ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

I.

Unter welchen Zeitverhältnissen Tauler
aufwuchs.

Das schöne Straßburg mit seinem herrlichen Münster und seinen zahlreichen Denkmalen frommer Kunst und aufopfernden Glaubens ist im Mittelalter, wo es noch als deutsche Reichsstadt blühte, die Würze und Werkstätte manches erhabenen Geistes gewesen, dessen Früchte uns jezt noch mit dankbarer Bewunderung erfüllen. Zahlreich waren dort die Kräfte, welche an der äußeren Verherrlichung der Kirche des Mittelalters arbeiteten; aber es fehlte dort auch nicht an Geistern, welchen die innere Herrlichkeit eines gläubigen und in der Betrachtung Gottes geheiligten Gemüthes höher stand als alle Pracht der steinernen Tempel und aller Pomp der äußeren Gottesverehrung und die vorzüglich an der Erbauung des Tem= pels arbeiteten, der da lebendig ist und darstellen soll eine Behausung Gottes im Geist. Einer der gesegnetsten Baumeister dieser Art und erleuchtetsten Prediger evangelischer Heiligung aus den sinkenden Tagen des Mittelalters war Johannes Tauler. Er war im Jahre der Gnade 1290 zu Straßburg geboren. Ueber seine Abkunft und Baehring, Tauler.

1

Jugendgeschichte ist uns sehr wenig Sicheres überliefert worden. Möglich ist es, daß sein Vater ein gewisser Nicolaus Tauler gewesen ist, der unter den Rathsherren der Stadt im Jahre 1313 genannt wird. Doch scheint es zufolge einiger Worte Taulers selbst in seiner Predigt am 19. Sonntag nach Trinitatis, daß sein Vater ein Arbeitsmann und nicht sonderlich bemittelt gewesen ist. Denn in jener Predigt, wo er nach Anleitung der Epistel Ephes. 4, 22-32 unter Anderm über den Mißbrauch des Bettelns als einer Art Diebstahls spricht, sagt er von sich selbst, der als Dominikanermönch auch von Almosen lebte: „Mir, der ich ein ordentlicher Priester bin, ist es erlaubt, Almosen zu empfangen; aber glaubt mir, bis auf diese Stunde empfange ich sie mit lauter Furcht und Zittern, und wenn ich so viel davon gewußt hätte, da ich noch in meines Vaters Brod war, als ich jest weiß und gelernt habe, ich wollte in meines Vaters Haus geblieben sein und mich von der schweren Handarbeit ernährt haben."

Als heranwachsender Jüngling trat Tauler in den Dominikanerorden, der damals in hohem Ansehen stand. Derselbe war 1215 zu dem Zwecke gegründet, die durch Sektirer in ihrer Einheit sehr bedrohte römische Kirche vermittelst freier Predigt und Seelsorge wieder nach innen zu stärken, und wurde bald einer der mächtigsten und einflußreichsten Träger aller derjenigen Glaubensarbeit, welche wir heute unter dem Gesammtnamen „Innere Mission“ zusammenzufassen gewohnt sind. Weil die Predigt die Hauptaufgabe dieser Mönche war, so nannten sie sich auch gewöhnlich Prediger, Praedicatores. Sie zählten unter ihren Reihen manchen gelehrten und erleuchteten Geist. In Straßburg hatten sie ein schönes und geräumiges

Kloster, dessen Kirche im Jahre 1308 eingeweiht worden ist. In demselben entsagte der fromme Jüngling Johannes Tauler der Welt, um fortan neben seinen geistlichen Beschäftigungen sein Brod durch Betteln, wie es Regel des Ordens war, zu erwerben. In einem Nonnenkloster desselben Ordens in der Krautenau zu St. Claus in den Unden ließ sich seine Schwester für das jungfräuliche Leben einkleiden, woraus sich wohl schließen läßt, daß in ihrem älterlichen Hause hohe Ehrfurcht vor dem geistlichen Stand und Liebe zu frommem Leben geherrscht hat.

Mit Tauler trat wahrscheinlich im Jahre 1308 sein Freund Nikolaus von Dambach, einem Dorf bei Straßburg, in den Orden ein. Dieser war später sein Begleiter auf die hohe Schule zu Paris, wo sie in dem Predigercollegium zu St. Jacob Theologie studirten. Tauler, der mit einem scharfsinnigen Geist und regen Eifer von Gott begabt war, zeichnete sich bald vor Vielen in dieser Wissenschaft aus und erwarb sich bei seinen Zeitgenossen die ehrenvollen Beinamen eines „Meisters der heiligen Schrift" und eines hocherleuchteten Lehrers." Aber sein Geist blieb nicht in eitler Selbstgefälligkeit an der Schale der Wahrheit hängen, noch weniger suchte er den Ruhm der Gelehrsamkeit. Ein edleres Verlangen zog ihn beständig in die Tiefe, um zu gelangen zu dem wahren Grunde Gottes, und, sich selbst verlierend, in Gott seine wahre Vollkommenheit zu finden. Seine Lehrer zu Paris, Gelehrte vom Fach, erstorben in den todten Begriffen ihrer Schulweisheit, verstanden diesen Zug feines jugendlichen Geistes wenig zu befriedigen. Das hat Tauler selbst später erkannt und öfters ausgesprochen. Er sagte von jenen gelehrten Meistern und Doktoren, daß sie zwar mit

Fleiß große Bücher lesen und fleißig die Blätter umkehren, daß sie aber das wahre lebendige Buch, darinnen. Alles lebet, und das er erst später gefunden, nicht kannten; wer daher wahre Weisheit erlernen wolle, der müsse sie nicht in Paris, sondern in den Leiden Christi suchen.

Darum zog es ihn aus der unfruchtbaren Wissen= schaft seiner Zeit zu jenen ächten Gottesgelehrten zurück, die das Verständniß der göttlichen Geheimnisse nicht bloß durch Studiren in Büchern, sondern vielmehr durch die Hingabe ihres ganzen Gemüthes an Gott und durch die Heiligung in seiner Liebe gesucht hatten. Seine liebsten Lehrer, deren er auch in seinen Predigten oft Erwähnung gethan hat, waren die sogenannten Mystiker der älteren besseren Zeit, der heilige Bernhard, die großen Meister zu St. Viktor und vor Allem Augustinus, dieser Freund aller reformatorischen Geister. Ueber Allen stand ihm jedoch die heilige Schrift, deren Geist und Inhalt er sich in einem unter seinen Zeitgenossen seltenen Grade zu eigen gemacht hatte.

In Straßburg war die mystische Richtung unter den Gottesgelehrten und Predigern schon seit langer Zeit heimisch. Als Tauler daher von Paris, wo er wohl schon durch das Mißbehagen an der herrschenden Schulweisheit auf dieselbe hingewiesen war, in seine Vaterstadt zurückkehrte, fand er in dieser Beziehung reiche Nahrung. Doch leicht wäre er damals auf einen sehr gefährlichen Abweg gerathen, der sich gerade denen, die in die Tiefe der göttlichen Geheimnisse einzudringen suchen, leicht eröffnet. Der gelehrte und tiefsinnige Meister Eckart, ein ange= sehenes Mitglied des Dominikanerordens, trug nämlich zu jener Zeit (um 1320) mit glühend begeisterten Worten

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »