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Sechster Abschnitt.

Egmont.

Es giebt Menschen, deren Betragen wir nicht billigen können, die wir aber doch mehr lieben als viele andere von musterhafter Führung. Wenn strenge Sittenrichter die Sünden unserer Lieblinge ans Licht zu stellen wissen, so mag unser Verstand ihnen Recht geben, aber unser Herz empört sich. Wir protestiren nicht laut, aber im Stillen halten wir unsere Liebe unwandelbar fest. Wie mit Menschen, so ist es mit Gedichten. Die Lieblingswerke des Publikums sind durchaus nicht tadellos vor der Kritik und die Günstlinge der Kritik sind nicht die Lieblinge des Publikums. Damit widerfährt der Kritik kein Unrecht, so wenig wie der Moral mit unserer Neigung für liebenswürdige Sünder. In beiden Fällen treten nur eingestandene Fehler vor einem hervorstechenden Vorzuge zurück.

Solch ein Werk ist Egmont. Weit, sehr weit entfernt ein Meisterstück zu sein ist es der allgemeine Liebling. Als eine Tragödie hat es vor der Kritik einen schweren Stand, aber was der Kritiker auch sage, der Leser denkt an Egmont und Clärchen und heißt ihn seiner Wege gehen.

Diese beiden Gestalten haften im Gedächtniß, glänzende, Lichte, herrliche Geschöpfe der Dichtung, ebenbürtig jedem andern in der langen Reihe der Kunstwerke.

Als ein Drama, d. h. als ein für die Darstellung an= gelegtes Werk, entbehrt es der beiden Grundbedingungen, eines Conflikts elementarer Leidenschaften, aus dem das tragische Interesse entspringt, und der Verarbeitung seines Stoffes in dramatische Form. Jenes ist ein Fehler der Anlage, dies der Ausführung; jenes ein Irrthum des dramatischen Dichters, 'dies des Dramatikers. Shakespeare würde beides vermieden haben, aber Egmont und Clärchen hätte er, glaube ich, nicht übertroffen. Das Stück hat einen langsam schleppenden Gang und bei der Aufführung ermüdet es einigermaßen; weniger durch die Länge der Reden und Scenen als wegen der undramatischen Behandlung der nebensächlichen Einzelheiten. Das Stück ist ein dialogistrter Roman, kein Drama. Schiller, in seiner berühmten Recension, preist die Kunst in der getreuen Anwendung der geschichtlichen Lokalfarben; ich meinerseits gäbe gern die ganze geschichtliche Treue für etwas mehr dramatisches Leben. Das Verdienst, soviel dessen ist, ist ein Verdienst der Gelehrsamkeit, nicht der Kunst dès Dichters; denn nicht wie im Göß und in Walter Scott's Romanen sind die Lokalfarben so glänzend frisch, um jene Epoche in vollem Leben uns zu vergegen= wärtigen. Andrerseits aber tadelt es Schiller, daß Goethe gegen die Geschichte den Egmont unverheirathet, und gegen die Würde eines Helden ihn verliebt sein lasse. Daß der wirkliche Egmont Frau und Kinder hatte, wußte Goethe

natürlich; seine abweichende Darstellung war durchaus abfichtlich, und obgleich er sich dadurch, wie Schiller mit Recht bemerkt, um einige höchst wirkungsvolle dramatische Situationen brachte, so hat er im Ganzen doch recht daran gethan. Aus jenen wirkungsvollen Situationen hätte er wenig zu machen gewußt, dazu war sein Genius nicht leidenschaftlich noch dramatisch genug. Und vor allem, wir hätten sonst kein Clärchen.

