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Cuvier und Geoffroy St. Hilaire über vergleichende Zoologie in einer wissenschaftlichen Abhandlung, die wenige Menschen in ihrer besten Zeit hätten schreiben können. Aber nach Ansicht einiger Physiologen ist der Mensch mit siebzig Jahren überhaupt noch nicht alt. Flourens z. B. behauptet, zwischen dem fünfundfunfzigsten und dem siebzigsten Jahre sei der Mensch in seiner männlichsten Periode, und Reveillé Parise erklärt, zwischen dem fünfundfunfzigsten und fünfundsiebzigsten Jahre, und bisweilen noch später, erlange der Geist eine wahrhaft auffallende Spannkraft, Festigkeit und Stärke; grade da stehe der Mensch auf der Höhe seiner Kraft (c'est véritablement l'homme ayant atteint toute la hauteur de ses facultés). Auch bietet die Geschichte der Wissenschaft und Literatur einige schlagende Beispiele von geistiger Thätigkeit im hohen Alter. Ein Beispiel von lange fortgesetter dichterischer Befähigung ist Sophokles, der mit achtzig Jahren sein Meisterwerk geschrieben haben soll. Die Reflexion behält oft ihre Kraft und scheint sie durch Vermehrung des Stoffes fogar noch zu steigern, aber mit der producirenden Kraft ist es anders. Doch zeigt Goethe selbst in seinen spätesten Jahren eine außerordentliche Fruchtbarkeit: in seinem einundachtzigsten Jahre vollendete er den zweiten Theil des Faust, in seinem fünfundsechzigsten schrieb er den West-Destlichen Divan, und wenn diese Werke auch denen seiner früheren Jahre keinesweges gleichzustellen find, so müssen sie als Früchte, die eine untergehende Sonne gezeitigt hat, doch wunderbar genannt werden.

Der West-Destliche Divan war ihm eine Erholung von

den Wirren der Zeit. Statt sich an der europäischen Politik zur ärgern, erfreute er sich an dem Studium der Geschichte und Poesie des Orients. Er fing sogar an, orientalische Sprachen zu treiben, und hatte sein Vergnügen daran, die zierlichen Schriftzüge der arabischen Sprache nachmachen zu können. Hammer, de Sach und andere hatten ihm hinreichenden Stoff gegeben, und seine dichterische Thätigkeit gab dem Stoff bald die Form. Aber schmückte er sich auch mit dem Turban und schlug den Kaftan über die Schultern, ein wahrer Deutscher blieb er doch. Mochte er Opium rauchen und Foukah trinken, er träumte deutsch und sang deutsch. Das giebt dem „Divan" seinen eigenthümlichen Charakter: er ist „west-östlich“, die Bilder darin gehören dem Often, die Empfindungen dem Westen an. Grade wie er in den römischen Elegien sich in die klassische Vergangenheit geworfen hatte und deren Formen mit unübertroffener Leichtigkeit und vollem Zauber wiedergab, und dabei doch niemals original und deutsch zu sein aufhörte, ebenso bleibt auch in dieser Welt des Ostens der Dichter des Westens unverkennbar. Er folgt der Karavane auf ihrem langsamen Zuge durch die Wüste, hört Bülbül, -die Nachtigall des Ostens, am Rande sprudelnder Springbrunnen ihr melancholisches Lied singen, lauscht voll Andacht den Lehren Mahomed's und entzückt sich an Hafisens Klängen. Die Vereinigung der beiden Elemente ist höchst glücklich. In der deutschen Literatur begann damit eine neue Epoche. Die Lyriker folgten plößlich seinem Beispiele, ließen ihre Kriegslieder und fangen die Gefänge des Ostens.

