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zufrieden sein; die meisten sehen sein Jugendleben fast nur in dem Lichte, wie er selbst von der Höhe seines sechzigsten Jahres es angeschaut und wiedergespiegelt hat; mit Recht aber und allgemein gilt „Wahrheit und Dichtung" als eine meisterhafte und getreue Darstellung einer bedeutenden Culturepoche des vorigen Jahrhunderts.

Ehe er daran ging, sein Leben zu schreiben, traf ihn der Schmerz, seine Mutter zu verlieren. Sie starb am 13. September 1808 in ihrem achtundsiebzigsten Jahre. Bis zum letzten Augenblicke war die Liebe zu ihrem Sohne, die Freude an seinem Talent, der Stolz auf ihres Wolfgang's Ruhm, und seine Liebe zu ihr auch, der Genuß ihres Alters gewesen. Er hatte sie bei sich in Weimar zu haben gewünscht, aber der Kreis alter Bekanntschaften und lang= jährige Gewohnheit hielt sie trotz aller Kriegsunruhen in ihrer Vaterstadt fest, wo sie allgemein verehrt wurde. Sie starb wie sie gelebt hatte, heiter bis ans Ende. Als während ihrer lezten Krankheit noch eine Einladung an sie kam, ließ sie antworten: Frau Rath könne nicht kommen, Frau Rath müsse allweil sterben, und ihr Leichenbegängniß ordnete sie selbst so pünktlich an, daß die Weinsorte und die Größe der Brezeln, womit die Begleiter erquickt werden sollten, genau bestimmt war; sie wollte auch im Tode keine unfreundlichen Gesichter um sich haben.

Vierter Abschnitt.

Politik und Religion.

Die letzten Jahrzehnte des Goethe'schen Lebens mit nur annähernder Vollständigkeit im Einzelnen zu erzählen würde einen besondern Band erfordern. An Stoff ist kein Mangel. In seinen Briefen und denen seiner Freunde und Bekannten findet sich reichliche Auswahl, aber unglücklicher Weise werden die Materialien grade da am vollständigsten, wo das Interesse an der Geschichte abzunehmen beginnt. Vom sechzigsten bis zum zweiundachtzigsten Jahre ist eine lange Zeit, aber es ist eine Zeit, wo Personen und Dinge nicht mehr auf den Menschen einwirken; sein Charakter ist fertig und kann keinen neuen Anstoß mehr erhalten. Da hört die Lebensbeschreibung auf und der Nekrolog beginnt. Von allem und jedem, was Goethe that und studirte, jedem Ausflug, den er machte, jeder Erkältung und jedem Zahnweh, woran er litt, jeder Person, mit der er verkehrte, umständlich Rechenschaft zu geben ich glaube, man ist auch in Deutschland so weit gekommen, um sich das sparen

zu können.

Seine Bekanntschaft mit Beethoven erwähne ich indeß wegen des unerlöschlichen Interesses, das sich an die beiden Namen knüpft, und wegen einer nothwendigen Abwehr. Sie trafen sich in Töplit, verlebten einige Tage mit einander und schieden jeder mit der tiefsten Bewunderung für des andern Genie. „Aber, fügt Beethovens Biograph Schindler hinzu, aber obgleich Beethoven die Geduld Goethe's mit ihm (seines schlechten Gehörs wegen) gepriesen hat, so ist es doch Thatsache, daß der große Dichter und Minister den Musiker nur zu bald vergaß, und als er ihm im Jahre 1823 mit geringer Mühe einen wesentlichen Dienst hätte Leisten können, auf einen ganz submissen Brief unsern Meister nicht einmal einer Antwort würdigte." Das ist so die übliche Art, Anschuldigungen zu erheben, das auch die Art von Beweis, bei der man sich beruhigt. Thatsächlich liegt hier nichts vor, als daß Beethoven an Goethe geschrieben und daß Goethe nicht geantwortet hat. Beethoven's Brief enthielt die Bitte, Goethe möge den Großherzog veranlassen, auf seine Messe zu subscribiren; darauf keine Antwort zu erhalten, mochte sehr kränkend sein, aber Goethe's Schweigen ohne weiteres aus bösem Willen zu erklären, ist doch durchaus ungerechtfertigt und bei der bekannten Freundlichkeit Goethe's, bei seiner Bewunderung für Beethoven, seiner wiederholten Verwendung bei Carl August für so manche wohlthätige Handlung müssen wir seinem Schweigen lieber jede andere Deutung geben als die des argwöhnischen Beethoven und seines Verehrers Schindler.

