schicken (auch in dem Roman wird Ottilie wieder in ihre Pension geschickt), und daß diese völlige Trennung beide rettete.

Die Wahlverwandtschaften im Lichte dieser Geschichte zu lesen, ist sehr interessant; wir sehen da nicht nur, aus welcher Quelle die Eingebung des Dichters entsprungen ist, sondern auch, wie Goethe die heiden Hälften seines eigenen Wesens künstlerisch darstellt ein Punkt übrigens, den wir bereits früher (Band I. S. 279) besprochen haben.

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Eduard und Charlotte haben einander in ihrer Jugend geliebt. Umstände sind dazwischen getreten, und beide haben Convenienzheirathen geschlossen, von denen sie nach einiger

Zeit der Tod ihrer Gatten befreite. Nun nicht länger. gebunden, beschließen Wittwer und Wittwe natürlich, den Traum ihrer Jugend zu verwirklichen. Sie heirathen sich. Zu Anfang der Geschichte sehen wir sie in friedlichem Glücke. Obgleich einige wenige stille Andeutungen einen gewissen innern Gegensaß ihrer Naturen erkennen lassen, der zwar nicht stark genug ist, sie unglücklich zu machen, aber eine vollkommene Sympathie zu stören hinreicht, könnte doch selbst das schärfste Auge nichts entdecken, was die Dauer ihres Glückes bedrohte. Eduard hat einen Freund den Hauptmann der ihm fast ein Bruder ist; diesen ladet er zu dauerndem Besuche ein. Charlotte hat sich der Einladung zuerst entschieden widerseßt, da ihr eine dunkle Ahnung Uebles weissagt nichts ist bedeutender in jedem Zustande als die Dazwischenkunft eines Dritten" — aber fie giebt nach, weil sie ihre angenommene Tochter Ottilie aus der Schule zu nehmen und bei sich zu haben wünscht.

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So werden die vier Personen dieses Drama's zusammengeführt, und kaum sind sie bei einander, als die angebornen Wahlverwandtschaften ihrer Naturen zu wirken beginnen. Charlotte und der Hauptmann werden zu einander hingezogen, ebenso Eduard und Ottilie. Der Dichter läßt. das wie eine Naturnothwendigkeit sich vollziehen, so undermeidlich unaufhaltsam wie die chemischen Prozesse, mit denen er die geistigen Vorgänge erläutert. Ein Stück aus der Tragödie des Lebens ist in aller Realität vor uns; wir fühlen, daß es unvermeidlich, daß es schrecklich ist, und zugleich erkennen wir, daß es der moralischen Beurtheilung

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