Auf den Spuren des deutschen Hafis wanderten Rückert und Platen unter Rosen und Gazellen, und andere Dichter ahmten ihnen willig nach. Sollte es nicht scheinen, als läge im deutschen Charakter eine angeborene Abneigung gegen politische Thätigkeit, da in den beiden großen Perioden der deutschen Geschichte, in den Kreuzzügen und in den Freiheitskriegen, die Dichter Deutschlands aus der stürmischen Betrachtung ihrer Zeit flohen und in einem ganz verschiedenartigen Gedankenkreise sich poetische Eingebung suchten? Die Minnesänger wußten von nichts als Liebe und Luft zu fingen, während rings um sie her der Waffenlärm ritterlicher Thaten erklang, und die neueren Dichter schöpften ihre Begeisterung nur aus der Welt der Romantik und des Orients, während,,um der Welt alleinigen Besitz“ der Kampf tobte. Dies ist um so mehr zu beachten, als man Goethe heftig getadelt hat, daß er „im reinen Osten Patriarchenluft zu kosten" aus der Politik sich geflüchtet, und doch sollte, was man an den jungen Dichtern lobte, bei dem Dichtergreife wohl Entschuldigung finden!

Der West-Deftliche Divan ist in zwölf Bücher getheilt, sehr verschieden an Inhalt und an dichterischem Werthe. Alles in Allem läßt sich auf Goethe anwenden, was er von Hafis sagt:/

Sei das Wort die Braut genannt,

Bräutigam der Geist;

Diese Hochzeit hat gekannt,

Wer Haftsen preift.

Wie viel er von eigenen Erlebnissen in die östlichen Formen

gekleidet hat, wissen wir nicht; an einer Stelle, im Buche
Suleika, spricht er offenbar von sich selbst; sehr zierlich
läßt er den Reim das verrathen, der ffatt des angenommenen
Namens,,Hatem" den wirklichen,,Goethe" verlangt:
Du beschämst, wie Morgenröthe
Jener Gipfel ernste Wand,

Und noch einmal fühler Hatem (Goethe)
Frühlingshauch und Sonnenbrand.

Die Anmuth, mit der viele von diesen Gedichten leicht hingeworfen sind, die bewundernswerthe Lebensweisheit, die so heiter aus ihnen hervorlächelt, der Wechsel von ruhiger, heißer Mittagsstille mit der sorglosen Luftigkeit der Weinlaune das alles muß ich mich beschränken blos anzudeuten. Zur Probe eine kurze Stelle:

Trunken müssen wir alle sein!

Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;
Trinkt sich das Alter wieder zu Jugend,

So ist es wundervolle Tugend.

Für Sorgen sorgt das liebe Leben,

Und, Sorgenbrecher sind die Reben.

Diesen Gedichten hat er ein Buch geschichtlicher Anmerkungen beigefügt, die allerdings ein gewissenhaftes Studium der orientalischen Dichtung befunden, aber nicht weniger beweisen, wie unendlich seine Profa hinter seiner Poesie zurückstand. Aus jeder Zeile spricht das Alter.

Fünfter Abschnitt.

Die Thätigkeit des Alters.

An der Schwelle des Alters empfing Goethe eine ́glänzende Huldigung von seiner Vaterstadt. In den ersten Abschnitten von Wahrheit und Dichtung hatte er von Frankfurt ein Bild gegeben, welches seinen Landsleuten sehr gefallen mußte; je höher sein Ruhm ging, desto heller wurde auch der Abglanz, der auf sie fiel, und wenn es der Nachhülfe bedurft hätte, so sorgte Frau Nath dafür, den Frankfurtern den Namen ihres berühmtesten Mitbürgers im Gedächtniß zu halten. Einmal wurde im Theater ein Stück von Goethe aufgeführt, Frau Rath fehlte nicht, und im Zwischenakt sprach sie aus ihrer Loge ganz ungenirt zu den Schauspielern auf der Bühne: sie sollten nur recht brav spielen, sie wolle es auch dem Wolfgang nach Weimar schreiben. Im Jahre 1814 kam Goethe selbst durch Frankfurt und fand dort einen Empfang, der an Voltaire's legten Besuch in Paris erinnert. Im Theater wurde Tasso mit großer Pracht gegeben. Kaum erschien der Dichter in seiner Loge, die mit Blumen und Lorbeerkränzen geschmückt war, als das Orchester eine Symphonie von Haydn begann

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