Kehren wir nach dieser Abschweifung zu dem Laufe

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unserer Erzählung zurück. Das Jahr 1813, in welchem die Freiheitskriege begannen, war für Goethe ein sorgenvolles Jahr. Es eröffnete sich mit einem schmerzlichen Verluste; sein alter Freund Wieland starb ein Schlag, der ihn tiefer erschütterte, als seine nächsten Freunde geglaubt hatten. Herder, Schiller, die Herzogin Amalie, seine Mutter und nun Wieland einer nach dem andern sanken sie dahin, ließen ihn einsam bei fortschreitendem Alter; einem nach dem andern mußte er den Nachruf sprechen. Zum Andenken Wieland's, „des edlen Dichters, Bruders und Freundes" hielt er in der Freimaurerloge in Weimar eine Rede, die ein rechtes Muster einer liebenswürdig anerkennenden und doch wahrhaften Lobrede ist und von jedem gelesen werden sollte, der ein klares Bild von dem Lebensgange und der Natur des feinsinnigen Sängers des Oberon gewinnen will. Als Beispiel, in wie geistreicher Weise Goethe solche Aufgaben anzufaffen und zu behandeln wußte, stehe hier der erste Satz seiner Rede: „Ob es gleich dem Einzelnen unter keiner Bedingung geziemen will, alten ehrwürdigen Gebräuchen sich entgegen zu stellen, und das, was unsere weisen Vorfahren beliebt und angeordnet, eigenwillig zu verändern, so würde ich doch, stände mir der Zauberstab wirklich zu Gebote, den die Muse unserm abgeschiedenen Freunde geistig anvertraut, ich würde diese ganze düstere Umgebung augenblicklich in eine heitere verwandeln: dieses Finstere müßte sich gleich vor Ihren Augen erhellen, und ein festlich geschmückter Saal mit bunten. Teppichen und munteren Kränzen, so froh und klar als

das Leben unseres Freundes, sollte vor Ihnen erscheinen. Da möchten die Schöpfungen seiner blühenden Phantasie Ihre Augen, Ihren Geist anziehen, der Olymp mit seinen Göttern, eingeführt durch die Musen, geschmückt durch die Grazien, sollte zum lebendigen Zeugniß dienen, daß derjenige, der in so heiterer Umgebung gelebt und dieser Heiterkeit gemäß auch von uns geschieden, unter die glücklichsten Menschen zu zählen, und keineswegs mit Klage, sondern mit Ausdruck der Freude und des Jubels zu bestatten sei."

Bald kamen schwerere Sorgen. Die politischen Unruhen des Jahres 1813 störten seine Pläne. Deutschland erhob sich gegen die Gewaltherrschaft Napoleon's; Goethe hielt diese Erhebung für hoffnungslos. Als Körner, der Vater des Dichters, in Aussichten auf bessere Zeiten sich erging, fuhr er ihn mit den heftigen Worten an: Ja, schüttelt nur an euern Ketten! Der Mann ist euch zu groß, ihr werdet sie nicht zerbrechen, sondern sie nur noch tiefer ins Fleisch ziehen!" Noch viele andere zweifelten gleich ihm an dem Erfolge, aber die Nation glücklicher Weise nicht. Während die Patrioten den Zorn der Nation zu einem Widerstande der Verzweiflung anfachten, suchte sich der Dichter „aus der Gegenwart zu retten, weil es unmöglich sei, in der Nähe von so manchen Ereignissen nur leidend zu leben, ohne zuletzt von Sorge, Verwirrung und Verbitterung wahnsinnig zu werden." Wie immer, nahm er seine Zuflucht zu der Kunst. Er dichtete die Balladen „der Todtentanz“, „der getreue Eckart“ und „die wandelnde Glocke“,

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