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Egmont ist ein Typus der Humanität. Nicht große Handlungen giebt er uns, aber eine glückliche Natur. Der Held denn ein Held ist er - erscheint vor uns in seiner ruhigen Kraft, seiner glänzenden Begabung, in der Heiterfeit und Gesundheit seiner geistigen Freiheit, seine ganze Art liebreich und hochherzig; nicht in den Stunden ernsten Kampfes, nicht in der Anspannung seiner Kraft, nicht in der Höhe augenblicklicher Erregung, sondern in der stets gleichen Haltung seiner Natur. Solch ein Charakter schließt den dramatischen Conflikt aus. Die Richtung des Goetheschen Geistes, die Menschen mehr als Naturforscher denn als Dramatiker zu betrachten, ließ ihn die Darstellung eines Typus der Darstellung einer Leidenschaft vorziehen, und immer auf die Gestaltung von Selbsterlebtem gerichtet, machte er den Egmont so ziemlich zu dem, was unter glei= chen Verhältnissen Wolfgang Goethe gewesen sein würde. Aus demselben Drange auch schuf er Clärchen, die Rosenkranz (in dem vergeblichen Bemühen, das Stück zu einer historischen Tragödie zu erheben) wohl mit Unrecht so auffaßt, daß die Liebe Egmonts zu ihr zugleich seine Neigung für das Volk andeute.

Einen düster tragischen Vorgang behandelt dies Stüd. Der Aufstand der Niederlande war eine geschichtliche Nothwendigkeit; es war eine Erhebung von Bürgern gegen schmachvolle Bedrückung, des Gewissens gegen kirchliche Tyrannei, des Volkes gegen Fremdherrschaft. An der Spiße der Feinde stand der blutige, bigotte Alba, der mit Schwert und Henkerbeil die aufständischen Kezer zu züchtigen kam und an Stelle der Herzogin Margarethe von Parma Regent wurde. Die schroffen Gegensätze der Spanier und Holländer, des Katholicismus und des Protestantismus, der Tyrannei und Freiheit, die in diesem Stoffe liegen, hat Goethe sämmtlich angedeutet, aber zu mächtigen dramatischen Hebeln hat er sie nicht benußt. Die Personen des Stücks reden, reden gut, reden weitiäufig aber sie handeln nicht. Aus ihren Gesprächen erfahren wir, wie die Sachen stehen, aber dramatisch hinein versezt werden wir nicht.

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Das Stüd beginnt mit einer Volksscene; Bürger und Soldaten schießen nach der Scheibe. Eine lange Unterhaltung läßt die unruhige Lage des Landes und das Spiel der streitenden Meinungen erkennen. Man vergleiche diese Scene mit ähnlichen im Shakespeare, und der Unterschied zwischen dramatischer und nicht dramatischer Behandlung springt sofort in die Augen. Hier im Egmont ist bei den Leuten aus dem Volk in jedem Worte die Absicht des Dichters herauszumerken. Bei Shakespeare zeigen sie sich selbst in ihrer eigenen Natur, jeder in seiner Besonderheit. Die nächste Scene ist noch schwächer. Die Herzogin-Regentin beräth sich mit ihrem Geheimschreiber Macchiavelli, ob sie

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ben schon ausgebrochenen religiösen Unruhen mit Gewalt oder mit schonender Duldung entgegentreten solle. Von einer einzigen gleich mitzutheilenden Stelle abgesehen, ist die ganze Scene überflüssig, und Schiller hat denn auch aus seiner Bearbeitung des Egmont für die Bühne die Regentin ganz weggelassen. Jene Stelle führt uns den Charakter von Egmont und Oranien in den Hauptzügen vor:

Regentin. Soll ich aufrichtig reben; ich fürchte Oranien, und ich fürchte für Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen in die Ferne, er ist heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie und in tieffter Ehrfurcht, mit größter Vorsicht thut er was ihm beliebt.

Machiavelli. Recht im Gegentheil geht Egmont einen freien Schritt als wenn die Welt ihm gehörte.

Regentin. Er trägt das Haupt so hoch, als wenn die Hand der Majestät nicht über ihm schwebte.

Macch. Die Augen des Volks find alle nach ihm gerichtet, und die Herzen hängen an ihm.

Regentih. Nie hat er einen Schein vermieden, als wenn niemand Rechenschaft von ihm zu fordern hätte. Noch trägt er den Namen Egmont. Graf Egmont freut ihn sich nennen zu hören, als wollte er nicht vergessen, daß seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt er sich nicht Prinz von Gaure, wie es ihm zukommt? Warum thut er das? Will er erloschne Rechte wieder geltend machen?"

Die freie, sorglose, vertrauungsvolle Natur Egmonts ist hier dem argwöhnischen Oranien trefflich gegenüber gestellt; mehre lebendige Züge zeichnen uns seinen Charakter,

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